Stefan Bradl bekommt überraschend sein Heimspiel
Kurzfristig startet der Zahlinger am Wochenende auf dem Sachsenring und steht in einer Garage mit Weltmeister Marquez. Eine neue Klasse feiert ihre Premiere.
Früher, als der Geldbeutel noch schmal war, residierte Stefan Bradl am Sachsenring mit den Eltern im Campingbus am Stausee Oberwald. Der Weg zu seinem Heimrennen in Hohenstein-Ernstthal war relativ weit. Vater Helmut fungierte als Manager und Fahrer, Mutter Gisela briet am Abend die Schnitzel vor dem Wohnwagen.
Die Zeiten am Campingplatz sind vorbei. Stefan Bradl startet im aktuell besten Motorrad-Team der MotoGp, aus der Garage des Weltmeisters Marc Marquez. Dem überragenden Spanier arbeitet der 29-Jährige normalerweise als Testfahrer zu, prüft neue Teile an der Werks-Honda, bevor sie in der Weltmeister-Maschine eingebaut werden.
Das Motorrad wurde innerhalb kurzer Zeit auf Bradl eingestellt
Doch da sich der Marquez-Partner Jorge Lorenzo im jüngsten WM-Lauf von Assen (Niederlande) einen Wirbelbruch zugezogen hat und ausfällt, kommt Bradl zum Zug. Er sitzt auf der Lorenzo-Maschine, die am Donnerstag auf den 29-Jährigen angepasst wurde. "Meine Daten sind im Computer, das ist relativ schnell passiert", erzählt der Motorrad-Pilot aus Zahling im Landkreis Aichach-Friedberg.
Von seinem Arbeitgeber Honda hatte Bradl zwei bis drei Wildcard-Einsätze zugesagt bekommen. Beim ersten Saisonstart in Jerez belegte der Zahlinger einen starken zehnten Platz. Nun springt der Moto2-Weltmeister von 2011 kurzfristig für den verletzten Lorenzo ein und bestreitet vor 200.000 Fans sein Heimspiel. "Dort ist die Hütte immer voll und weil es mein Heimrennen ist, ist es für mich etwas ganz Besonderes dort zu fahren. Ich weiß das schon zu schätzen."
Eigentlich hätte Bradl als Kommentator für ServusTV gearbeitet
Normalerweise hätte Bradl als Kommentator für ServusTV gearbeitet, jetzt schlüpft er in den Rennoverall und misst sich mit den Besten der Welt. Die WM-Wertung führt sein Garagenkollege Marc Marquez überlegen mit 160 Punkten vor den Ducati-Fahrern Andrea Dovizioso (116) und Danilo Petrucci (108) an. Bradl liegt mit seinen sechs Zählern aus Jerez auf Rang 22. Sein Ziel für das Heimspiel: "Wieder WM-Punkte zu holen wäre gut, unter die ersten zehn zu fahren ein Traum." Zähler gibt es für die besten 15. Topfavorit ist Marquez. Der Spanier ist seit seinem MotoGP-Debüt 2013 auf dem Sachsenring unbesiegt. Sechs Erfolge und sechs Polepositions sind ein klares Signal, dass der Honda-Pilot perfekt mit dem engen und winkligen Kurs in Sachsen harmoniert.
Marcel Schrötter hatte zuletzt einen Hänger
Mit großen Hoffnungen reist das Dynavolt Intact GP-Team an, denn der Schweizer Tom Lüthi hat zuletzt in Assen zwar den ersten Saisonsieg für die Memminger verpasst. Doch der vierte Platz genügte, um die WM-Spitze in der Moto2 zu übernehmen. Sein Teamkollege Marcel Schrötter kämpfte nach einem glänzenden Saisonstart mit drei Polepositions und zwei Podiumsplatzierungen zuletzt mit einem Hänger.
"Ich bin trotz einiger schwächeren Rennen noch immer in einer guten Position. Sogar Tom an der Spitze der WM ist noch in Reichweite", sagt der Pilot aus Pflugdorf bei Landsberg. Die Maschine der Memminger um den umtriebigen Teamchef Jürgen Lingg ist nach Bradls Einschätzung "derzeit die beste im Moto2-Feld". Stefan Bradl kennt den Grund, warum Schrötter dennoch die Punkte nicht auf Asphalt bringt: "Er steht sich derzeit selbst im Weg. Marcel ist nicht locker genug und geht die Rennen zu verkrampft an."
Jonas Folger bestreitet seinen dritten Einsatz als Moto2-Ersatzpilot. Vor zwei Jahren begeisterte er die Fans mit einem Podium in der MotoGP. Wenig später musste sich der deutsche Hoffnungsträger auf- grund eines Burnouts komplett zurückziehen. Diese Phase scheint Folger aber überwunden zu haben. Am Sachsenring möchte sich der Mühldorfer für eine dauerhafte Rückkehr in die WM empfehlen.
Im Rahmenprogramm der drei WM-Klassen startet am Wochenende die MotoE in ihre Debütsaison. Für das Memminger Dynavolt-Team fährt der Schweizer Jesko Raffin eine der 18 Einheitsmaschinen mit 147 PS, die lediglich sieben Runden bestreiten. "Die Motorräder sind zu schwer und fahren nur eine kurze Distanz. Ich sehe das eher skeptisch", sagt Stefan Bradl und fügt an: "Aber ich zähle halt noch zu den alten Verbrennern."
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