Es ist so eine Sache mit den späten Leidenschaften. Mit den ersten Malen, für die es lange Zeit gebraucht hat. 32 Jahre musste Mohamad Mardenli alt werden, um zu erkennen, dass er sich als Boxer durchaus wohlfühlen könnte. Nicht nur, um seinen Fitnesszustand zu verbessern, sondern auch um Kämpfe zu gewinnen. Und das sogar bei den Profis.
Es ist eine kuriose Geschichte. Von einem Model zum Boxer. Sogar zu einem aussichtsreichen, wovon Mardenli selbst überzeugt ist. Er träumt davon, bald um den WM-Titel zu kämpfen. Den nächsten Schritt möchte der heute 40-Jährige am 16. März in Wiesbaden gehen, wenn der Kampf gegen Nick Ediger ansteht. Beide Boxer sind ungeschlagen. Sollte Mardenli gewinnen, wird er wohl Position eins in der deutschen Rangliste im Halbschwergewicht einnehmen. In der Welt würde er sich unter die besten 20 schieben.
Wie aber kam es zu diesem zweiten Karriereweg? 1989 war Mardenli mit seiner Familie vom Libanon nach Deutschland geflohen. In Berlin fanden sie eine neue Heimat. Weg vom Krieg, hin zu neuen Perspektiven. Die Familie lebt sich in der Hauptstadt gut ein. Mardenli nutzt sein gutes Aussehen. Er wird Model, bereits als Teenager bekommt er die ersten Aufträge. Große Firmen sind dabei, für die er über den Laufsteg läuft oder Fotos macht. Er war viel unterwegs, in ganz Europa, aber auch in Ägypten. Es ist ein aufregendes Leben.
Seinen Onkel schickt Mardenli gleich zweimal zu Boden
Mardenli jedoch sucht neue Herausforderungen. Manchmal hilft dabei der Zufall. Als er vor acht Jahren zu Besuch bei seinem Onkel Mahmoud in Saarbrücken war, forderte der ihn zu einem Boxkampf auf. Mahmoud, der Amateurboxer, gegen seinen Neffen. Widerwillig stimmte Mardenli zu. Nach wenigen Augenblicken lag sein Onkel am Boden - schwer getroffen. Mardenli hatte genug, wollte nicht weitermachen. Sein Onkel aber drängte ihn. Und wieder ging er K.o.
Da schien einer ein Talent zu haben, von dem er lange nichts ahnte. Vier Monate Vorbereitungszeit nahm sich Mardenli im Anschluss, bis er zum ersten Kampf in den Ring stieg. Auch den gewann er schnell. 4000 Fans schauten in Berlin gegen Milan Ruso zu. Mardenli hatte sich bewiesen, dass er Talent hat. Mehr wollte er damals nicht. Er hörte ebenso schnell auf, wie er begonnen hatte. Bis ihn zwei Jahre später wieder die Leidenschaft packte.
Mardenli kehrte in den Ring zurück - mit Erfolg. Er gewann Kampf um Kampf. Die Amateurszene hat er dabei ausgelassen, er stieg gleich bei den Profis ein. Mittlerweile hat er 14 K.o.-Siege aus 14 Auftritten gesammelt. Deutscher Meister ist er zudem. Und er will noch mehr. Ein WM-Kampf ist das große Ziel.
Mardenli möchte bald nach Augsburg ziehen
Mohamad Mardenli boxt unkonventionell. Er steht schräg im Ring, was ihm unerwartete Schläge ermöglicht. Zudem hilft ihm sein langer Oberkörper, um seine Gegner zu überraschen. Mardenli hat sich das Boxen selbst beigebracht. Bislang hat er keinen Trainer einbezogen, wenngleich das Interesse groß gewesen sei. Henry Maske hätte sich gemeldet, auch Sven Ottke bot sich an. Mardenli griff nicht zu. Der Versuchung Ulli Wegner aber konnte er letztlich nicht widerstehen. Der 82-Jährige ist eine Trainerlegende.
Wegner hat schon viele Stars betreut. Und nun Mardenli. In seinem Haus in Berlin hat Wegner den Keller freigeräumt für ihre gemeinsamen Einheiten. Seine Frau bringt Plätzchen oder kocht Suppe. Wegner, der alte Hase, hat erkannt, dass er den Boxstil von Mardenli nicht mehr verändern wird. Er will aber an Feinheiten mit ihm arbeiten. „Mohamad macht einen guten Eindruck“, sagte Wegner kürzlich.
Mardenli aber zieht es weg aus Berlin. Der Trubel in der Hauptstadt wird dem 40-Jährigen zu groß. Er würde gerne nach Bayern ziehen, Augsburg hat es ihm angetan. Mit seiner Frau und dem achtmonatigen Baby sucht er eine Wohnung. Als Model will er vorerst weiterarbeiten, er braucht die Jobs, um Geld zu verdienen. Wobei auch seine Gage als Boxer von Kampf zu Kampf steigt. Erst recht, wenn er irgendwann wirklich um den WM-Titel kämpfen sollte.
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