ERC Ingolstadt wirft Frankfurter Löwen raus
Was für eine Vorarbeit, was für ein Schuss, was für eine Energieleistung und Charakterstärke, was für eine Stimmung! Die Belohnung: Der ERC Ingolstadt ist im Halbfinale der DEL-Play-Offs. Von Dirk Sing
Was für eine Vorarbeit (Thomas Greilinger), was für ein Schuss (Matt Hussey), was für eine Energieleistung und Charakterstärke (ERC Ingolstadt), was für eine Stimmung (Panther-Fans)! Die hochverdiente Belohnung: Der ERC Ingolstadt seit der Saison 2004/2005 wieder im Halbfinale der DEL-Play-Offs.
Zwei Tage nach dem großartigen 4:1 (1:0, 2:1, 1:0)-Erfolg bei den Frankfurt Lions kamen die Schützlinge von Cheftrainer Greg Thomson gestern Nachmittag in der mit 4815 Zuschauern ausverkauften Saturn-Arena in einem dramatischen Match zu einem 3:2 (0:2, 0:0, 2:0, 1:0)-Sieg nach Verlängerung und entschieden damit diese "Best of five"-Serie zu ihren Gunsten. Den entscheidenden Treffer in der "Overtime" erzielte dabei nach exakt 7.15 Minuten Center Matt Hussey auf herrliches Zuspiel von Thomas Greilinger. Auf den die Schanzer in der Runde der letzten Vier treffen, stand auch gestern noch nicht fest, da die beiden Viertelfinal-Partien Berlin gegen Augsburg und Hannover gegen Nürnberg erst im fünften Duell (Mittwoch) entschieden werden. Sollten die Eisbären gewinnen, würden die Panther ab dem kommenden Freitag auf den Titelverteidiger treffen. Bei einer Pleite Berlins ginge es gegen den Sieger der Begegnung Scorpions gegen Ice Tigers.
Den Spielern, Verantwortlichen und ERCI-Anhängern war es gestern um Punkt 17.26 Uhr freilich egal, wie der nächste Gegner im Semifinale sein würde. Sie verwandelten die Saturn-Arena in ein einziges Tollhaus, als Matt Hussey ein fantastisches Zuspiel seines Sturmpartners Thomas Greilinger mit einem satten Schuss im Kasten von Lions-Schlussmann Ian Gordon zum letztlich verdienten 3:2-Siegtreffer verwandelte. "Nachdem ich mir zuvor kaum eine Chance herausarbeiten konnte, dachte ich mir: Probier's einfach mal und halte drauf. Als der Puck dann im Netz zappelte, war ich natürlich überglücklich", erklärte Hussey, der in den vorangegangenen 67 Minuten mit seiner Truppe eine regelrechte "Achterbahnfahrt der Gefühle" erlebt hatte.
Gäste kämpfen verbissen um ihre letzte Chance
Denn vor allem in den ersten 40 Minuten brachten die Schanzer gegen die hoch konzentriert und effektiv agierenden Hessen, die verbissen um ihre letzte Chance kämpften, kaum einen Schlittschuh aufs Eis. "Ich denke, dass uns in dieser Phase auch die Nerven einen Streich gespielt haben", so ERCI-Coach Greg Thomson, der in Durchgang Nummer eins die beiden Gegentore von Blanchard (6.) und Jeff Ulmer (10./bei "Fünf gegen Drei") zur Kenntnis nehmen musste. Auch danach waren die Lions - allerdings auch des Öfteren "tatkräftig" von den beiden Referee Rick Looker (auffällig: aus acht Partien mit Ingolstädter Beteiligung, die Looker in dieser Saison bis dato leitete, gingen die Schanzer nur einmal siegreich hervor - am 18. Oktober 2009 beim 5:1 in Düsseldorf) und Stephan Bauer, die sich alles andere als Heimschiedsrichter erwiesen, zunächst ihrem dritten Treffer näher als Ingolstadt dem Anschluss. Doch Glück sowie ein erneut starker Dimitri Pätzold zwischen den Pfosten verhinderten den wohl vorzeitigen Knock-out.
Überragender Wren gibt Initialzündung
Was das Thomson-Team dann allerdings ab dem dritten Drittel auf die Eisfläche der Saturn-Arena fabrizierte, genießt allergrößte Hochachtung. "Ich habe den Jungs in der zweiten Pause gesagt, dass wir aufgrund des 0:2-Rückstands nichts mehr zu verlieren haben und befreit aufspielen können. Und genau das hat die Mannschaft dann gemacht", so Thomson. Initialzündung war dabei freilich das frühe 1:2 exakt 60 Minuten nach Wiederbeginn durch den in den Play-Offs überragenden Bobby Wren, der erst am vergangenen Donnerstag sein 1000. Profi-Eishockey-Match absolviert hatte.
Die Panther waren plötzlich zurück in dieser Begegnung und witterten ihre Chance - und das mit Erfolg. Immer wieder angetrieben vom heimischen Publikum war es dann Rick Girard, der einen von der Bande zurückprallenden Puck aus kurzer Distanz zum 2:2-Ausgleich über die Linie drückte (49.). Unfassbar, innerhalb von acht Minuten hatte der ERCI ein bereits verloren geglaubtes Spiel wieder gedreht. Und als dann auch noch der "große Auftritt" von Matt Hussey in der Verlängerung kam, war das "Panther-Glück endgültig perfekt.
Spiel 4 (Ostermontag): ERC Ingolstadt: Pätzold - Clymer, Hambly; Ficenec, Ryan; Bakos, St. Jacques; Daschner - Waginger, Hussey, Greilinger; Bouck, Kavanagh, Corazzini; Girard, Wren, Motzko; Martens, Goodall, Walsh. - Tore: 0:1 Blanchard (6.), 0:2 Ulmer (10.), 1:2 Wren (42.), 2:2 Girard (49.), 3:2 Hussey (68.). - Zuschauer: 4815 (ausverkauft).
Spiel 3 (Ostersamstag): ERC Ingolstadt: Pätzold - Clymer, Hambly; Bakos, Ryan; Ficenec, Daschner - Waginger, Hussey, Greilinger; Bouck, Kavanagh, Corazzini; Girard, Wren, Motzko; Martens, Goodall, Walsh. - Tore: 0:1 Corazzini (17.), 0:2 Motzko (26.), 1:2 Oppenheimer (29.), 1:3 Motzko (32.), 1:4 Wren (44.). - Zu: 7000.
Stimmen zum Spiel:
Greg Thomson (Trainer ERC Ingolstadt): "Nach dem 0:2-Rückstand hatte ich schon etwas Bedenken, ob wir dieses Match noch drehen können. Aber meine Mannschaft hat auch heute wieder einen unglaublichen Charakter bewiesen und sich diesen Erfolg mit unglaublichem Einsatz verdient. Gerade in der Verlängerung war es eine Frage der Zeit, bis wir den Siegtreffer erzielen. Ich bin heute sehr, sehr glücklich und stolz auf das gesamte Team. Gegen wen es jetzt im Halbfinale geht, interessiert mich heute ehrlich gesagt nicht. Wir genießen den Moment und bereiten uns dann ab Mittwoch auf die Runde der besten vier Mannschaften vor."
Jim Boni (Sportdirektor ERC Ingolstadt): "Ein großes Kompliment an Greg Thomson und die gesamte Mannschaft, die gezeigt hat, welch tollen Charakter sie besitzt. Wir gehören jetzt zu den besten vier Teams in Deutschland - eine beeindruckende Leistung! Egal, was jetzt noch kommt: Ich denke, dass wir in Ingolstadt die Wende geschafft haben. Wichtig wird es aber auch künftig sein, dass wir keine Angst zu verlieren, aber Freude zum Gewinnen haben."
Bob Wren (Stürmer ERC Ingolstadt): "Ich muss zugeben, dass das heute einer der emotionalsten Augenblicke in meiner bisherigen Karriere war und ich nach der Schlusssirene vor lauter Freude weinen musste. Wir haben ein unglaubliches Team, das sich diesen grandiosen Erfolg absolut verdient hat. Ich genieße es jeden Tag, mit den Jungs zusammen zu sein und gemeinsam Eishockey zu spielen. Ich bin mir sicher: Mit dieser Mannschaft können wir noch weitere große Erfolge feiern."
Pat Kavanagh (Stürmer ERC Ingolstadt): "Was für ein geiler Tag! Nachdem es im Play-Off-Viertelfinale gegen meinen letztjährigen Klub, bei dem es für mich nicht sonderlich gut lief, ging, war ich natürlich besonders motiviert. Und das wir diese Serie nun zu unseren Gunsten entscheiden konnten, macht mich überglücklich. Ich denke, dass ich Bobby Wren ein paar Kästen Bier als Dankeschön ausgeben muss. Gerade er hat mit seiner Reihe einen unglaublichen Job gemacht und war hauptverantwortlich für unser Weiterkommen."
Matt Hussey (Stürmer ERC Ingolstadt): "Ich bin überglücklich. Es war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich in den Play-Offs in der Verlängerung das Siegtor erzielt habe - ein unbeschreibliches Gefühl! Wir haben uns diesen Erfolg aber auch hart erarbeitet und somit auch verdient. Die Saison ist damit freilich noch längst nicht beendet. Im Gegenteil, wir sind jetzt hungrig nach mehr und greifen ab Freitag wieder voll an. Dirk Sing
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