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Buch von Christoph Kramer: So gut ist „Das Leben fing im Sommer an“

Buchkritik

Christoph Kramers Romandebüt: Die Liebe in Zeiten des Sommermärchens

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    Fußball-Weltmeister Christoph Kramer hat seinen ersten Roman geschrieben - und sich selbst zur Hauptfigur gemacht in „Das Leben fing im Sommer an“.
    Fußball-Weltmeister Christoph Kramer hat seinen ersten Roman geschrieben - und sich selbst zur Hauptfigur gemacht in „Das Leben fing im Sommer an“. Foto: Markus Tedeskino

    Vorbereitung: Erst mal locker warmmachen und Hallo sagen

    Also noch ein Fußballer, der ein Buch schreibt. Oder besser: schreiben lässt? Dass es sich bei seinem Erstlingswerk „Das Leben fing im Sommer an“ etwas anders verhält, ließ Fußball-Weltmeister Christoph Kramer schon früh durchblicken. Dass er einen Roman und eben keine Biographie wie viele seiner Kollegen verfasst hat, gab der Ex-Profi von Borussia Mönchengladbach schon während der Fußball-EM im vergangenen Sommer bekannt. Da war Kramer als TV-Experte ohnehin überall - und ließ bei der Gelegenheit mal fallen, dass er einen Roman geschrieben hat. Wohlgemerkt: selbst geschrieben hat. „Jedes Wort darin ist von mir“, sagte er im Phrasenmäher-Podcast der Bild. Und: „Es hat nichts mit Fußball zu tun.“ Den Ausschlag dafür, den Laptop aufzuklappen, habe die Lektüre von „Man vergisst nicht, wie man schwimmt“ von Christian Huber gegeben. Der Podcaster (“Gefühlte Fakten“) zeigte sich damals und heute geschmeichelt und lobt Kramers Buch via Verlagsempfehlung: „Ein Buch wie die Jugendliebe, die man nie vergisst.“ Doppelpass spielen - immer wichtig.

    Anpfiff: Mutig drauflos dribbeln

    Dass das Buch zwar keine Biografie ist, aber sehr starke autobiografische Züge hat, wird schnell klar. Der Titelheld heißt Chris Kramer, hat wie der Autor den großen Traum, Fußballprofi zu werden und ist im Sommer 2006 erstmal aus der Jugendabteilung von Bayer Leverkusen aussortiert worden. Wie der Autor selbst auch. Das ist aber kein Grund, nicht trotzdem den WM-Sommer samt angeschlossenem Fußball-Märchen zu erleben. Die Handlung spielt an drei Tagen in Kramers Heimstadt Solingen. Dass sehr viel von ihm in der Romanfigur steckt, gibt der Autor dem Spiegel unumwunden zu: 90 Prozent von ihm stecke in seiner Romanfigur. „Die Gefühle und Gedanken, das ist alles erlebt. Das war alles ich.“ Das ist mutig, sich so zu offenbaren - aber eben auch typisch Kramer. Dessen Unterhaltungswert bei Fußballspielen bemisst sich auch darin, das vermeintlich komplexe Geschehen auf dem Feld vermeintlich simpel zu erklären und einfach loszuquatschen. Seine Romanfigur, der 15-jährige Chris, hat jedenfalls eine Menge zu tun: Die Sommerferien stehen an, die WM auch - und eigentlich geht es doch nur um Debbie, das schönste Mädchen seiner Klasse. Die erste große Liebe, das erste große Herzflattern, der erst große Schmerz. Und ja, um Fußball geht es doch ein bisschen. Etwa dann, wenn die Hauptfigur von seinem Lieblingsspieler Lukas Podolski schwärmt: „Ich hatte ein Trikot mit der 20. Und Poldi war geil. Der hatte einen Schuss wie ein Pferd und war mal wieder vorne auf der Bravo Sport drauf.“

    Der Himmel über Solingen: In der Romanfigur steckt „zu 90 Prozent“ Christoph Kramer.
    Der Himmel über Solingen: In der Romanfigur steckt „zu 90 Prozent“ Christoph Kramer. Foto: Markus Tedeskino

    Halbzeit: Jetzt wäre etwas mehr Tempo gut

    Das Spiel - pardon - Buch plätschert dann recht flüssig dahin. An den ersten beiden Tagen gibt es Sonne, Partys, einen Einblick in die Freundesgang mit Johnny und Salvo, der seinen Kumpel stets mit „Ey, Dings“ anspricht. An den besten Stellen erlebt man den brütend heißen WM-Sommer 2006 wieder, inklusive der Musik dieser Zeit: Timbaland, Red Hot Chili Peppers, Sean Paul. Natürlich sind die Schweden, wie Beckenbauer schon wusste, keine Holländer. Und natürlich ist Christoph Kramer nicht Thomas Mann. Aber an den guten Stellen liest es sich flüssig, stellenweise witzig. An den weniger guten Stellen möchte man dem Buch wie manchem Kellerduell in der Bundesliga etwas mehr Tempo wünschen. Dass Chris bei Debbie gute Chancen hat, wird schnell klar - bis es endlich zum Kuss zwischen den beiden kommt, vergehen fast zwei von drei Tagen und geschlagene 108 Seiten ohne wesentliche Überraschungen. Bis zum Wendepunkt der Geschichte sind es 156 Seiten.

    Hektische Schlussphase!

    Und dann ist es wie in manchen Spielen, in denen sich die Protagonisten lange Zeit gelassen haben und dann in den letzten Minuten nochmals alles versuchen: In der Schlussphase überschlagen sich die Ereignisse. Ein großer Schmerz, ein gestohlenes Auto, ein Roadtrip in eine Düsseldorfer Disko und skurrile Begegnungen bilden den fiebertraumartigen Schlussakkord des Romans. Das dürften die zehn Prozent Imagination gewesen sein, die sich Kramer für seine Hauptfigur ausgedacht hat - und die gerne auch schon früher ins Spiel hätten kommen dürfen. In dieser Form wirkt dann alles ein wenig gequetscht.

    Das Fazit zum Spiel?

    Die große Literatur ist es natürlich nicht - das ist auch nicht Kramers Anspruch. „Das Leben fing im Sommer an“ ist eine leichte, stellenweise witzige bis berührende Lektüre, der es oft aber am Matchplan gebricht. Dass der Fußball des magischen Sommers 2006 nur ins Geschehen schimmert, statt eine Hauptrolle zu spielen, hat Charme. Am Ende steht ein solides 1:0.

    Christoph Kramer: „Das Leben fing im Sommer an“ erscheint am 13. März. 256 Seiten, 23 Euro. Verlag Kiepenheuer und Witsch

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