Uwe Seeler und das Wembley-Finale: An einem Irrtum zerbrochen
War er nun drin oder nicht? Das Wembley-Tor beschäftigt die Fußball-Historiker. Klar ist: Uwe Seeler leidet noch immer unter der Niederlage gegen England.
Der Mythos Wembley: Uwe Seeler verlässt geknickt und erschöpft den Platz im Londoner Wembley-Stadion. Es ist der 30. Juli 1966. Ein Sicherheitsmann legt dem deutschen Kapitän eine Hand auf den Rücken, der WM-Protokollchef weist den Weg zwischen einer Blaskapelle, daneben ist Bundestrainer Helmut Schön zu sehen. Das Bild zeigt Enttäuschung und Erschöpfung gleichzeitig. Es steht symbolisch für die deutsche 2:4-Niederlage im WM-Finale 1966 gegen England.
Fast fünfzig Jahre lang war es umstritten, wann dieses Foto entstand. Tatsächlich nach der unglücklichen deutschen Niederlage? Oder schon in der Halbzeit? Der, der es wissen muss, hat die Szene für sich endgültig eingeordnet: "Ich war einige Jahre verunsichert, jetzt aber bin ich mir absolut sicher – das war kurz vor der Siegerehrung", sagt Uwe Seeler.
Er erinnert sich: "Ich befinde mich auf dem Weg zur Treppe, weil wir in wenigen Minuten oben vor der königlichen Loge geehrt werden sollten. Nach der Verlängerung war ich ausgebrannt, leer, alle. Warum wohl sonst sollte ich mit gesenktem Haupt vom Platz gehen?"
Das Bild von Seeler wurde zum "Foto des Jahrhunderts gewählt"
Sven Simon hatte das Foto damals geschossen, es wurde im Jahr 2000 zum "Foto des Jahrhunderts" gewählt. Die Zweifel am Zeitpunkt der Aufnahme nach dem Spiel haben Recherchen des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund ausgeräumt. Die Negativstreifen von Sven Simon zeigten demnach nach diesem Bild keine Spielszenen mehr. Es gab nur noch Bilder von Engländern auf dem Feld. Für Manuel Neukirchner, den Direktor des Deutschen Fußballmuseums, ist klar: "Uwe Seeler ist gezeichnet von der Emotionalität der Situation."
Sven Simon schrieb damals unter die Aufnahme: "Vom Kampf gezeichnet, vom Gegner geschlagen, an einem Irrtum zerbrochen." Ausgezeichnet wurde das Foto, weil es "aufrechte Verlierer" zeigt, "die gebeugt waren, aber still und ohne Hass und Hader das Spielfeld verlassen".
Der Irrtum war das 3:2 der Engländer. Geoffrey Hurst hatte in der 101. Minute beim Stand von 2:2 das Spielgerät an die Unterkante der Latte genagelt. Der Ball sprang zurück auf den Rasen. Wolfgang Weber, der in der 90. Minute der regulären Spielzeit das 2:2 erzielt hatte, köpfte das Leder daraufhin ins Aus. Aber wo war der Ball gelandet? Vor oder hinter der Torlinie? Die Engländer jubelten, die Deutschen reklamierten. Der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst lief zu seinem russischen Assistenten Bachramow, der nickte einige Male mit dem Kopf und zeigte schließlich zum Mittelkreis. Tor, der Ball war für ihn hinter der Torlinie. Es hieß in der Verlängerung 3:2 für England – Endstand 4:2.
Seeler hadert "bis heute mit diesem Tor"
"Ich hadere bis heute mit diesem Tor, das keines war", sagt Uwe Seeler, der sich fragt: "Wieso hatte Schiedsrichter Gottfried Dienst, der eigentlich ein Klasse-Schiri war, vor dem 3:2 für die Briten erst auf Eckball entschieden, dann aber nach Rücksprache mit Linienrichter Tofik Bachramow auf Tor für England? Der Name des damals umstrittenen Linienrichters aus der damaligen Sowjetunion ist seither zum Synonym für Fehlentscheidungen im Fußball mutiert. Der Treffer am 30. Juli 1966 bleibt als "Wembley-Tor" ein Mythos in der Fußball-Historie und für Uwe Seeler die Enttäuschung seiner Karriere: "Für mich ist das Wembley-Tor und das WM-Finale 1966 immer noch ein Tiefpunkt hoch drei, und so wird es auch immer bleiben."
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