Die Welt hat seit Mittwochabend einen neuen Darts-Weltmeister – und allein in Deutschland haben mehrere Millionen das Finale im Londoner Alexandra Palace verfolgt. Dabei wäre der Siegeszug des Darts beinahe im Keim erstickt worden. Und erst eine Runde gepflegtes Pfeilewerfen im Gerichtssaal hat das geändert.
Ein Rückblick: Wir schreiben das Jahr 1908. Und die Welt war noch eine andere. In Deutschland regierte Kaiser Wilhelm, es gab noch mehr Kutschen als Autos und in Großbritannien hatte man – das kommt angesichts der aktuellen Lebenswirklichkeit auf der Insel, wo es Wettbüros für jede Lebenslage gibt, etwas überraschend – ein großes Problem mit Glücksspiel.
Ein Wirt hing in seiner Kneipe eine Darts-Scheibe auf – und wurde verklagt
Darts zählte nach allgemeiner Einschätzung zum Glücksspiel und war deswegen in der Öffentlichkeit verboten. Darauf pfiff Jim Garside, ein Wirt aus der nordenglischen Stadt Leeds, aber recht geflissentlich und hing in seinem Pub "Adelphi Inn" eine Darts-Scheibe auf. In der Kneipe des edlen Schankwirts versammelten sich deswegen fortan die werten Gentlemen der Stadt, um sich zwischen dem Genuss eines kühlen Apfel-Ciders im Wettstreit mit den drei Pfeilen zu messen. Aber es dauerte auch nicht lange, bis der Gastronom wegen illegalen Glücksspiels angeklagt wurde.
Zur Verhandlung erschien er mit einer Darts-Scheibe – und einem gewissen William "Bigfoot" Anakin, dem besten Spieler seiner Kneipe. Der sollte zeigen, dass Darts wirklich vieles, aber eben kein Glücksspiel ist. Anakin bekam die Anweisung, drei Pfeile in das Feld mit der 20 werfen, und tat wie ihm geheißen. Der Gerichtsdiener, der es ihm nachtun sollte, versuchte sich als Vergleichswert ebenfalls daran und scheiterte kläglich: Zwei seiner drei Würfe erreichten nicht einmal die Scheibe. Als Anakin noch eine dreifache Triple-20 folgen ließ (also die berühmte 180), war für den Richter klar: Mit Glück hat das alles nichts zu tun. Also alles gut, rein in die Pubs mit den Dart-Scheiben und los geht's.
Seither ist Darts ein elementarer Bestandteil in britischen Pubs und gehört zur Identität des United Kingdoms wie die roten Telefonzellen, der Buckingham-Palast und schales Bier aus Plastikbechern. Nicht auszudenken also, wenn William Anakin beim Wurf auf die Scheibe gerade mit einer mentalen Blockade zu kämpfen gehabt und versagt hätte. Stattdessen ließ er den wohl wichtigsten 180er-Wurf der Darts-Geschichte folgen. Eigentlich wäre es nur angemessen gewesen, hätten vier als Teletubbies verkleidete Briten den Wurf im Gerichtssaal bejubelt. Aber wie gesagt: Die Welt war damals noch eine andere.