Die Zeit an sich ist schon wirklich ein sehr eigenwilliges Phänomen. Da verschieben sich Ebenen, verschränken sich bisweilen oder lösen sich einfach auf. Es soll beispielsweise mal eine Zeit gegeben haben, in der die Mannschaft Bayer Leverkusens in einem Duell mit dem FC Bayern als Favorit galt. Zeitzeugen berichten, dass das ungefähr vor einem Monat gewesen sein soll, ganz genau kann sich daran aber kaum mehr jemand erinnern. Vor allem in Leverkusen selbst scheint eine Amnesie eingetreten zu sein. Den wenigen Weisen, die sich erinnern können, zufolge (oder drei Klicks im Internet entfernt), konnte sich der FC Bayern erst durch ein glückliches 1:1 gegen Celtic Glasgow für das Achtelfinale der Champions League qualifizieren. Man erzählt sich zudem von einem vorangegangenen 0:0 der Münchner in Leverkusen, das nach normalen Umständen einen deutlichen Sieg der Bayer-Elf als Ergebnis hätte haben sollen.
Zu jener Zeit soll es sich begeben haben, dass den Bayern die Rolle des Außenseiters im Achtelfinale zugeschrieben wurde. Am elften Tag des Märzens aber offenbarten die Münchner die ihnen immer noch innewohnende Kraft. Die Mannschaft von Trainer Vincent Kompany kam zu einem souveränen 2:0-Erfolg und zog somit ins Viertelfinale ein. Diese Niederlage schmerzt die Leverkusener noch mehr als das 0:3 der Vorwoche. Damals ließ sich problemlos die Begründung in individuellen Aussetzern finden, am Dienstag aber waren die Münchner auf derlei Almosen nicht angewiesen. Sie dominierten auf beeindruckende Weise, das mussten selbst die geknickten Leverkusener anerkennen. „Bayern war klar besser, wenn man in zwei Spielen 0:5 verliert, ist sicher eine große Enttäuschung da“, sagte Torhüter Lukas Hradecky nach dem Rückspiel. Sein Trainer Xabi Alonso sprach davon, dass man Glück und Hoffnung habe erzwingen wollen. Aber diese Bayern ließen sich zu gar nichts zwingen. Sie zeigten ihre bisher beste Saisonleistung und stehen nun vor einer Situation, wie sie sich zuletzt vor etwa drei Jahren ergeben hatte.
Derzeit scheint sich alles für die Münchner zu fügen. Sie haben sich einen großen Vorsprung in der Liga heraus gespielt, befinden sich im Viertelfinale der Champions League und auch andere Faktoren haben sich zugunsten der Bayern entwickelt. So gelang es Sportvorstand Max Eberl, sämtliche kritischen Vertragsfragen zu klären. Demnächst wird auch noch Joshua Kimmich ein neues Arbeitspapier unterschreiben. „Wir werden das Ding volley nehmen. So lange ist ein Ball nicht in der Luft“, besprachbilderte Eberl die abgeschlossenen Verhandlungen. Kimmich betonte angesprochen auf diese Aussage: „Da will ich mich anschließen in den Worten.“ Den Verhandlungen mit Leroy Sané, Thomas Müller oder auch Eric Dier wird aus Münchner Sicht entlassen entgegengeblickt. Bei diesen Kandidaten laufen die Verträge zwar im kommenden Sommer aus, den sportlichen Wert dieser Spieler schätzt man aber so ein, dass er ohne allzu großen Aufwand ersetzt werden kann.
Personell müssen die Bayern lediglich längerfristig auf Aleksandar Pavlovic verzichten. Der Mittelfeldmann leidet am Pfeifferschen Drüsenfieber, teilte Max Eberl am Dienstag mit. Dass ihn Leon Goretzka ausgezeichnet ersetzen würde, war am Anfang der Saison nicht anzunehmen. Wie die Zeit aber auch vergeht. Letztmalig also konnten die Münchner im Frühjahr 2022 rundherum wohlgemut auf den weiteren Saisonverlauf blicken. In den Jahren danach entließen die Münchner überhastet Julian Nagelsmann, trennten sich in einem waghalsigen Stunt von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, rieben sich unablässig an Thomas Tuchel und fanden sportlich in dementsprechend logischer Manier zu keinerlei Konstanz. Vor drei Jahren aber hatten sich die Münchner ein Selbstbewusstsein angeeignet, das sie auch mittlerweile wieder ausstrahlen. Es folgten zwei schwache Spiele gegen Villareal und das überraschende Aus in der Champions League. So schnell kann es dann eben auch wieder geben. Schnelllebig ist er, der Fußball.
Es warten Duelle gegen Inter Mailand
Umso mehr genossen die Münchner den Abend in Leverkusen. Im Frühjahr sind die Augenblicke, die aufgrund ihrer Schönheit zum Verweilen einladen, rar. Eine solche Rarität bot sich den Bayern nach den Treffern von Harry Kane und Alphonso Davies. Schon am Samstag aber steht eine Liga-Partie gegen Berlin an. Es folgen Länderspielpause und Duelle mit Inter Mailand in der Champions League. Die Vergangenheit zählt dann nicht mehr, die Zukunft wird in der Gegenwart gestaltet. Weiter, immer weiter. Die Zeiten ändern sich nicht.
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