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Der krasseste Doper des modernen Sports: Schweizer Sprinter muss 14-jährige Sperre absitzen

Leichtathletik

14 Jahre Sperre: Wie ein Schweizer Sprinter des Dopings überführt wurde

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    Alex Wilson zählte einst zu den schnellsten Männern der Welt. Allerdings half dabei die moderne Pharmakologie
    Alex Wilson zählte einst zu den schnellsten Männern der Welt. Allerdings half dabei die moderne Pharmakologie Foto: Tim Groothuis, Witters

    Gut, es gibt noch Lance Armstrong, den skrupellosesten Doper aller Zeiten, den sie für all seine Verfehlungen lebenslang aus dem Verkehr gezogen haben. Aber in der ewigen Rangliste gleich dahinter hat sich in den vergangenen Tagen still, leise und unheimlich ein Schweizer Sprinter eingereiht, der eine Monstersperre von sage und schreibe 14 Jahren aufgebrummt bekam. Für dieses heftige Strafmaß muss er wahrscheinlich eine ganze Menge auf dem Kerbholz haben.

    Doping: Wilson gilt als Wiederholungstäter

    In der Tat ist Alex Wilson ein Wiederholungstäter. Einer, der den ersten Schuss vor den Bug partout nicht hören wollte, dessen Unrechtsbewusstsein derart überbordend ausgeprägt sein muss, dass er es immer und immer wieder probierte – bis die Falle endgültig zuschnappte. Dabei war Wilson schon unmittelbar vor den Olympischen Spielen 2021 in Tokio zum ersten Mal erwischt worden, als nach einer unangemeldeten Dopingprobe während eines Trainingslagers in Las Vegas in seinem Urin Trenbolon gefunden wurde, eine Substanz, die in der Kälbermast verwendet wird.

    Der schnellste Mann aus dem Land der Eidgenossen spielte zunächst das Unschuldslamm. Er kenne das Mittel nicht, ließ er verlauten und fabulierte, dass es nur durch kontaminiertes Fleisch in seinen Organismus gelangt sein könne. Netter, aber bei Dopingexperten inzwischen hinlänglich bekannter Versuch, den gerade Dealer als Standardausrede empfehlen. Seine Theorie fiel bald wie ein Kartenhaus zusammen, der in Jamaika geborene Leichtathlet kassierte zunächst eine Sperre von vier Jahren, die im April ausgelaufen wäre. Doch bevor der 34-jährige Baseler wieder seine Spikes schnüren durfte, lüftete die amerikanische Bundespolizei FBI den Deckel, unter dem das ganze Ausmaß des dreisten Betruges von Alex Wilson zum Vorschein kam.

    Dabei wurde ihm der „Rodtschenkov Act“ zum Verhängnis, das amerikanische Anti-Doping-Gesetz, das nach jenem Kronzeugen benannt wurde, der 2015 die russische Staatsdopingaffäre ins Rollen brachte und in die USA floh. Es zielt primär auf jene, die vor Sportgerichten oft unbehelligt bleiben: Ärzte, Betreuer, Funktionäre. Eingreifen darf die US-Justiz rund um alle Sportereignisse, bei denen auch nur ein amerikanischer Dollar bewegt wird. Also fast überall. Bei Wilson kam der „Rodtschenkov Act“ zum ersten Mal überhaupt zur Anwendung.

    Die Spur führt die Ermittler nach Texas

    Ermittlungen hatten das FBI zu Eric Lira geführt, einen Texaner, der sich selbst als Kinesiologe und Heilpraktiker bezeichnet, der seine überwiegend leistungssportlich orientierten Patienten aber mit Dopingklassikern wie Wachstumshormon und Epo versorgte. Vor einem Bezirksgericht in New York legte Lira im Februar 2024 ein umfassendes Geständnis ab, um ein milderes Urteil (drei Monate) zu bekommen. Ihm blieb keine andere Wahl. Ermittler hatten auf seinem Handy erdrückende Beweise gefunden.

    Schon 2022 war in der Anklage gegen Lira von einem „Schweizer Athleten“ die Rede gewesen, der über Mittelsmänner bei dem Texaner die einschlägige Produktpalette angefragt haben soll: Alex Wilson. Im Juni 2021 hatte Eric Lira den bulligen Schweizer persönlich mit Wachstumshormonen sowie dem Blutbeschleuniger Epo versorgt. Wenige Wochen später rannte Wilson dann bei einem Meeting in Georgia 9,84 Sekunden, ein vermeintlicher Europarekord über 100 Meter, über vier Zehntelsekunden schneller als kurz zuvor bei den Schweizer Meisterschaften. Die Fabelzeit wurde zwar nie ratifiziert, weil die Zeitmessung nicht den Statuten entsprach. Aber der vorher unbekannte Sprinter galt mit einem Mal als olympischer Medaillenkandidat – wäre da nicht seine erste Sperre dazwischengekommen.

    Wilson hinterlässt falsche Angaben in der Datenbank

    Doch offenbar dachte Alex Wilson, das alles würde wie eine Grippe schnell vorüber gehen. So etwas hatten ihm jedenfalls seine Dealer immer wieder eingebläut. Aber Kronzeuge Lira sang vor den US-Ermittlern wie ein Vögelchen, die Ergebnisse reichten sie an die Schweizer Anti-Doping-Ermittler weiter. Diese konnte deshalb eine Bilanz ziehen, die einem schier den Atem verschlägt. So habe Wilson in der Datenbank, in der Athleten ihren aktuellen Aufenthaltsort angeben müssen, falsche Angaben hinterlassen, damit Kontrolleure ihn nicht finden konnten. Mit dem Wissen aus Übersee testeten die Dopingjäger auch eine Blutprobe Wilsons vom Juli 2021 erneut und stießen dabei auf Epo. Der Hauptverhandlung blieb er unentschuldigt fern.

    Fest steht, dass Alex Wilson keineswegs das naive Opfer war, das nach dem Verzehr von ein paar saftigen Steaks in die Mühlen der Dopingbekämpfung geriet, sondern ein skrupelloser Betrüger. Nach dem Corona-Tod seines Mentors Lloyd Cowan im Januar 2021 verlor Wilson den Boden unter den Füßen und suchte kurz vor den Olympischen Spielen verzweifelt eine neue Stütze. Da kam mit O’Neil Wright ein „Erfolgscoach“ ins Spiel, der wiederum Drogendealer Lira kannte. Auch Wright hat inzwischen gestanden, mit Dopingmitteln gehandelt zu haben. Das Pikante an der Angelegenheit: Auf Wrights Homepage tauchen prominente Athleten aus aller Herren Länder auch. Wer genau hinschaut, kann dabei auch ein Foto mit noch aktiven deutschen Leichtathletinnen erkennen…

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