
Tim Wohlgemuth: Vom Lehrling zum Leistungsträger

Plus Als 18-Jähriger kam Tim Wohlgemuth 2018 zu den Panthern. Seitdem hat der Angreifer einen steilen Aufstieg hingelegt. In dieser Saison geht der Nationalspieler nun erstmals in sein letztes DEL-Vertragsjahr. Am Samstag Auswärtsspiel bei den Straubing Tigers.

Mit dem Auswärtsspiel am Samstag (20 Uhr) bei den Straubing Tigers startet der ERC Ingolstadt ins Jahr 2021. Mit dabei ist freilich auch ein Youngster, der sich bei den Panthern längst zu einer unverzichtbaren Größe aufgeschwungen hat: Tim Wohlgemuth. Die Neuburger Rundschau hat sich mit dem 21-jährigen Nationalstürmer pünktlich zum Auftakt ins neue Jahr unterhalten.
Tim, zunächst einmal ein gutes und vor allem gesundes neues Jahr! Wenn wir nochmals kurz zurückblicken: Was bleibt denn bei Ihnen von einem zweifelsohne ungewöhnlichen Jahr 2020 hängen?
Wohlgemuth: Vielen Dank! Nun, was ich aus sportlicher Sicht zuerst mit 2020 in Verbindung bringe, ist der ungewisse Sommer. Die ganze Eishockey-Branche hing in diesen Monaten irgendwie komplett in der Luft. Trotz dieser Ungewissheit haben wir das Beste daraus gemacht. Mittlerweile überwiegt der Stolz, wie das Ganze umgesetzt wurde, damit wir wieder auf dem Eis stehen und Punktspiele absolvieren können beziehungsweise dürfen.
Gibt es etwas, das Sie persönlich in diesem schwierigen Jahr 2020 mitgenommen beziehungsweise aus dieser Pandemie gelernt haben?
Wohlgemuth: Ich habe in der Tat gelernt, mich sehr gut selbst abwechslungsreich zu beschäftigen. Es ist zwar ganz toll, ab und zu den Fernseher einzuschalten. Man kann aber nicht jeden Tag sieben Filme anschauen. Ich habe in diesem Zeitraum herausgefunden, was mir Spaß macht und was ich unternehmen kann, um mir sinnvoll die Zeit zu vertreiben.
Am 22. Dezember fand schließlich das erste DEL-Saisonspiel des ERC Ingolstadt gegen die Schwenninger Wild Wings statt. War diese Partie – unabhängig vom Endresultat (1:2) – eines der schönsten Ereignisse für Sie im Jahr 2020?
Wohlgemuth: Wenn ich ehrlich bin, war für mich die erste Saison-Begegnung jetzt gar nicht mehr so besonders. Zum einen war dieses Match ja in einer gewissen Weise vorhersehbar. Zum anderen hatte ich bereits den Deutschland-Cup sowie die Saison-Vorbereitung mit dem ERCI absolviert. Auch wenn es natürlich super war, dass es nun endlich wieder um Punkte geht, habe ich jetzt diesen „Überraschungseffekt“ nicht wirklich gespürt.
Sie haben bereits geschildert, was Sie persönlich aus dieser Pandemie mitgenommen haben. Konkret auf das Eishockey bezogen: Lernt man in dieser Situation auch besonders zu schätzen, dass man trotz Lockdown – im Gegensatz zu vielen anderen Arbeitnehmern – seinen Beruf weiter ausüben darf?
Wohlgemuth: Ja, auf jeden Fall! Es ist definitiv ein Privileg, dass wir in der momentanen Situation ohne großes Tamtam weitermachen dürfen. Ich denke, dass das letztlich auch jeder extrem schätzt. Für einen persönlich ist es natürlich auch sehr angenehm zu wissen, dass man bis zum Saisonende auf einem relativ festen Boden steht – auch wenn es sicherlich hin und wieder mal den einen oder anderen Rückschlag mit Quarantäne oder Spielabsagen geben wird. Im Großen und Ganzen ist das System aber auf alle Fälle ausreichend, um diese Spielzeit zu Ende zu bringen.
Mit Nürnberg (4:1) und Augsburg (5:1) standen im bisherigen Saisonverlauf bereits zwei bayerische Duelle auf dem Programm. Wie fühlt sich denn für die Spieler ein Derby ohne Zuschauer an?
Wohlgemuth: Es ist ehrlicherweise nicht mehr so, wie man sich ein Derby vorstellt. Wir haben bei uns im Team viele neue ausländische Jungs, die gar nicht wissen, was überhaupt ein Derby ist. Bei uns deutschen Spielern ist es diesbezüglich vielleicht ein bisschen anders. Dennoch machen in meinen Augen die Fans zu 90 Prozent ein richtiges Derby aus. Wenn sich da beispielsweise zwei Akteure auf dem Eis boxen und es kommt keine Reaktion von den Rängen – da fehlt einfach etwas! Das ist schlichtweg eine ganz andere Atmosphäre, die man als Eishockey-Spieler definitiv vermisst.
Dass die Zuschauer beim Eishockey eine große Rolle spielen, ist hinlänglich bekannt. Gerade bei Heimspielen wird das jeweilige Team emotional von den Fans getragen. Nachdem diese Unterstützung von „außen“ nun fehlt: Spielt die Eigen-Motivation sowie das „Pushen“ innerhalb des Teams jetzt eine noch größere Rolle?
Wohlgemuth: Ja schon, es ist auf alle Fälle eine komplett andere Situation. Wir wissen zwar, dass die Leute jetzt vor dem Fernseher sitzen, unsere Spiele anschauen und uns dort die Daumen drücken. Aber sie sind eben leider nicht im Stadion. Man muss da schon ein bisschen in sich gehen und darüber nachdenken. Bei den ersten Vorbereitungs-Partien war das sicherlich noch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch mittlerweile, seit die DEL-Saison begonnen hat, ist das eigentlich kein Thema mehr. Wir sind voll motiviert und wollen jedes Spiel gewinnen – sowohl für uns als auch für die Fans.
Sie selbst absolvieren derzeit Ihre dritte Saison in der DEL beziehungsweise beim ERC Ingolstadt. In diesem Zeitraum haben Sie einen beeindruckenden Aufstieg hingelegt. Wie hat sich Ihre Rolle und auch Ihr Standing innerhalb des Teams mittlerweile verändert?
Wohlgemuth: Ich denke, dass ich mir bislang in jedem Jahr ein Stück mehr an Vertrauen, Privilegien und weiteren Dingen, die nicht unbedingt selbstverständlich sind, erarbeitet habe – sei es beim Trainer, der gesamten Organisation oder auch meinen Mannschaftskollegen. Ich hoffe natürlich, dass es so bleibt und meine persönliche Entwicklung weiter nach oben geht.
Panther-Sportdirektor Larry Mitchell hat in einem Interview mit unserer Zeitung betont, dass das Panther-Team 2020/2021 seine auf dem Papier stärkste Mannschaft sei, seit er in der DEL tätig ist. Würden Sie auch sagen, dass es sich um den besten Kader handelt, seit Sie beim ERCI sind?
Wohlgemuth: Meines Erachtens hängen solche Vergleiche auch immer mit den anderen Teams in der Liga zusammen. Sprich: Wenn zum Beispiel das Niveau in der Liga allgemein sehr hoch ist, kann die eigene Kader-Stärke „nur“ mittelmäßig sein. Anders würde es dagegen aussehen, wenn die gegnerischen Mannschaften nicht so gut aufgestellt wären. Grundsätzlich bin ich aber schon auch der Meinung, dass wir bislang in jedem Jahr, seit ich in Ingolstadt bin, eine sehr talentierte Truppe hatten beziehungsweise in dieser Saison – zumindest schon einmal auf dem Papier – sogar noch etwas besser aufgestellt sind. Ob es dann tatsächlich die beste Mannschaft war, wird man erst am Saisonende sehen. Letztlich müssen immer viele Dinge zusammenpassen, um erfolgreich zu sein.
Im Jahr 2021 wird es für Sie persönlich eine ganz neue Erfahrung geben: Sie gehen erstmals in Ihr letztes Vertragsjahr als DEL-Profi. Wie nehmen Sie diese bislang ungewohnte Situation wahr?
Wohlgemuth: Nachdem ich ganz gut weiß, was ich auf’s Eis bringen kann, bin ich die meiste Zeit eigentlich schon ziemlich entspannt. Dennoch gibt es sicherlich auch Phasen, in denen man sich dann doch seine Gedanken macht, da es bis zum Saison- beziehungsweise Vertragsende nur noch einige Monate sind. Man denkt schon hin und wieder darüber nach, wo das Ganze in den nächsten drei oder vier Jahren hinführen könnte. Was das betrifft, bin ich aber sicherlich kein Einzelfall. Im Gegenteil, das wird jedem Spieler, dessen Vertrag ausläuft, genauso gehen. Als Profi gehört das einfach dazu und wird sich über die gesamte Karriere ziehen.
Konkret gefragt: Können Sie sich eine längerfristige Zukunft beim ERC Ingolstadt vorstellen?
Wohlgemuth: Ich habe mich in den bislang über zwei Jahren, seit ich beim ERC Ingolstadt bin, immer sehr wohlgefühlt. Damals bin ich als 18-jähriger junger Erwachsener hierher gekommen und habe mich seitdem auch menschlich deutlich weiterentwickelt. So etwas wirft man dann auch nicht so einfach weg. Wenn man in einer solchen Phase tatsächlich zu der Überzeugung kommt, den Verein wechseln zu wollen, ist das definitiv eine große Entscheidung. Ich kann mir auf alle Fälle vorstellen, weiterhin beim ERC Ingolstadt zu bleiben. Aber letztlich spielen hier viele Faktoren eine Rolle.
Lassen Sie uns abschließend noch auf die Gegenwart blicken. Die Ingolstädter Panther bekommen es nun nacheinander mit den „Top Drei“-Teams der vergangenen Saison, Straubing, Mannheim und München, zu tun. Welche Aussagekraft werden diese Duelle haben?
Wohlgemuth: Schon eine sehr hohe! Wenn man sich die Tabelle anschaut, dann kommen ja in den beiden Siebener-Gruppen nur vier Teams in die Play-offs. Es ist jetzt auch kein Staatsgeheimnis, dass gerade Mannheim und München sehr gut Eishockey spielen können (lacht). Zudem ist es bekannt, dass Spiele gegen Straubing immer eine extreme Herausforderung sind. Diese Partien werden zeigen, ob wir jetzt schon in der Lage sind, ganz oben im Klassement mitzumischen. Danach haben wir gegen alle sechs Gegner einmal gespielt und wissen, wo wir leistungsmäßig stehen.
Die Diskussion ist geschlossen.