Doping-Skandal: Zu wem gehören die Blutbeutel?
Alle fünf bei der WM in Seefeld festgenommenen Langläufer sind geständig. Die Ermittler erhoffen sich durch die Aussagen neue Spuren – auch in andere Sportarten.
Das Video ist nur wenige Sekunden lang, aber es hat sich am Freitag über die sozialen Netzwerke verbreitet wie ein Lauffeuer. Es zeigt den österreichischen Langläufer Max Hauke, wie er auf dem Sofa eines Hotelzimmers in Seefeld sitzt, die Nadel der Bluttransfusion steckt noch im linken Arm. Im Hintergrund steht ein Polizeibeamter. In flagranti haben sie den Sportler mitten im WM-Ort beim Blutdoping erwischt. Er wird angesprochen, antwortet aber nicht.
Sein Blick ist in diesem Moment völlig leer. Verzweifelt. Ertappt. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt nun zwar wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses auch gegen den Polizisten, der das Video erstellt und veröffentlicht hat. Der 26-jährige Hauke wurde dadurch aber zum tragischen Gesicht der Weltmeisterschaft im eigene Land. Zur Hauptfigur des modernen und verlogenen Leistungssports.
Der deutsche Arzt Mark S. steht im Mittelpunkt der Doping-Ermittlungen
Insgesamt waren bei der Doping-Razzia am Mittwoch neun Verdächtige festgenommen worden, sieben in Seefeld und zwei in Erfurt. Darunter waren neben Hauke und dessen Teamkollege Dominik Baldauf mit den Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjarv sowie dem Kasachen Alexei Poltoranin weitere Langläufer. In Erfurt wurde unter anderem der Sportmediziner Mark S. abgeführt. Seitdem läuft die Ermittlungsmaschinerie auf Hochtouren.
Alle fünf Sportler haben mittlerweile Eigenblutdoping eingeräumt und umfangreiche Angaben gegenüber der Staatsanwaltschaft gemacht. Unter anderem über Treffen mit dem Doping-Arzt, über Regelmäßigkeit und über Orte, an denen Blut entnommen und wieder zugeführt worden sei. Sie sind nach ihren Aussagen vorerst wieder auf freiem Fuß. Nach österreichischer Rechtslage ist Doping nur strafbar, wenn man es bei jemand anderem anwendet. Dopt sich ein Sportler selbst, verstößt er hingegen nicht gegen das Dopinggesetz, sondern begeht Sportbetrug. Ausgeschlossen wurde das Quintett dennoch: Der Internationale Skiverband hat die beiden Esten und den Kasachen provisorisch mit sofortiger Wirkung gesperrt. Die österreichische Anti-Doping Agentur belegte ihre beiden betroffenen Athleten ebenfalls mit Sperren.
Die beiden in Seefeld festgenommenen mutmaßlichen Komplizen des Sportmediziners bleiben vorerst in Haft. Das weitere Verfahren gegen sie soll von München aus geführt werden. Auch der Sportmediziner, der als zentrale Figur in diesem Doping-Netzwerk gilt, soll in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim gebracht werden. Dem Sportmediziner war in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt schon die Verwicklung in Doping-Praktiken vorgeworfen worden. Er hatte dies aber stets bestritten. Nun wolle er wohl umfänglich kooperieren, ließ sein Anwalt verlauten.
Der Doping-Skandal wird auch zu einem Duell zwischen Deutschland und Österreich
Die Ermittler hoffen auf weitere Erkenntnisse durch die Auswertung der Blutbeutel, die bei den Hausdurchsuchungen sichergestellt wurden. Mehr als 40 waren es wohl, kühl gelagert, alle versehen mit Tarnnamen. Experten gehen davon aus, dass Sportler nach einer Eigenblutbehandlung um bis zu 15 Prozent leistungsfähiger sind. Ein Wert, der im Kampf um Sieg oder Niederlage schon den entscheidenden Unterschied ausmachen kann.
Hinter den Kulissen wird der Skandal auch zu einem Duell zwischen Deutschland und Österreich. Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbands, wird nicht müde, immer wieder die Bedeutung Deutschlands in diesem Fall hervorzuheben. In einem Interview mit dem Kuriersagte er: „Die Zentrale ist schon in Deutschland, aber auf die Österreicher wird jetzt hingehaut. Die WM in Seefeld ist ja auch ein guter Aufhänger. Aber die Gauner sitzen schon woanders.“ In seinem Land gebe es keine Dopingzentrale. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, schließt die Verwicklung deutscher Spitzensportler in die Affäre weiter aus.
Der sportliche Fortgang der WM bleibt davon nahezu unberührt. Am Freitag ging es um Medaillen auf der Normalschanze und um den Titel in der Langlaufstaffel der Männer. Das österreichische Team war bei diesem Rennen nicht dabei. Die ÖSV-Oberen hatten bereits am Mittwoch entschieden, kein Quartett an den Start zu schicken. Fast 13.000 Fans kamen trotzdem ins Stadion und jubelten den Sportlern zu. Schattenseiten hin oder her. Seefelds Bürgermeister Werner Frießer, zugleich Chef des WM-Organisationskomitees, sagte: „Unsere Aufgabe ist es, weiter eine tolle Veranstaltung für die enthusiastischen Besucher und die sauberen Sportler durchzuführen. Für Idioten sind wir nicht verantwortlich.“
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