Sie haben als Profi für Union Berlin, Braunschweig und Werder Bremen gespielt, nach der Karriere sind Sie als Podcaster und TV-Experte gefragt. Würden Sie sagen, Sie sind nach der Profi-Karriere erfolgreicher?
Felix Kroos: Das wird sich noch zeigen. Dafür bin ich noch zu kurz dabei. Aber ich habe etwas gefunden, das mir wieder die gleiche Begeisterung gibt, die ich als Fußballer hatte. Das ist nicht so leicht und ich bin sehr froh darüber. Ich glaube, nur wenn man eine Begeisterung hat, kann man die Sachen auch gut machen. Aber wie gesagt: Da bin ich noch ganz am Anfang. Wenn man das mit der Fußballer-Karriere vergleicht, würde sagen: Ich bin jetzt Anfang 20. Das ist ein Alter, in dem man noch nicht die Riesenerfahrung, aber schon Qualität und Potenzial hat.
Der Podcast, den Sie zusammen mit ihrem Bruder Toni betreiben, „Einfach mal Luppen“, war vergangenes Jahr der erfolgreichste Sportpodcast in Deutschland. Überrascht Sie das?
Kroos: Überrascht hat es mich nicht. Aber deshalb, weil ich keinerlei Erwartungen hatte. Ich habe das als noch aktiver Fußballer zusammen mit Toni begonnen. Es war ein komplett neues Projekt für uns, weil wir bis dahin eigentlich nur Fußball gespielt haben. Natürlich gab es da gute Voraussetzungen. Aber am Ende ist es wieder ein bisschen wie beim Fußball: Man muss Woche für Woche konstant seine Leistung bringen und auch da geht es nur im Zusammenspiel. Aus dem Feedback unserer Hörer heraus wissen wir, dass viele den Podcast nicht nur des Fußballs wegen hören, sondern weil ihnen diese Geschwister-Dynamik gefällt. Wenn man den Podcast so wie wir jetzt schon fünf Jahre betreiben und auch ein bis zwei Preise gewonnen haben, ist das eine tolle Sache. Und letztes Jahr war mit der EM nochmals eine Steigerung dabei.
Welchen Rat würden Sie Ex-Profis geben, wenn es um die Karriere nach der Karriere geht?
Kroos: Eigentlich geht der Rat an noch aktive Profis: Man kann sich gar nicht früh genug damit befassen, was nach dem Kicken kommt. Das Ende kann schnell erreicht sein und schon mit 30 Jahren gilt man ja als alter Spieler. Man sollte darüber nachdenken, was einen interessiert und was man kann. Und dann gilt: alles ausprobieren und herausfinden, wofür man Leidenschaft und Begeisterung hat – und wofür nicht.
Gab es etwas, das Sie ausprobiert haben und vom dem Sie erst danach wussten: Das ist es nicht.
Kroos: Ja, die Arbeit als Trainer. Ich habe nach meinem Karriereende als Co-Trainer bei der U19 von Union Berlin gearbeitet und für mich relativ schnell festgestellt, dass das nicht das Leben ist, das ich führen will nach der Karriere. Es waren wieder 24 Stunden Fußball, es waren wieder Themen, die man mit nach Hause genommen hat – das wollte ich nicht. Das erfährt man aber erst, wenn man es wirklich mit der Praxis versucht hat.
Wie haben Sie die EM erlebt? Zur Hälfte waren Sie Experte, zur anderen Hälfte haben Sie mit ihrem Bruder Toni direkt aus dem DFB-Camp gesendet.
Kroos: Das war einer der schönsten Sommer meines Lebens. Ich war so nah an dieser EM dran wie noch nie zuvor. Das Eröffnungsspiel habe ich in München im Stadion gesehen, tags darauf habe ich im TV-Studio die Spiele analysiert. Ich war in mehreren Städten unterwegs und habe die Stimmung im Land wahrgenommen. Wir hatten Leute aus vielen Ländern bei uns zu Gast. Es gab ein großes, friedliches Miteinander, ein Hinfiebern auf ein gemeinsames Ziel. Dieses Gefühl war so erfüllend und schön – ich wusste gar nicht, wie sehr ich das gebraucht habe. Das hat in den Zeiten, in denen wir leben, sehr gutgetan.
Eine große Rolle hat das Auftreten der deutschen Nationalmannschaft gespielt, die auf einmal wieder mitreißenden Fußball gespielt hat. Wenige Monate zuvor hatte das noch anders ausgesehen. Was ist da eigentlich passiert?
Kroos: Das Auftreten auf dem Platz war ein völlig anderes. Die Nationalmannschaft hat den Leuten gezeigt: Wir haben wieder richtig Bock, für unser Land zu spielen. Wir zerreißen uns dafür. Da kann man dem DFB ein großes Lob machen. Zum einen hat man auf den richtigen Trainer gesetzt, dann war die Außendarstellung deutlich besser als zuletzt. Eine große Rolle hat bestimmt auch das Comeback von Toni gespielt. Das hat wieder Hoffnung gemacht. Die Länderspiele im März haben auch nochmal richtig Bock gemacht – und auf einmal war eine sehr positive Eigendynamik da.
Ihr Bruder hat nach dem Turnier seine Karriere beendet. Gab es mal den Versuch ihrerseits oder die Überlegung seinerseits, den Rücktritt vom Rücktritt zu erwägen? Seine Karriere endete ja mit einer Niederlage.
Kroos: Nein. Denn eigentlich war es das fast perfekte Ende. Natürlich wäre es ideal gewesen, den Titel im eigenen Land zu holen. Aber einen derartigen Zusammenschluss mit seinem Heimatland zu bewirken – das war einmalig. Was sollte danach dann noch kommen? Auf diesem hohen Level aufzuhören, das schaffen ja auch die wenigsten.
Nervt es manchmal, der Bruder von Toni Kroos zu sein?
Kroos: Das nicht – aber mich nervt die Frage danach. Die habe ich schon 50.000-mal gehört und kann mich da eigentlich auch schon nicht mehr antworten hören. Das, was ich habe, habe ich mir selbst erarbeitet. Ich bin glücklich mit meiner Karriere, mit der ich mir einen Kindheitstraum erfüllt habe. Natürlich wird es den Vergleich mit Toni immer geben. Aber das ist mir egal, ich habe aufgehört, dagegen anzukämpfen.
Im Fußball gibt es mittlerweile viele Formate, wie etwa die Hallenkickserie der Icon League. Dort haben Sie zusammen mit ihrem Bruder in ihrem Team „Two Stripes United“ gekickt. Sind derartige Formate die Zukunft des Fußballs?
Kroos: Klare Sache: Ja. Aber gleichzeitig ist auch der klassische Fußball die Zukunft des Fußballs. Der Anspruch unserer Liga und ich denke auch aller anderen Formate ist es ja nicht, den klassischen Fußball zu ersetzen, den wird es immer geben. Der soll und wird immer die Nummer eins sein. Aber es gibt eben auch eine Nachfrage nach anderen Angeboten. Die Icon League ist ein Zusatzangebot, in dem die Welten aufeinandertreffen: Fußball und Sport auf der einen Seite, Entertainment, Streaming und Musik auf der anderen Seite. Wo das alles hinführt, kann man jetzt noch nicht absehen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass diese Formate eine Zukunft haben.
Zugleich gibt es an diesen Ligen auch Kritik aus dem bestehenden Amateurfußball. Der Tenor: Diese Formate nehmen uns die Spieler weg. Können Sie das nachvollziehen?
Kroos: Ich kann nachvollziehen, dass jeder natürlich versucht, seine Spieler zu halten, um mit ihnen erfolgreich zu sein. Es ist aber so, dass wir ein zusätzliches Angebot für die Spieler schaffen. Wir geben ihnen eine Plattform, die sie in ihren Amateurligen nicht haben und auch niemals haben werden. Im Idealfall lässt sich das auch kombinieren, wir spielen schließlich am Montag – ein Tag, an dem kein anderer Fußball läuft. Wir befinden uns in der zweiten Saison und hatten mit den Spielern unseres Teams noch keine Probleme. Fakt ist auch: Unser Angebot wird angenommen. Beim Scouting Day haben sich 400 Spieler angemeldet, unser Kader hat aber nur Platz für 15 Spieler.
Mal abseits vom Fußball: Vor vier Jahren, als Sie noch Spieler des SV Werder waren, mussten Sie kurz vor dem Spiel gegen die Bayern notoperiert werden. Es wurde ein Riss der Arterie, die zur Milz führt, diagnostiziert. Wie sehr hat Ihnen das vor Augen geführt, dass Fußball nicht alles ist?
Kroos: Dass der Fußball nicht alles ist – diese Einstellung hatte ich auch schon vorher. Und natürlich denkt man, dass so ein Erlebnis große Auswirkungen auf sein eigenes Leben hat. Aber wenn ich ehrlich bin: Zwei Wochen später ging es für mich schon wieder darum, dass ich meine Reha machen muss, um schnell wieder fit zu sein. Bis auf die Narbe, die ich noch am Bauch habe, ist davon nichts übrig geblieben. Meine generelle Einstellung zum Leben hat sich dadurch nicht verändert.
Aber es war jetzt nicht gerade ein Blinddarm-Eingriff. Sie mussten notoperiert werden...
Kroos: Eine Arterie war gerissen, es hatte sich Blut im Bauch gesammelt und das musste schnell raus. Ich hatte großes Glück, dass ich als Profisportler in so guten Händen war. Aber der Arzt hat mir damals gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich morgen vom Bus überfahren werde, ist genauso hoch, dass es noch mal passiert. Für meinen Alltag hat sich dadurch nichts geändert.
Was sagen Sie zur Saison des FC Augsburg?
Kroos: Dass sich der FC Augsburg schon so lange in der Bundesliga hält, ist ein Riesenerfolg. Der FCA ist ein etablierter Erstligist und das ist nicht selbstverständlich. Und zur aktuellen Saison: Ich bezeichne mich ja als Fußballexperte. Aber dass Augsburg so eine Saison spielt – das habe ich wirklich nicht auf dem Zettel gehabt. Sie sind die Überraschungsmannschaft der Saison. Und daraus können sie Stärke ziehen und sich weiterentwickeln, um sich künftig auch mal für das europäische Geschäft zu qualifizieren. Genug Beispiele, wie Heidenheim, Union und nun wohl auch Mainz gibt es ja dafür.
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