In der Rückschau werden die Experten gewiss jenen Erkenntnisgewinn haben, um eindeutig zu klären, warum denn dieses Team so gänzlich aus dem Ruder gelaufen ist. Heute schlagen all jene, die sich ihren Lebensunterhalt mit eindeutigen Meinungen verdienen, mit Vehemenz nach auch nur halbwegs plausiblen Erklärungen und versuchen sie durch reine Wucht richtig erscheinen zu lassen. Der Boulevard beispielsweise fordert, es müsse mal wieder richtiger Ruhrgebietsfußball gespielt werden. Also mit Laufen und Kämpfen und so - wie die Nachbarn aus Bochum. Es fehle schlicht an der Mentalität. Was man eben so schreibt über eine Mannschaft, die in der vergangenen Saison noch gegen etliche Widerstände (und bessere Mannschaften) das Finale der Champions League erreicht hat.
Dieter Hamann, der selten um eine steile These verlegen ist, forderte hingegen, man müsse sich schleunigst von einigen Akteuren per Rauswurf trennen: „Der Erste wäre der Brandt!“ Julian Brandt also, der vor wenigen Wochen von Trainer Niko Kovac noch auf eine Ebene mit Jamal Musiala und Florian Wirtz befördert wurde. Brandt, der laut Sportdirektor Sebastian Kehl in 250 Spielen für Dortmund bereits 100 Scorerpunkte gesammelt hat. Des Weiteren sind auch die Einzelschicksale von Niklas Süle, Jamie Gittens oder Marcel Sabitzer beachtenswert. Sie alle haben schon bewiesen, dass sie selbst auf höchstem Niveau zu entscheidenden Spielern gehören können. Sie alle haben aber auch schon gezeigt, dass sie zu irrsinnig fahrigen Auftritten in der Lage sind und deswegen zeitweise gar keine Rolle mehr in den Planungen von Niko Kovac spielen.
Der Trainer wiederum hatte sich am Anfang seiner noch kurzen Tätigkeit in Dortmund schützend vor seine Spieler gestellt. Nach dem inspirationslosen 0:1 gegen den FC Augsburg aber ging er seine Mannschaft frontal an. „Schämt ihr euch eigentlich nicht“, soll er sein Team in einer halbstündigen Besprechung nach dem Augsburg-Spiel gefragt haben. Seine Mängelliste gleicht der seiner Vorgänger: „Wir haben schlecht gespielt, überhaupt nicht das gemacht, was wir vorgegeben haben. Keine Chancen kreiert, keine Torgefahr, keine Aggressivität, keine Intensität, keine schnelle Ballzirkulation. Und unter dem Strich haben wir das bekommen, was wir auch letzten Endes gezeigt haben. Nämlich nichts.“ Ähnliches hätten auch Interimstrainer Mike Tullberg, Nuri Sahin und selbst Edin Terzic sagen können.
Dortmunder Diskrepanz zwischen Wollen und Können
Warum aber nun diese Mannschaft Hochveranlagter unter der Führung verschiedenster Trainer es nie zu konstant guten Leistungen bringt, bleibt gegenwärtig noch ungelöst. Am Mittwoch steht für die Dortmunder ein mal wieder bedeutendes Spiel an. Sie treten im Rückspiel des Achtelfinales in der Champions League in Lille an und wollen nach dem 1:1 im Hinspiel in die nächste Runde einziehen (18.45 Uhr, DAZN). Wobei bei den Dortmundern seit Monaten eben diese ungute Diskrepanz zwischen Wollen und Können vorherrscht. Und dann ist die Partie in Frankreich selbstverständlich nicht die letzte wichtige in dieser Saison. Danach warten in der Liga fünf Spiele gegen Gegner, die vor dem BVB platziert sind. Das erste davon gegen RB Leipzig, trainiert von Marco Rose - der vor Terzic ebenfalls daran scheiterte, das vermutete Leistungsvermögen dauerhaft zu schöpfen.
Die Dortmunder werden aus diesen Partien allerhand Punkte benötigen, wollen sie noch in die Champions League einziehen. Derzeit trennen sie sieben Punkte von den viertplatzierten Frankfurtern. Ob und wie sie dieses Ziel noch erreichen, wird auch erst in der Zukunft bekannt sein.
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