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Foto: Jochen Aumann
Foto: Jochen Aumann

Eine Aufnahme Ende der 80er Jahre: Thomas Schön hütet das Tor des Augsburger EV. Auffällig: Die Beinschoner fallen damals viel kürzer als heute aus.

Augsburger Panther
17.04.2018

AEV-Rekordtorwart Thomas Schön: "Ich war von Eishockey besessen"

Von Milan Sako

Thomas Schön ist mit 502 Einsätzen der Rekord-Torhüter. Der 58-Jährige über sein schwierigstes Match, kauzige Mitspieler wie Ron Amyotte und die Panther-Saison.

Was machen Sie beruflich?

Thomas Schön: Ich bin seit 2001 selbstständig, und zwar als Trainer für Software im Bereich Warenwirtschaftssysteme für die Hausverwaltung. Ich bin in ganz Deutschland unterwegs.

Kam nach dem Karriereende 1991 kein Job im Eishockey in Frage?

Schön: Ich habe eine kurze Zeit mit Robert Merk als Trainer im Nachwuchs gearbeitet, aber danach bin ich berufllich in die Selbstständigkeit gegangen. Außerdem bin ich der Meinung, dass man viel Lobby-Arbeit betreiben muss. Und wenn ein paar Jahre vergangenen sind, dann ist es sowieso vorbei. Manchmal bereue ich es. Denn ich denke, dass ich als Eishockey-Trainer nicht schlecht gewesen wäre. Jetzt bin ich eben Trainer in der IT-Branche.

Wie sind Sie zum Eishockey gekommen?

Schön: Wir wohnten nur 300 Meter vom Eisstadion entfernt. Für mich ist Eishockey fast zu einer Sucht geworden. Als Jugendlicher habe ich Eishockey-Torhüter auf mein Mäppchen gemalt. Meine Vorbilder: natürlich Dzurilla, Tretjak, Friesen, Peppi Heiss. Ich war von Eishockey besessen, aber das war bei allen unseren Spielern so, auch bei meinen Freunden Reiner Blum, Rudi Regensburger, Georg Hetmann, Siegfried und Peter Holzheu Wir waren so vernagelt in Eishockey, das war unser Leben. Wir haben immer gedacht, der richtige Beruf, der kommt dann schon noch. Aber von alleine geht nichts. Wer nicht handelt, wird behandelt.

Sie haben laut Statistik 502 Partien für den Augsburger EV bestritten. Welche Spiele sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Schön: Ein Höhepunkt war ein Spiel in Bayreuth. Torwart Paul Häringer, der mittlerweile verstorben ist, hatte ein Jahr zuvor noch dort gespielt und war zum AEV gekommen. Als wir dort aufgelaufen sind, haben 5500 Zuschauer damit gerechnet, dass Häringer spielt. Doch Trainer Marian Hurtik hat sich für mich entschieden. Auf der anderen Seite stand der Tscheche Jiri Crha, der kurz zuvor noch in der NHL gespielt hatte. Peter Holzheu hat zwei Tore geschossen und wir haben 2:1 gewonnen. Da ist alles für mich gelaufen. Das war der süßeste Sieg.

Wo lief es weniger gut?

Schön: Das grausamste Eishockeyerlebnis hatte ich in Freiburg. Wir hatten unter Trainer Heinz Zerres ein Spiel in der Aufstiegsrunde in Frankfurt. Klaus Merk war verletzt. Deshalb war Juniorentorwart Roland Seckler dabei. Wir spielten 2:2 in Frankfurt und fuhren gleich weiter nach Freiburg. Dazwischen reiste Seckler nach Augsburg und riss sich am Samstag das Kreuzband, ich war also in Freiburg alleine auf mich gestellt und dann hat mich eine fette Grippe erwischt. Ich hatte Fieber, aber das hat niemanden interessiert. Ich stand im Tor. Zu Beginn des letzten Drittels stand es 3:1 für Freiburg, aber unsere Helden Rick Laycock, Ernst Köpf Junior, Jirka Brousek und Leos Sulak haben das in wenigen Minuten in ein 5:4 verwandelt. Es waren noch acht Minuten zu spielen. Ich bekomme einen Schuss, ich wehre ihn ab, weiß aber bis heute nicht wie. Der Schiedsrichter pfeift ab, ich drehe mich um und sehe, wie die Scheibe auf der Ferse meines Schlittschuhs liegt. Kurz darauf war Schluss, ich war total am Ende.

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Foto: Milan Sako
Foto: Milan Sako

Thomas Schön ist mit 502 Einsätzen der Rekord-Torhüter der Augsburger Panther.

Wie hat sich das Torwartspiel gegenüber Ihrer aktiven Zeit verändert?

Schön: Wenn ich das sehe, wird mir bewusst, wie viel wir improvisierten, die Goalies haben für fast alles eine technische Bewegung drauf. Wir sind früher so lange wie möglich stehen geblieben. Heute kommen die Schüsse viel härter und schneller. Die Torhüter reagieren nach Wahrscheinlichkeit, wo die Scheibe wohl hinfliegen wird. Wenn ich sehe, mit welcher Wucht ein Michael Wolf oder Patrick Reimer die Scheibe direkt vom Bullypunkt nimmt und die Pucks den Torhütern um die Ohren fliegen, dann habe ich höchsten Respekt. Da brauchst Du Vertrauen in die Ausrüstung und das hatten wir früher nicht immer. Tat dann halt sau weh.

Was hat sich bei den Anforderungen verändert?

Schön: Früher waren Torhüter eher klein und schnell. Heute brauchst du Größe, damit die Trefferfläche entsprechend ausfällt. Die Ausrüstung ist außerdem viel besser. Als ich in die erste Mannschaft gekommen bin, habe ich eine ausgelutschte Fanghand von Karl-Heinz Eberle bekommen. Wenn ich den Puck falsch gefangen habe, dann war der Finger blau. Heute haben die Torhüter eine Ausrüstung im Wert von knapp 10000 Euro am Körper. Das ist wichtig, sonst gäbe es Tote.

Welcher Mitspieler hat Sie am meisten beeindruckt?

Schön: Jaroslav Pouzar. Er ist mit 38 Jahren nach Augsburg gekommen, mit drei Stanley-Cup-Erfolgen und deutschen Meisterschaften mit Rosenheim im Kreuz. Sein Schuss, seine läuferischen Fähigkeiten aber auch sein Spielverständnis – überragend. Ron Amyotte war ebenfalls außergewöhnlich. Wir spielen in Sonthofen, in der Halle ist ein Riesenrabatz, wir sitzen mit voller Hose in der Umkleide. Ron macht die Türe auf und wundert sich, ob wir in einer Disney-Show sind. Dann sagt er: „Come on, let’s kick their asses“ (auf geht’s, lasst uns ihnen den Hintern versohlen) und geht raus.

Was war Ihnen wichtig im Verhältnis zu den Teamkollegen?

Schön: Ich habe das mal zusammengeschrieben, ich habe mit über 200 Spielern zusammengespielt. Wenn einer keine Leistung bringt, aber ein schräger Vogel ist – und das gab es auch – dann bin ich nicht der Kumpel. Erst kommt die Leistung, sonst macht es keinen Spaß.

Mein Eindruck war, dass Sie sich viele Gedanken über ihren Job als Torhüter gemacht haben, stimmt das?

Schön: Kollegen wie Beppo Schlickenrieder oder Matthias Hoppe waren große Kaliber, eher die Kantigen. Ich bin mit 71 Kilogramm ins Tor gegangen. Vielleicht weil ich kein Brocken war, musste ich von meiner Schnelligkeit leben, habe mir viele Gedanken gemacht. Daran habe ich mich manchmal zerfressen. Gegen Saisonende zum Beispiel bin ich in mein Bad gegangen und habe zehn Fliesen gesehen und mir gesagt: Ich habe noch zehn Spiele. Ich hätte aber gerne schon frei gehabt. Der Druck war damals schon auch da und so gab es Spiele mit Angst, Fehler zu machen, und nicht die Freude am Spiel.

Haben Sie ihre Profi-Zeit dennoch genossen?

Schön: Es war fantastisch. Wenn ich körperlich austrainiert war und fit in die Saison gegangen bin, dann konnte ich es genießen. Mit meinen Torwartkollegen wie Martin Angerer oder Klaus Merk war es nicht wichtig, gut oder super zu sein. Wir wollten souverän sein. Gegenüber der Atmosphäre auswärts und den Schüssen der Gegner.

Wie intensiv verfolgen Sie die Panther und die DEL?

Schön: Die Panther haben eine ordentliche Saison gespielt, auch wenn sie nicht in die Play-offs gekommen sind. Man hat gemerkt: Je dicker der Geldbeutel ist, desto besser ist die Mannschaft. Die Qualität sieht man oft daran, wie stark die dritte oder vierte Reihe besetzt ist. Aber die Panther schaffen es immer wieder, begeisterndes Eishockey zu spielen. Profis wie Spielmacher Drew Le-blanc, Torjäger Trevor Parkes oder Verteidiger Brady Lamb gefallen mir. Das sind Typen. Leider hat in dieser Saison ein überragender Torwart gefehlt. Der AEV hat mindestens zwölf Punkte liegen gelassen, weil der Gegner nur ein Tor wie auch immer mehr geschossen hat. Da waren andere Teams mit einem großen Kaliber im Tor im Vorteil.

Wie haben Sie den Gewinn der Silbermedaille in Südkorea erlebt?

Schön: Als Team waren wir die Besten. Natürlich hatten die anderen Nationen ihre NHL-Profis nicht dabei. Aber man muss die Leistung erst einmal bringen. Das war gigantisch und höchste Zeit, dass Deutschland wieder eine Medaille geholt hat. Denn an Bronze 1976 in Innsbruck können sich die Jungen nicht erinnern.

Wie hat Sie der Sport geprägt?

Schön: Ich habe gelernt, dass Disziplin wichtig ist und mich auf eine Sache, ein Ziel zu fokussieren. Man muss seine Emotionen hinten anstellen. Nicht gleich lauthals jubeln oder brüllen, sondern in der Mitte zu bleiben ist wichtig. Den Mannschaftsgeist habe ich danach im Berufsleben ein wenig vermisst. Ich musste meine Erfahrungen machen, dass es in der Geschäftswelt anders zugeht.

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