Lass uns reden
Bei der Reise nach Istanbul sollten sich die Ulmer unterhalten. Bei gewissen Gelegenheiten sind Kopfhörer und Smartphones ohnehin verboten
Bei einem Auswärtsspiel im Eurocup gegen Galatasaray Istanbul kann man vielleicht die Köpfe ein bisschen frei kriegen. Bei der langen Anreise in die türkische 15-Millionen-Metropole am Bosporus und während des Aufenthalts gibt es sicher auch Gelegenheit zu Gesprächen außerhalb der täglichen Trainingsroutine. Sogar in Zeiten, in denen Sportprofis gelegentlich mit Kopfhörern und Smartphones verwachsen zu sein scheinen. Bei den Basketballern von Ratiopharm Ulm ist das elektronische Spielzeug zumindest während der Essenszeiten verboten und zu bereden gibt es bekanntlich eine ganze Menge. Erstes Thema sollte die unerfreuliche Situation in der Bundesliga sein, in der die Ulmer durch die miserable Leistung gegen Ludwigsburg und die 82:91-Heimniederlage im Derby zurück in die eigentlich schon überwunden geglaubte Krise geschlittert sind. Thorsten Leibenath sprach hinterher von „absolutem Dreck“, den seine Mannschaft über weite Strecken abgeliefert habe. Wenn die Spieler zur Selbstkritik in der Lage sind, dann müssten die meisten von ihnen diese Aussage des Trainers unterschreiben.
Die große Ausnahme ist natürlich Javonte Green, der mit 31 Punkten, sieben Rebounds und vier Ballgewinnen ein Riesenspiel ablieferte. Das sind Zahlen, die Spekulationen darüber anheizen, ob ein solches Kaliber länger als ein Jahr für eine derzeit nicht einmal mittelmäßige deutsche Bundesligamannschaft wie Ratiopharm Ulm spielt. Für die Rolle des Anführers aber ist auch Green nicht wirklich geeignet. Die kann aufgrund seiner Position, seiner Erfahrung und seiner Persönlichkeit wahrscheinlich nur Per Günther übernehmen. In dieser Saison hat der 30-jährige Kapitän schon zweimal bewiesen, dass er dazu auch im Herbst seiner Karriere und trotz reduzierter Einsatzzeit immer noch in der Lage ist.
Gegen Gießen traf Günther drei Dreier in 80 Sekunden, gegen Ludwigsburg war er mit zehn Punkten maßgeblich an einem 18:0-Lauf der Ulmer beteiligt. Gereicht hat es bekanntlich in beiden Spielen trotzdem nicht, aber dafür kann Per Günther wenig. Nach dem Derby am Samstag sagte der Kapitän: „Uns fehlt es zurzeit einfach an Konstanz und wir schaffen es nicht, den Basketball zu zeigen, den wir uns vornehmen.“
Es wäre also durchaus angebracht, im Flughafen, im Bus oder im Hotel mal den Kopfhörer abzunehmen, das Smartphone beiseite zu legen und darüber zu reden, warum die Mannschaft genau das nicht schafft. Oder auch darüber, warum es im Eurocup deutlich besser läuft als in der Bundesliga. Mit drei Siegen und drei Niederlagen haben die Ulmer gute Chancen, im zweitwichtigsten internationalen Wettbewerb zu überwintern. Das Hinspiel gegen Galatasaray haben sie nach zwei Verlängerungen mit 103:92 gewonnen und wenn sie am Mittwoch (Spielbeginn 18 Uhr deutscher Zeit) in Istanbul nachlegen, dann können sie bei zwei Siegen Vorsprung und dem besseren direkten Vergleich von den Türken kaum noch eingeholt werden.
Daran könnten sich die Ulmer nach der Hoffnung ihres Trainers aufrichten. Die Annahme, dass Erfolge im Eurocup Erfolge in der Bundesliga nach sich ziehen, hat sich allerdings in dieser Saison schon mehrfach als falsch erwiesen. Einen Vorteil hat aber die frühe Rückkehr auf das Parkett nach Leibenaths Einschätzung: „Man kann nicht lange in Selbstmitleid zerfließen.“
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