„Damit hat keiner rechnen können“
Selbst der Physiotherapeut des ERC Ingolstadt, Stephan Retzer, hat auf die langen Play-offs reagieren müssen
Kopfschüttelnd steht er da. Blick zum Boden, Arme verschränkt. Plötzlich sagt Stephan Retzer: „Damit hat doch keiner rechnen können. Mir ist sogar mein ganzes Zeug ausgegangen. Ich hab nachbestellen müssen.“ Dann lächelt er ungläubig. „Wahnsinn!“
Diese Szene spielte sich nach Spiel 2 im Halbfinale gegen die Hamburg Freezers ab. Der ERC Ingolstadt hatte gerade gewonnen. Erneut. Plötzlich lag das Finale in der Luft. Doch wenn selbst der Physiotherapeut des ERCI nicht mit langen Play-offs kalkuliert, sagt das viel aus über die Dinge, die sich da in Ingolstadt abgespielt haben in der laufenden DEL-Saison. „Es gab so viele Tiefschläge“, erinnert sich Retzer, „aber zu den Play-offs haben die Spieler plötzlich gesagt: Jetzt zählt’s! Und beim dritten Spiel in Berlin ist dann dieser Zug ins Rollen gekommen.“ Es war nach jenem 3:2-Sieg in der 1. Play-off-Runde, dass Retzer unerwartet ohne Arbeitsmaterial dastand. „Ich musste Verbandsstoffe, Tapes, Lotionen und solche Dinge nachkaufen“, erzählt er.
Seit Saisonbeginn ist der 37-Jährige als Physiotherapeut beim ERC dabei. Davor hat der gebürtige Deggendorfer zum Abschluss seiner Profi-Karriere selbst noch zwei Jahre das Trikot der Panther getragen. Kein Wunder, dass er die meisten Spieler noch als Teamkollegen kennt und sich erst einmal an den Blick von draußen gewöhnen muss. „Es ist schon ein ganz anderes Gefühl“, gesteht Retzer. „Aber ich versuche weiter, der Mannschaft zu helfen – jetzt eben die Jungs fit zu halten.“ So trug auch Retzer seinen Teil dazu bei, dass die ERC-Spieler bisher relativ sorgenfrei durch die Play-offs gekommen sind und in den Spielen immer recht frisch wirkten.
Doch mit Zusammennähen und Massieren hört seine Aufgabe nicht auf. Der „Physio“ ist auch immer ein wenig mentaler Therapeut, wenn die Spieler auf der Massagebank liegen. Retzer erzählt: „Es ist immer sehr hektisch in den Play-offs. Da versuche ich immer, die Jungs ein wenig runterzufahren.“ Generell gingen die Spieler aber sehr gelassen mit der Situation um. Statt zwei Zeitungsreportern wie bei Hauptrundenspielen stehen jetzt zusätzlich drei Kamerateams beim Training herum, geschweige denn bei Spielen. Dennoch: „Jeder ist entspannt und eigentlich überrascht mich das auch nicht“, sagt Retzer über seine ehemaligen Kollegen und jetzigen „Patienten“.
Mit ihrer Leistungsexplosion haben die ERCler ihn freilich doch völlig überrascht. Aber das Verbandszeug wird Stephan Retzer auch bei sieben Finalspielen nicht mehr ausgehen: „Nein, jetzt reicht’s!“
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