Olympia-Aus in Peking: Tiefschlag für das deutsche Eishockey-Team
Die Nationalmannschaft verpasst gegen die Slowakei die Qualifikation für das Viertelfinale. Zudem schlägt die unklare Zukunft von Trainer Toni Söderholm mächtig aufs Gemüt.
Toni Söderholm stand in einer Ecke, er war frustriert. Der Finne ließ erst einmal seine Spieler reden. Zumindest die wenigen, die auf dem langen Weg in die Kabine bei den Journalisten stehen geblieben sind. Es sind viele Meter vom Eis runter in den abgeschirmten Rückzugsort der Kabine. Vorbei an Kameras, Mikrofonen und Notizblöcken. Es kann ein langer Weg werden. Missmutig und mit hängenden Köpfen stapften die meisten deutschen Spieler vorbei. 0:4 in der Viertelfinal-Qualifikation gegen die Slowakei und damit das olympische Eishockeyturnier schneller vorbei als erwartet. Die Silbermedaillengewinner von vor vier Jahren hatten enttäuscht. Womöglich steht ein Generationswechsel bevor – zumindest hinsichtlich der nächsten Winterspiele in vier Jahren.
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft hat in China kaum Erfolge vorzuweisen
Söderholm wirkte nachdenklich. Er stand in seiner Ecke, lauschte bei den Erklärungsversuchen seiner Akteure. Wie sie davon sprachen, dass sie nie richtig ins Turnier gefunden hätten. Ein knapper Sieg gegen China war der einzige Moment, der sich auf der Habenseite niederschlug. Die Leistung gegen den Außenseiter war allerdings ähnlich dürftig wie zum Auftakt gegen Kanada.
Lediglich das 2:3 gegen die USA brachte die Hoffnung, das Turnier könne sich ähnlich entwickeln wie in Pyeongchang. Auch damals ging der Auftakt daneben, die deutsche Mannschaft aber steigerte sich. Am Ende bejubelte sie die Silbermedaille, sogar der Olympiasieg war möglich. Russland hatte erst kurz vor Schluss ausgeglichen und später in der Verlängerung gewonnen. Diesmal stagnierte die Mannschaft, fiel in ihrem Leistungsvermögen sogar noch zurück. Das 0:4 gegen die Slowakei war nach Toren von Libor Hudacek (12. Minute), Peter Cehlarik (28.), Michal Kristof (29.) und Marek Hrivik (58.) auch in der Höhe verdient.
Kapitän Moritz Müller war einer der wenigen Spieler, die reden wollten. „Im gesamten Turnier haben wir nie zu unserem Spiel gefunden“, sagte er. Er stützte sich auf einem Schläger ab, die Enttäuschung sprach aus seiner Miene. „Wir haben uns im Kopf nie freigeschwommen“, so der Kapitän weiter. Die ungewohnte kleine Eisfläche war ein weiterer Problempunkt, den die deutsche Mannschaft nicht in den Griff bekam. Nun geht es darum, die Enttäuschung aufzuarbeiten.
Hohe Erwartungen und tiefe Enttäuschung beim deutschen Eishockey-Team in Peking
Die Erwartungen waren groß gewesen. Wegen des Erfolgs von vor vier Jahren. Aber auch wegen der Leistungen bei den vergangenen Weltmeisterschaften. Das deutsche Eishockey fühlte sich in der Weltspitze angekommen. Nun wurde es ausgebremst wie ein Schnellzug von einer vor ihm fahrenden Dampflokomotive. Das schmerzt. „Es ist nie falsch, Träume und Ziele zu haben“, sagte Müller. Die Mannschaft habe selbst den Anspruch gehabt, weit zu kommen. Der Druck sei nicht von außen reingetragen worden. „Vielleicht gibt es jetzt Menschen, die ihre Energie daraus ziehen, dass wir gescheitert sind“, sagte der Kapitän noch. Die sich also über das Scheitern der Nationalmannschaft freuen. Viele sollten das nicht sein. Korbinian Holzer meinte: „Manchmal fällt man auf die Schnauze, jetzt müssen wir wieder aufstehen.“
Toni Söderholm wird dabei helfen. Die Entwicklung der Mannschaft unter ihm war gut. Er hat Deutschland wieder von großen Erfolgen träumen lassen. Die Olympia-Leistung hat aber auch bei ihm für Ernüchterung gesorgt. „Wir waren heute nicht auf dem nötigen Level“, sagte er. Die Slowakei, und das solle man bitte nicht vergessen, sei obendrein ein sehr starker Gegner gewesen. Das ja, ein 0:4 aber muss nicht die logische Folge sein.
Trainer Söderholm träumte schon vom olympischen Gold seiner Mannschaft
Die deutsche Mannschaft aber tat sich schwer, kam kaum zu Chancen und verteidigte viel zu sorglos. Das Viertelfinale war das Minimalziel, Söderholm hatte sogar davon geredet, um die Goldmedaille spielen zu können. Die war aber ähnlich weit weg wie eine Imbissbude von einer Sternebewertung.
Die Analyse des Turniers dürfte schmerzhaft werden. Sie ist aber unumgänglich. Schließlich richtet sich der Blick auch nach vorne. Die Weltmeisterschaft ist die nächste Herausforderung. „Ich hoffe, dass wir da wieder angreifen können und den heutigen Tag vergessen lassen“, sagte Stürmer Marcel Nöbels. Toni Söderholm wird das Team zur WM begleiten. Und danach? Ist noch nichts geklärt. „Ich weiß es nicht“, sagte Söderholm gereizt.
Bleibt Toni Söderholm auch nach der Eishockey-WM Trainer?
Der Vertrag des Finnen läuft nach der WM aus. Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) würde gerne verlängern, die Spieler wollen auch ihren Trainer behalten. Das bestätigte Kapitän Moritz Müller ein weiteres Mal nach dem Spiel. Aber auch Christian Künast, der Sportdirektor, hatte am Dienstag keine Antwort. „Falsche Frage zum falschen Zeitpunkt“, sagte er gereizt, „wir sind vor 20 Minuten ausgeschieden.“ Da könne doch keiner erwarten, dass nun über eine so wichtige Entscheidung diskutiert würde. Als er davonmarschierte, schüttelte er verständnislos den Kopf. Die Frage hatte ihn geärgert. Andererseits hatte sie durchaus ihre Berechtigung. Die Entscheidung über Söderholms Zukunft sollte zeitnah fallen, bis zur WM ist nicht mehr viel Zeit.
Die Stimmung rund um die Nationalmannschaft war schon mal deutlich besser. „Das war nicht unser Turnier, da brauchen wir nichts schönreden“, sagte Künast. Am mangelnden Willen oder fehlender Einsatzbereitschaft habe es nicht gelegen. „Die Spieler haben alles versucht“, sagte Künast. Ohne Erfolg. „Das tut allen weh“, sagte er, während die Slowaken freudestrahlend ihre Interviews gaben.
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Sportlich war das ernüchternd. Viel Arbeit der letzten Jahre wurde in meinen Augen fahrlässig verspielt. Aber das ist Sport. Das kann passieren. Da ist immer auch ein Gegner auf den Platz, dessen Leistung man auch respektieren muss.
Was gar nicht geht, sind wirkliche dreckige Fouls wie das von David Wolf beim Stand von 0:4 kurz vor Ende des Spiels. Ich möchte nicht, dass jemand der mein Land repräsentiert so auftritt. Für mich dürfte der Mann nie wieder ein Trikot der Nationalmannschaft überstreifen.