Tausende Männer werden den Abstieg in Angriff nehmen. Sie wissen es noch nicht, aber am frühen Abend werden sie nach 90 Minuten am Endpunkt der leidensreichen Reise angelangt sein: dem Tal der Tränen. Der letzte Pfiff des Schiedsrichters beendet nicht nur die Saison, sondern auch letzte Hoffnungen. Auf den Klassenerhalt, den Aufstieg, europäische Reisen. Die Schleusen öffnen sich schneller als Leroy Sané seinen Berater austauscht.
Der letzte Spieltag einer Saison markiert den Tag, an dem die härtesten der Harten ihren Gefühlen freien Tränenlauf lassen. Männer, die kein Problem damit hätten, zu Burger gehäckselte Welpen zu essen, geben den Schloßhund, weil elf Multimillionäre den Ball nicht über einen bemalten Rasenstreifen schießen können.
In Köln werden fast sicher Tränen vergossen werden
Wenn die finalen Partien absolviert sind, ergießen sich zwangsläufig Sturzbäche auf kalte Betonstufen und Wiesen-Spielfelder. Ein Jahr der emotionalen Dürre endet mit einer tränenreichen Springflut. Ein gefühliger Klimawandel. In diesem Jahr stehen die Chancen, das alljährliche Phänomen zu verfolgen, in Köln am besten. Die in jeglicher Hinsicht nah am Wasser gebaute Stadt wird am Sonntag gegen 17.25 Uhr entweder wieder einen Fußball-Erstligisten beheimaten oder aber mit der Enttäuschung leben müssen, ein weiteres Jahr Gäste aus Darmstadt oder Karlsruhe am Wochenende zu beherbergen. Freudentränen oder trauriges Weinen liegen möglicherweise nur ein Tor voneinander entfernt.
Aus psychologischer Sicht dürfte das Vergießen der Tränen eine interessante Rolle einnehmen. Schließlich gilt es heutzutage als Zeichen der Stärke, seine Verletzlichkeit zu zeigen. Achtsamkeit aber spielt in Fankreisen bislang keine große Rolle. Zumindest sind Äußerungen bezüglich der zum Zwecke des Broterwerbs sich Männern hingebende Mutter des gegnerischen Torwarts nicht in diese Richtung zu deuten. Im Leid aber sind alle Männer vereint, so sie Anhänger eines Fußballvereins sind. Sie verstehen einander, ohne ein Wort sagen zu müssen. Sie bringen das gleiche blinde Verständnis auf wie Stevie Wonder für Musik. Kein Anhänger, der noch keine bittere Enttäuschung erlebt hat.
Fußball ist eine Schule fürs Leben. Der Umgang mit Erfolg und Niederlage, Freud und Leid wird nirgendwo anders derart intensiv geübt. Erleichternd daran ist, dass die Auswirkungen übersichtlich sind – auch wenn das Fußballfans anders sehen. Das Tal der Tränen liegt auch dieses Jahr wieder bereit. Kieler und Bochumer haben es bereits besucht. Andere werden noch folgen. Lebbe geht weider.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden