Schmitt springt in die Rolle des Mitfavoriten
Martin Schmitt ist zurück unter den Besten. Von der Rolle des Mitfavoriten will der 30-Jährige in Oberstdorf jedoch nichts wissen. Von Marcus Bürzle
Oberstdorf. Die Worte klingen groß. Martin Schmitt kann lesen, dass er auf Wolke sieben schwebt. Oder dass er seinen zweiten Frühling erlebt und das Fliegen wieder erlernt hat. Als der 30-Jährige in Oberstdorf selbst über seine zweite Landung in die Weltspitze spricht, klingt das weniger abgehoben.
Schmitt ist erleichtert, dass ihn seine Sprünge zuletzt immer wieder unter die besten Zehn und bis auf Platz vier getragen haben. Kein Wunder, nach so vielen dürren Jahren. Er wird nicht ungern hören, dass ihm die Kollegen sogar den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee zutrauen. Aber der Schwarzwälder wiegelt vor dem Auftaktspringen am Montag in Oberstdorf (16.30 Uhr/ZDF) ab: "Ich habe das gar nicht so zur Kenntnis genommen. Mir ist wichtig, meine Sprünge weiter zu stabilisieren. Ich habe mir kein Platzierungsziel gesetzt."
Martin Schmitt trägt seine neue Stärke und sein Selbstvertrauen nicht zur Schau. In ruhigen Worten spricht er aber davon: "So eine Form wie jetzt hatte ich lange nicht mehr." Er habe seine Sprünge auf einem "hohen Niveau stabilisiert". Und er träumt von einem Sieg - der letzte liegt fast sieben Jahre zurück.
Vor zehn Jahren waren Siege Alltag
Früher waren Siege Alltag. Im Winter 1998/1999 gewann Schmitt zehn Weltcups. Man feierte ihn als Popstar, obwohl er nie so recht in das Bild passte. Er gewann viel, aber nie die Tournee. Der Sinkflug begann 2001/2002 mit Kniebeschwerden. Egal, wie tief es ging, Schmitt gab nicht auf. Immer wieder blitzte sein Können auf, aber nie auf Dauer. Heute hat er das Gefühl, auf seine Form vertrauen zu können: "Ich habe eine andere Sicherheit im Sprung", sagt er - und bestätigte das gestern, als er in der Qualifikation die sechstbeste Weite erzielte.
Wenn er über seinen Weg zurück zur Weltspitze spricht, fällt bald der Name Werner Schuster. "Sein Anteil ist groß", sagt Schmitt über den neuen Bundestrainer aus dem Kleinwalsertal. Wer den Schwarzwälder fragt, was entscheidend war, bekommt keine Antwort wie: Ich springe jetzt so und so ab. Skispringen ist zu kompliziert und auch Martin Schmitts lange Krise ist nicht so einfach zu erklären. Äußerlich war klar, was schief lief: "Seinen Fehler zu sehen, war nicht das Problem", sagt Schuster. Schon als Cheftrainer der Schweizer fiel ihm auf, dass "Martin vor dem Absprung den Schwerpunkt nach hinten verloren hat". Der eine Fehler löste in der Folge neue Schwierigkeiten aus, am Ende fehlten die Meter. Was jeder sehen konnte, war jedoch nicht einfach zu verändern - auch weil sich bei einem 30-Jährigen die Bewegungen über lange Zeit eingeschliffen haben. Schuster glaubt, dass ihm in der Arbeit mit dem einstigen Überflieger die Erfahrung mit jungen und weniger talentierten Springern geholfen hat. "Man muss sich viel einfallen lassen", sagt Schuster.
Roter Faden statt unklarer Linie
Schmitt ist natürlich alles andere als untalentiert, aber die Ideen seines österreichischen Trainers haben ihm geholfen: "Es war einiges dabei, was ich so nicht gekannt hatte. Er hat mir von Anfang an einen Weg aufgezeigt." Schmitt erzählt, dass er vom ersten Gespräch mit Schuster an ein gutes Gefühl hatte. Er vertraute dem Mann, der auch schon mit den Überfliegern Gregor Schlierenzauer und Simon Ammann gearbeitet hatte. Der Trainer spürte, dass der 30-Jährige mit aller Kraft noch einmal abheben will. Sie arbeiteten gemeinsam für ihr Ziel: Schmitt, Schuster und Heimtrainer Rolf Schilli. Wo Schmitt früher eine fehlende Linie beklagt hatte, legte der neue Bundestrainer viel Wert auf einen roten Faden. "Das ist wichtig für ihn", sagt Schuster.
Das gute Gefühl und die Änderungen im Sprung haben Martin Schmitt nach vorne gebracht. Diese Erfolge, aber vor allem seine Ausdauer haben ihm viel Respekt von anderen Springern eingebracht. Schmitts Ex-Kollege Sven Hannawald sagte der Bild am Sonntag: "Deshalb bewundere ich Martin: dass er die Geduld aufgebracht hat, so lange durchzuhalten."
Martin Schmitt sieht sich noch nicht am Ziel: "Ich bin noch auf dem Weg. Simon Ammann und Gregor Schlierenzauer sind am Ziel. Ich bin noch nicht am Optimum." Wenn 100 das Ziel wären, sieht er sich bei 90. Sein Trainer glaubt aber schon jetzt, dass er in "Rufweite" zu den Überfliegern ist.
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