DEB-Sportdirektor Schaidnagel: "Die Silbermedaille hat sich ausgezahlt"
Stefan Schaidnagel ist der Macher im deutschen Eishockey. Er spricht über die Folgen des Olympia-Triumphs, die Kosten für NHL-Profis und das WM-Ziel.
Alle reden vor der Eishockey-Weltmeisterschaft vom deutschen Ausnahmekönner Leon Draisaitl. Welche Rolle hat der Torjäger aus der National Hockey League im Nationalteam?
Schaidnagel: Er ist eines unserer Aushängeschilder in der besten Liga der Welt. Er weiß und wir wissen, dass er eine hohe Qualität hat, deshalb ist er sportlich und persönlich wichtig für uns. Aber alleine kann er nicht spielen, es kommt auf die Mannschaft insgesamt an.
Wie schwierig oder leicht war es für Bundestrainer Toni Söderholm, ihn dafür zu gewinnen, nach einer langen NHL-Saison bei der WM für Deutschland zu spielen?
Schaidnagel: Söderholm und ich teilen uns die Aufgabe des General Managers und waren vor sechs Wochen gemeinsam in Nordamerika. Wir haben den Spielern erklärt, in welcher Konstruktion wir das Nationalteam für die Zukunft sehen. Wir haben ihnen erzählt, was im deutschen Eishockey im Nachwuchs passiert. Das wollen die Spieler auch wissen. Es ist wichtig, dass man ständig mit ihnen kommuniziert oder sie abholt mit ihren Sorgen und Nöten in der NHL. Die Jungs haben Lust, für Deutschland zu spielen.
Was für ein Typ ist Draisaitl in der Umkleide?
Schaidnagel: Er zeigt Führungsqualitäten. Er weiß, wann er Präsenz zeigen muss, auf dem Eis und in der Kabine.
Für die drei NHL-Spieler werden 100.000 Euro Versicherungssumme fällig
Der Einsatz von NHL-Profis in der Nationalmannschaft kommt den Deutschen Eishockey-Bund teuer zu stehen. Wie hoch ist die Versicherungssumme, die der DEB bezahlen muss?
Schaidnagel: Für unsere drei NHL-Profis werden über 100.000 Euro fällig.
Zu Ihnen, was bedeutet Ihr Titel "Sportdirektor mit Generalverantwortung"?
Schaidnagel: Letztendlich führe ich den Verband hauptamtlich. Die Funktion des Sportdirektors habe ich schon einige Jahre inne. Zusätzlich übernehme ich die Aufgaben des Generalsekretärs und soll die Verbandsentwicklung nach vorne treiben.
Sie sind der zweitmächtigste Mann im DEB hinter Präsident Franz Reindl. Wie weit hat es der Spieler Schaidnagel gebracht?
Schaidnagel: Ich stamme aus Sonthofen im Allgäu und da kommt man an Eishockey nicht vorbei. Als Jugendlicher habe ich eine gute Entwicklung gemacht und mit 16 Jahren als einer der jüngsten Spieler in der zweiten Bundesliga gespielt. Für uns gab es damals nicht den Anschluss zur Bundesliga, also bin ich in die Oberliga gewechselt. Ich habe für Memmingen, Kempten und Bayreuth gespielt. Ab 2002 habe ich als Spieler in München dort nebenbei auch Sport-Wissenschaft studiert.
Stimmt es, dass Sie als Profi fünf Konkurse erlebt haben?
Schaidnagel: Ja, die Ligensysteme haben häufig gewechselt. In zehn Jahren gingen damals 14 DEL-Vereine Pleite. Es gab in der gesamten Eishockey-Landschaft Probleme.
Einige Narben in ihrem Gesicht zeugen von hoher Einsatzbereitschaft, welcher Spielertyp waren Sie?
Schaidnagel: Ich war technisch nicht der versierteste Spieler, aber ich war athletisch stark. Man konnte sich immer auf mich verlassen. Der Trainer wusste: Der erledigt im eigenen Drittel seinen Job. Ich habe den Verteidiger sehr klassisch interpretiert.
Wie kam es zum Wechsel in den Fußball?
Schaidnagel: Ich habe neben Sport-Wissenschaft auch Sport-Management studiert. Damals habe ich einen Anruf vom Deutschen Fußball-Bund erhalten, ob ich nicht als Sport-Wissenschaftler in den Nachwuchs-Nationalmannschaften tätig werden will. Durch die Arbeit für einen Spitzenverband war mein Weg im Fußball geebnet. Ich hatte danach einige Angebote aus der Bundesliga, aber ich habe mich für einen aufstrebenden Verein, den FC Ingolstadt, entschieden. Ich durfte eine erfolgreiche Zeit unter Horst Köppel mitgestalten, wir sind in die zweite Bundesliga aufgestiegen.
Was Schaidnagel von Klinsmanns Fitness-Guru Verstegen gelernt hat
Sie haben auch mit dem Fitnessguru Mark Verstegen gearbeitet, den der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann aus Amerika mitbrachte.
Schaidnagel: Ja, er hat Firmen-Consulting betrieben, also Leistungssport in die höchste Geschäftswelt transferiert, also in die Vorstandsebene der größten Konzerne. Ich habe viel gelernt. Zu sehen, wie der Vorstandsvorsitzende von Unilever sein Personal strukturiert oder sein Produktmanagement funktioniert und welche Visionen entwickelt werden – das war spannend.
Sie kennen Strukturen im Fußball und im Eishockey. Kann man sagen: Die Fußballer sind besser strukturiert aber die Eishockey-Profis besser motiviert?
Schaidnagel: Das ist stark vereinfacht, aber es steckt ein Körnchen Wahrheit darin. Der Fußball ist in seinen Strukturen hoch entwickelt und ist mit sehr guten Leuten besetzt, sonst hätte die Sportart nicht den Stellenwert, den sie innehat. Im sportlichen Bereich liegt noch einiges Potenzial im Fußball. Dort ist man im Eishockey weiter, aber in den Abläufen und der Organisation können wir vom Fußball lernen.
Im Fußball ist ungleich mehr Geld im Umlauf, während der DEB in der Vergangenheit mit spitzem Bleistift rechnen musste. Ist das noch immer so?
Schaidnagel: Jein. Im Fußball ist mehr Geld, doch das muss man sich auch erarbeiten. In den vergangenen zwei Jahren hat der DEB durch Konzepte und Arbeit Erfolge gefeiert. Die U18 und die U20 sind in die höchste WM-Gruppe aufgestiegen, die Frauen standen wieder im WM-Viertelfinale, die Männer haben Silber geholt. Die Arbeit und die Änderungen haben sich im wahrsten Sinne des Wortes ausgezahlt.
Wie hat sich der Medaillengewinn auf den Verband ausgewirkt?
Schaidnagel: Wir hatten etwa zehn Prozent mehr Anmeldungen in den Vereinen bei den Acht- bis Elfjährigen. Wir merken es in den Laufschulen bei der Rekrutierung zur Sportart hin. Das ist jetzt über ein Jahr her. Es war schön, die Medaille zu genießen, aber wir müssen weiter daran arbeiten, den Gewinn nachhaltig zu nutzen. Bei Misserfolgen muss man hart arbeiten, im Erfolgsfall noch härter. Die Silbermedaille hat sich für uns ausgezahlt, weil mehr Geld vom Bund fließt. Wir konnten vier hauptamtliche Trainer zusätzlich einstellen. Außerdem wurden alle Wintersportverbände in der Potenzial-Analyse bewertet. Da haben wir sehr gut abgeschnitten. Und das Schöne: Da wurde nicht nur das Silber gesehen, sondern die Grundausrichtung und Konzeption. Auch ohne die Medaille hätten wir sehr gut abgeschnitten.
Neben der Basisarbeit müssen Ergebnisse geliefert werden. Welche WM-Ziele geben Sie vor?
Schaidnagel: Wir sollten die direkte Olympia-Qualifikation schaffen. Im Moment sind wir Achter der Weltrangliste, haben uns ein komfortables Punkte-Polster erarbeitet und das sollten wir verteidigen.
Also wäre Platz vier in der Vorrunde und das Erreichen des Viertelfinales hilfreich?
Schaidnagel: Wir wollen so weit wie möglich kommen. Das Erreichen des Viertelfinales wäre schon hilfreich, um sich direkt für Olympia zu qualifizieren.
Zum Auftakt bekommt es Deutschland am Samstag mit Großbritannien und am Sonntag mit Dänemark zu tun. Wie lautet Ihre Vorgabe?
Schaidnagel: Der Spielplan ist günstig für uns und wir wollen einen positiven Start ins WM-Turnier. Gegen den Aufsteiger Großbritannien sind wir Favorit und sollten sie schlagen. Gegen Dänemark war es sehr knapp vor einem Jahr, das wird ein enges Match, aber auch das sollten wir gewinnen.
In Pyeongchang hatte die Mannschaft eine WhatsApp-Gruppe mit dem Titel "Mission Gold" gegründet und es fast geschafft. Hat das Team für die WM eine Titelprämie ausgehandelt?
Schaidnagel: Ich habe als Präsidiumsvertreter mit dem Mannschaftsrat vor wenigen Tagen eine Prämienregelung getroffen, die alle Platzierungen betrifft.
Zur Person: Stefan Schaidnagel arbeitet als Sportdirektor mit Generalverantwortung für den DEB. Der 38-Jährige aus Sonthofen spielte als Verteidiger zwischen der zweiten und der vierten Liga.
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