Sheddens Geniestreich
Den Meister besiegen, zum achten Mal hintereinander gepunktet und ein Spielzug aus der Trickkiste: Nach einem schwachen Auftakt „beißen“ sich die Panther gegen Mannheim zurück und gewinnen mit 4:3. Heute zu Gast in Bremerhaven
Am Ende sprachen alle nur noch über „den Spielzug“. Sogar Pavel Gross, Erfolgstrainer, Taktikfuchs. Einer, dessen Notizheft wahrscheinlich dicker ist als die Bibel. „Das kann man sich abgucken“, lobte der Trainer der Adler Mannheim nach einem aufreibenden Samstagabend.
Wie bei jeder Overtime hatte sein Gegenüber, Doug Shedden vom ERC Ingolstadt, seinen besten Bullyspieler auf’s Eis geschickt: Brett Olson gewann das Anspiel. Kollege Maury Edwards zog sich ins eigene Drittel zurück, um kontrolliert aufbauen zu können. Dann der Kniff: Olson fährt zur hinteren Bandentür und wechselt, vorne sprintet Mike Collins auf’s Eis. „Ich habe aufgeschaut und da kam auf einmal Mikey von der Bande“, erzählt Edwards. „Das ist schwer zu verteidigen. Wenn jemand pennt, bekommst du Probleme“, erklärt Shedden. Mannheim pennte (in Person von Mark Katic) – und bekam Probleme! Collins enteilte und verwandelte die Saturn-Arena mit seinem Schlenzertor in ein „Irrenhaus“.
Um den amtierenden Meister am Ende mit 4:3 (1:2, 1:1, 1:0, 1:0) zu schlagen, hatte Shedden ganz tief in die Trickkiste und auch in sein Gedächtnis gegriffen: Shedden hatte jenen ominösen Spielzug schon in der Schweiz angewandt, dann wieder vergessen, bis Bremerhaven ihn einmal damit austrickste. „Natürlich ist das einstudiert. Aber das muss ja jetzt nicht ganz Deutschland wissen“, witzelte er nach der Partie, sichtlich erleichtert.
Ingolstadts Goalie Jochen Reimer pariert glänzend
Schließlich hatte Shedden bange Momente zu überstehen. Dreimal traf Mannheim das Gestänge. Oder in der 49. Minute: Panther-Verteidiger Ville Koistinen hätte in Überzahl des Öfteren schießen müssen – und tat es dann genau im falschen Moment! Mannheims Ben Smith blockte, Koistinen foulte ihn zweimal. Die Adler bekamen einen Penalty und zwei Minuten Überzahl. Doch ERC-Keeper Jochen Reimer (Timo Pielmeier fühlt sich nach seinem Cut bei Belastung noch schwindlig und pausierte deshalb) parierte glänzend gegen Smith. Ingolstadt opferte sich in Unterzahl auf, weiter nur 2:3. Im Kabinentrakt werden Spieler und Trainer später vom „Schlüsselmoment“ sprechen.
Vor allem in den ersten zehn Minuten hatte Ingolstadt (ohne die überzähligen Brett Findlay und Petr Taticek), dafür nach positivem MRT-Ergebnis und mit heiler Schulter überraschend mit Simon Schütz, massive Probleme im eigenen Drittel. Mannheim drückte früh auf die Panther-Verteidigung. Ein kontrollierter ERCI-Aufbau war nicht existent. Und so war Tommi Huhtalas Abstauber-Tor zum 0:1 in der elften Minute mehr als verdient.
ERC Ingolstadt geht mit Rückstand in die Kabine
In ihrer ersten Druckphase schlugen die Gastgeber zurück: Einen Schuss von der blauen Linie ließ Adler-Goalie Dennis Endras prallen. David Elsner drückte den Puck zum Ausgleich über die Linie (14.). Es war der 100. Panther-Treffer der Saison. Und doch ging Ingolstadt mit einem Rückstand in die Kabine: Reimer rettete noch per Hechtsprung gegen Borna Rendulic (17.) und per Fanghand gegen Andrew Desjardins (20.). Einen von Nico Krämmer abgefälschten Schuss konnte er 15 Sekunden vor Drittelende aber nicht parieren.
Weil Mannheim zweimal regelwidrig hakte, bekam Ingolstadt die große Gelegenheit zum Ausgleich: 1:21 doppelte Überzahl, die Saturn-Arena auf den Beinen. Die Scheibe kommt hoch zu Kris Foucault. Der legt sie nochmals rüber auf Maury Edwards. Und der trifft zum siebten Mal in den vergangenen acht Partien in den Winkel (32.). „Was soll man über ihn noch sagen? Wow!“, flötete Shedden. Was er vor der Partie gegen Mannheim auch zum Besten gab: „Wen willst du da ausschalten? Die haben vier großartige Linien. Aber vor allem die Reihe um Desjardins ist groß und stark.“ Und vor allem die Reihe um eben jenen Desjardins stellte Ingolstadt immer wieder vor Probleme. Dustin Friesen gewann erst einen Zweikampf hinter dem eigenen Tor, spielte dann aber einen tödlichen Aufbaupass. Phil Hungerecker sah Desjardins – und schon wackelte das Netz zum 2:3 (38.).
Panther-Stürmer D'Amigo erzielt den Ausgleich
Ingolstadt kam dennoch mit Feuer aus der Kabine, drückte vor allem im brandgefährlichen Powerplay auf den Ausgleich. Dann, noch so ein Schlüsselmoment, musste Foucault vier Minuten vor Schluss auf die Strafbank. Wieder war das „exzellente Unterzahlspiel“ (Shedden) zur Stelle. Foucault kam auf’s Eis zurück, bediente Jerry D’Amigo im Konter – 3:3 kurz vor Schluss! „In dieser Kabine lehnt sich keiner zurück. Wir sind eine Gefahr gerade“, so der Ausgleichs-Torschütze. Ingolstadt sicherte sich seinen achten Punktgewinn hintereinander. Es ging in die Verlängerung, genau 12 Sekunden lang. Dann schlug Shedden sein Taktikschnippchen. Und Gross hatte einen neuen Eintrag für sein Notizbuch.
ERC Ingolstadt: Reimer – Wagner, Koistinen; Edwards, Sullivan; Friesen, Jobke; Schütz – Detsch, Bailey, Mashinter; Simpson, Olson, Collins; Foucault, Wohlgemuth, Elsner; D’Amigo, Olver, Höfflin – Tore: 0:1 Huhtala (11.), 1:1 Elsner (14.), 1:2 Krämmer (20.), 2:2 Edwards (32./PP2), 2:3 Desjardins (38.), 3:3 D’Amigo (58.), 4:3 Collins (61.) – Zuschauer: 4815 (ausverkauft).
Am Montag in Bremerhaven: Lange zeit zum Ausruhen oder Feiern haben die Panther freilich nicht. Am Montagabend (19.30 Uhr) steht in Bremerhaven das letzte Punktspiel im Jahr 2019 auf dem Programm.
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