DEL-Referee Brüggemann: "Schiedsrichter werden niemals perfekt sein"
Der Ex-Profi Lars Brüggemann ist für die Referees in der DEL verantwortlich. Nicht mit allem, was er in der Hauptrunde gesehen hat, war er zufrieden.
Dieser Artikel ist Teil der Play-off-Beilage unserer Zeitung gewesen, die am 12. März erschienen ist.
Seit etwas mehr als zwei Jahren leitet Lars Brüggemann das Schiedsrichterwesen in der Deutschen Eishockeyliga. Sein hauptamtlicher Posten war damals neu geschaffen worden, um auch die Arbeit der Unparteiischen weiter zu professionalisieren. Brüggemann, 43, war zuvor selbst sieben Jahre als Profi-Schiedsrichter in der höchsten deutschen Spielklasse tätig. Die längste Zeit auf Schlittschuhen hatte er aber auf der „anderen Seite“ gestanden. Insgesamt 449 DEL-Partien absolvierte der Verteidiger. Sowohl als Spieler als auch als Schiedsrichter nahm er an Olympischen Spielen teil. Seit zwei Jahren verantwortet er bei der DEL nun alle Themen, die im Zusammenhang mit den Schiedsrichtern stehen.
Für Spieler, Trainer, Betreuer und natürlich Fans sind die Play-offs etwas ganz Spezielles. Gilt das auch für die Schiedsrichter?
Lars Brüggemann: Das ist schon auch für die Schiedsrichter etwas ganz Besonderes. Das sage ich auch aus eigener Erfahrung. Jeder Schiedsrichter ist sich bewusst, dass die Play-offs der Saison-Höhepunkt sind. Dass jetzt die Phase beginnt, auf die sich die Teams im Endeffekt die ganze Saison lang vorbereitet und hingearbeitet haben.
Ist es also auch eine Art Auszeichnung, als Schiedsrichter für eine Play-off-Partie nominiert zu werden?
Brüggemann: Grundsätzlich ist es so, dass es ein internes Ranking gibt. Es ist Teil meiner Philosophie, die sehr leistungsbezogen ist. Die besten Schiedsrichter sollen also auch die besten Spiele bekommen. Immer natürlich unter der Einschränkung, wie groß die individuelle Belastung und Einsetzbarkeit ist. Da spielen einige Faktoren eine Rolle. Aber grundsätzlich gilt das Leistungsprinzip. Jeder Schiedsrichter möchte das letzte Spiel in der Saison pfeifen.
Gab es für die Schiedsrichter noch einmal eine spezielle Vorbereitung auf die Play-offs?
Brüggemann: Ja, natürlich. Wir hatten schon Ende Februar ein Play-off-Meeting mit allen Schiedsrichtern. Dort ging es um die Schwerpunkte in den Play-offs und wir sind noch einmal alles durchgegangen.
Es gibt die Legende, dass in den Play-offs ein bisschen weniger streng gepfiffen wird. Dass die Teams das Spiel im Idealfall ganz unter sich ausmachen und möglichst wenig dabei gestört werden sollen. Was ist da dran?
Brüggemann: Wie haben Sie das genannt? Legende? (lacht) Nun, ich war ja auch mal Spieler und hatte damals auch dieses Gefühl. Aber: Nein! Das war übrigens auch ein Thema unseres Treffens. Wir haben einen Standard in der DEL, den wir umsetzen müssen und wollen. Im Endeffekt wird in den Play-offs nach dem gleichen Standard gepfiffen wie in der regulären Saison. Nur so bleiben wir glaubwürdig. Wir versuchen konstant zu sein in dem, was wir machen. Aber natürlich ist sich auch jeder Schiedsrichter bewusst, welche Auswirkungen jede einzelne Strafe haben kann.
Es kann für eine Mannschaft das Ende der Saison bedeuten ...
Brüggemann: Richtig. Von daher ist es nur menschlich und verständlich, dass sich jeder Schiedsrichter noch sicherer sein will, wenn er den Arm hebt.
Die Hauptrunde ist beendet. Wie fällt Ihr Fazit mit Blick auf die Leistungen der Schiedsrichter aus?
Brüggemann: Das in einem Satz zu beantworten ist ziemlich schwer. Man muss wissen, dass wir vor zwei Jahren einen großen Umbruch hatten. Wir haben unser Schiedsrichterteam verjüngt und einige neue Sachen eingeführt. Diese Entwicklung braucht ein bisschen Zeit. Es ist auch wichtig, zu wissen und zu akzeptieren, dass Schiedsrichter niemals perfekt sein werden. Das gibt es nicht. Schiedsrichter müssen ihre Entscheidungen über Situationen auf dem Eis in Realgeschwindigkeit treffen. Basierend auf ihrer Position, auf ihrem Sichtwinkel. Und dann kommt noch ein gewisser Ermessensspielraum hinzu.
Sie sind also zufrieden mit Ihren Schiedsrichtern?
Brüggemann: Mir hat nicht alles gefallen, was ich gesehen habe in dieser Saison. Das gebe ich offen und ehrlich zu. Die Schiedsrichter werden dann aber auch zur Rechenschaft gezogen von mir. Wenn sie es nicht schon am gleichen Abend hören, dann spätestens am anderen Tag. Das ist dann nicht immer angenehm. Ich bin schon dahinterher, dass alle auf dem gleichen Level sind.
Dabei ist genau das ein Kritikpunkt vieler Trainer, dass sie keine öffentliche Kritik an den Schiedsrichtern üben dürfen. Machen sie es trotzdem, gibt es schnell eine Geldstrafe.
Brüggemann: Ich behaupte, dass die Schiedsrichter heute mehr Kritik bekommen, als früher. Ich bin ein ehemaliger Spieler und ich war auch lange Zeit Kapitän meiner Teams. Ich habe niemals einen Mitspieler in der Öffentlichkeit kritisiert. Das heißt aber nicht, dass ich immer mit allem zufrieden war war und ich nicht intern die Kritikpunkte klar angesprochen hätte. Genauso arbeite ich auch jetzt mit den Schiedsrichtern. Natürlich gibt es Kritik und die müssen sich einiges anhören. Aber man darf eben auch nicht vergessen, dass es nie einen perfekten Schiedsrichter geben wird. Unsere Philosophie lautet, dass es für die Spieler sicher und fair ist. Ich sage immer: Gebt beiden Mannschaften eine faire Chance zu gewinnen. Hört sich einfach an, ist es aber nicht.
Würden Sie sich manchmal einen Videobeweis ähnlich wie im Fußball wünschen, um strittige Situationen auch außerhalb des unmittelbaren Torraums besser bewerten zu können?
Brüggemann: Davon bin ich kein großer Freund. Ich habe das Spiel viele Jahre gespielt und es war immer einer auf dem Eis, der auch die Entscheidung getroffen hat. Im Endeffekt war das wie bei einem Koch: Ab und zu hat es mir geschmeckt, was mir da serviert wurde – ab und zu nicht. Bei vielen Schiedsrichterentscheidungen ist es so, dass diese ein Stück weit immer auch Ermessenssache sind. Denn selbst wenn man alles im Video in alle Einzelteile zerlegt, bleiben Aktionen, die nicht hundertprozentig zu entscheiden sind. Man wird es nie allen recht machen können. Davon lebt der Sport aber auch. Da gehören Emotionen dazu.
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