Jetzt aber wirklich, also von wegen: Woche der Wahrheit. Die wurde beim FC Bayern in dieser Saison schon häufiger ausgerufen. Beispielsweise vor den Play-off-Spielen in der Champions League gegen Glasgow. Oder vor dem Dreierpack gegen Leverkusen. Die Losung riefen allerdings nicht die Münchner selbst aus, sondern immer Fans, Analysten und allerhand Grobzeug, das sein Geld mit Sport verdient. Seit Jahrzehnten werden mit der Woche der Wahrheit (die als Verstärkung auch noch in den Plural gesetzt werden kann) Spiele mit besonderer Bedeutung hervorgehoben. Meist geht es im letzten Saisondrittel um Wahrheiten aller Art. Oftmals auch um bittere.
Partien gegen den FC Augsburg taugen normalerweise aus Münchner Sicht nicht, um reichlich bedeutungsschwanger daherzukommen. Zwar tun sich die Oberbayern von jeher schwer gegen die widerspenstigen Schwaben, auf den Ausgang im Titelrennen hatte die Paarung allerdings nur selten Auswirkung. Diesmal allerdings müssen sich die Münchner eines bislang noch zaghaften Angriffs der Leverkusener auf die Tabellenspitze erwehren. Sechs Punkte beträgt bislang der Vorsprung. Sollten die Münchner nun aber am Freitag in Augsburg verlieren – so viel Mathematik versteht jeder Bundesligaprofi.
Nach dem FC Augsburg wartet Inter Mailand auf den FC Bayern
Für die Bayern ist das Auswärtsspiel allerdings nur der Auftakt in eine Reihe von Partien, die im Nachgang möglicherweise darüber entscheiden, ob die Saison aus Sicht der Münchner als gute zu gelten hat. Nach dem Kurztrip zum FCA stehen die Viertelfinal-Spiele in der Champions League gegen Inter Mailand an. Diese wiederum nehmen in ihre Mitte das immer emotionale Duell gegen Borussia Dortmund. Gewinnen die Münchner beide Ligaspiele, wäre ihnen die Meisterschaft bei dann nur noch fünf Partien und mindestens sechs Punkten Vorsprung kaum mehr zu nehmen. Dazu noch der Einzug ins Halbfinale der Königsklasse und selbst die hohen bajuwarischen Erwartungen an eine Spielzeit wären nicht mehr zu unterlaufen. Das Schöne am Fußball: Es kann freilich auch ganz anders kommen.
Für Trainer Vincent Kompany ist es die erste Saison im Münchner Spannungsfeld. Er hätte sich gewiss eine andere personelle Ausgangssituation gewünscht, um diese bedeutsamen Spiele zu bestreiten. Allerdings fallen nun mal Dayot Upamecano, Alphonso Davies, Hiroki Ito und Kingsley Coman aus. „Es ändert nichts für uns, es gibt keine Ausrede“, fahndete der Trainer zielsicher nach einer der Situation angemessenen Phrase. Selbstverständlich ändert es etwas im Spiel der Münchner, wenn statt des schnellen Davies Raphael Guerreiro oder der eher defensiv denkende Josip Stanisic über die linke Seite spielen. Kompany aber wehrte sich in der Pressekonferenz vor dem Spiel intensiv gegen die umher schwirrenden Ahnungen, die Augsburger wären eine herausragende Spitzenmannschaft, gegen die es fast kein Mittel gebe. Schließlich haben sie elf Spiele in Folge nicht verloren und stellen im Kalenderjahr 2025 immer noch die beste Abwehr aller europäischen Top-Ligen. „Wir wissen: Wir bekommen immer unsere Möglichkeiten. Hoffentlich machen wir das Tor, vielleicht verändert sich dann die Dynamik des Spiels“, so der Trainer.
Man kann nicht so langfristig planen.
Vincent Kompany, Trainer des FC Bayern
Für ihn mache es die Aufgabe leichter, dass die Augsburger zuletzt durch ihre Leistungen in den öffentlichen Fokus gerückt sind. Er müsse dann nicht sagen, „wie gut die sind, das versteht jeder.“ Wie gut im Anschluss die Mailänder sind, wissen seine Spieler auch. Dass sie sich deswegen in der Bundesliga schonen, befürchtet der Coach nicht. Er selbst hatte aber vor ein paar Wochen einen langfristigen Plan erarbeitet, der kurz darauf passé war. „Ich hatte mal Zeit und habe mir Gedanken gemacht, wie wir das die nächsten achte Spiele machen wollen – und dann hast du die Verletzten. Man kann nicht so langfristig planen“, sagt Kompany. Ein Spiel nach dem anderen. Woche für Woche. Am Ende der Saison wird dann abgerechnet. Wenn Uli Hoeneß, Max Eberl, Herbert Hainer und Jan-Christian Dreesen zusammen über die Spielzeit sprechen: Das ist die Stunde der Wahrheit.
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