Den Rekord für den kleinsten Ort, dessen Verein bislang in der Bundesliga gespielt hat, hält bislang die Spielvereinigung Unterhaching: 26.000 Menschen leben in der Gemeinde im Landkreis München. Das ist jetzt nicht besonders viel. Dennoch könnten die Hachinger diesen Titel bald los sein – und ihn an eine Gemeinde verlieren, die sogar nur halb so groß ist. 13.000 Einwohnerinnen und Einwohner fasst das 20 Kilometer von Saarbrücken gelegene Spiesen-Elversberg. Der Ort im Saarland hat keinen eigenen Bahnhof, die größte Touristen-Attraktion ist das Heimatmuseum Spiesen. Und doch könnte sich Spiesen-Elversberg eben bald Bundesliga-Standort nennen. Nämlich dann, wenn die SV Elversberg (das SV steht für Spielvereinigung) in den Relegations-Spielen gegen den 1. FC Heidenheim den Sprung ins Oberhaus packt. Für den Verein wäre das ein Quantensprung: Vor drei Jahren, in der Spielzeit 2021/22 ging das Team noch in der viertklassigen Regionalliga Südwest auf Tore- und Punktejagd.
Seither ging es steil bergauf: Als Aufsteiger wurde der Klub 2022/23 Meister in der 3. Liga, sicherte sich in der 2. Liga mit einem respektablen 11. Platz den Klassenerhalt – und setzte in dieser Spielzeit zum großen Sprung an. Als Tabellendritter der 2. Liga geht es nun in die Entscheidungsspiele um die Bundesliga. Das Erfolgsrezept: Konstanz bei der sportlichen Leitung, erfolgreiche Leihspieler von größeren Vereinen – und die besondere Förderung eines ehemaligen Bundesliga-Profis.
Ex-Profi Frank Holzer unterstützt die SV Elversberg finanziell
Frank Holzer kam als Stürmer für den 1. FC Saarbrücken auf 39 Spiele in der ersten Liga, lief in der zweiten Liga noch für Eintracht Braunschweig auf. Die vielleicht größere Karriere machte der heute 72-Jährige nach dem Ende als Sportler. Die von seinem Vater gegründete Arzneimittelfirma „Ursapharm“ baute er zu einem Großkonzern aus, sie ist heute Namenssponsor des Stadions. Mit dem erwirtschafteten Geld wird die SVE unterstützt, deren Geschicke Holzer seit 1989 leitet – zuerst als Präsident, aushilfsweise als Trainer, seit 2010 als Aufsichtsratsvorsitzender. Das Präsidentenamt bleibt aber in der Familie: Sein Sohn Dominik ist seit 2011 in der Verantwortung.
Dass Elversberg gerade in den unteren Ligen über etwas mehr Geld als die Konkurrenz verfügte, ist kein Geheimnis. Allerdings werden die Mittel im Saarland etwas sinnvoller investiert als andernorts. Und Elversberg hat etwas, von dem andere Vereine reden und träumen, es aber nicht haben: Konstanz. Sport-Vorstand Nils-Ole Book begann 2017 als Scout, ein Jahr später bekam der heute 39-Jährige die Chance als Sportdirektor. Trainer Horst Steffen ist seit 2018 im Amt. Der 56-Jährige führte die SVE mit seiner unaufgeregten Art nach oben und gibt sich auch jetzt, vor den größten Spielen der Vereinsgeschichte, entspannt. Man habe nichts zu verlieren und könne eine jetzt schon herausragende Saison nur noch krönen.

Woltemade, Wanner, Asllani: Die SVE ist die Talentschmiede der Bundesliga
Auffällig bei Elversberg: Auf der Suche nach neuen Leistungsträgern geht der Klub besonders gerne Leihgeschäfte ein. In der Vergangenheit machten der heutige Stuttgarter Nick Woltemade (damals vom SV Werder ausgeliehen) und Bayern-Juwel Paul Wanner in Elversberg auf sich aufmerksam. In der aktuellen Saison ist der 19-jährige, von Eintracht Frankfurt ausgeliehene Elias Baum eine Bank in der Abwehr. Für die Tore sind die beiden aus Hoffenheim ausgeliehenen Fisnik Asllani und Muhammed Damar zuständig. Rein prozentual fiel fast jedes zweite Elversberger Tor durch einen Leihspieler – es ist die höchste Quote der abgelaufenen Zweitligasaison. Elversberg ist die Kaderschmiede der Bundesligisten – und profitiert selbst davon. Sportchef Nils-Ole Book sagte dem Kicker dazu: „Es ist für uns ein sehr attraktives Modell geworden und war durchaus so geplant.“ Die Sache mit dem Bundesliga-Aufstieg dürfte aber selbst Book nicht auf dem Zettel gehabt haben.
Druck vor den bevorstehenden Spielen gegen das mit 50.000 Einwohnern fast schon imposant erscheinende Heidenheim will sich aber niemand machen in Elversberg. Vielleicht liegt das daran, dass selbst die Spieler es noch nicht so richtig fassen können, welche Chance sich ihnen bietet. Kapitän Robin Fellhauer etwa ist seit 2019 im Verein, kam damals von der zweiten Mannschaft des SC Freiburg ins Saarland. „So richtig realisiert man das noch nicht“, befand der 27-Jährige. Gegen Heidenheim wolle man einfach so weitermachen wie bisher. Das war in der abgelaufenen Zweitligasaison bekanntlich ja auch schon nicht die schlechteste Idee.
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