Die Puppenkiste ist geschlossen
Für den FCA ist im Viertelfinale des DFB-Pokals mit dem 1:2 gegen Leipzig Endstation. Unglücksrabe Michael Gregoritsch war untröstlich. Sein Fauxpas passt in seine durchwachsene Saison
Es war weit nach Mitternacht, als Michael Gregoritsch die Spielerkabine im Bauch der WWK-Arena verließ. Er war einer der letzten Profis des FC Augsburg, der sich auf den Nachhauseweg machte. Die Augen des Österreichers waren immer noch gerötet.
Es schien als hätte er eine Stunde zuvor seine Tränen auf dem Platz nicht mehr zurückhalten können. Als Schiedsrichter Tobias Stieler das Pokalviertelfinale zwischen dem FC Augsburg und RB Leipzig abgepfiffen hatte und der FCA mit einem denkbar unglücklichen 1:2 nach Verlängerung ausgeschieden war, sank er untröstlich zu Boden.
Gregoritsch spielte nämlich die Hauptrolle in einem Stück, das die FCA-Fans auf der Ulrich-Biesinger-Tribüne mit einer tollen Choreografie eingeleitet hatten. Der Kasperl, die Kult-Marionette aus der weltberühmten Augsburger Puppenkiste, hielt dabei den DFB-Pokal in der Hand. Nur einmal, in der Saison 2009/2010, war der FCA dem Endspiel in Berlin so nahe gewesen wie am Dienstagabend. Damals unterlag der FCA im Halbfinale bei Werder Bremen.
Am Dienstag fehlten dem FCA 60 Sekunden und dann noch etwas Glück im Elfmeterschießen, um die Runde der letzten Vier zu erreichen. Doch dann unterlief Michael Gregoritsch ein unglaublicher Fauxpas. In der letzten Minute der Verlängerung stieg er wie so oft an diesem Abend zum Kopfball hoch, wollte zum letzten Mal klären, diesmal eine Freistoßflanke. Doch anstatt mit dem Kopf, klärte er deutlich sichtbar mit der Hand. Den fälligen und berechtigten Elfmeter verwandelte Marcel Halstenberg sicher zum 2:1-Siegtreffer für Leipzig.
Gregoritsch fand selbst fast zwei Stunden nach dem Spielende kaum Worte für seinen Blackout. „Scheiße. Ich habe es mir gerade angesehen. Man sieht, dass ich mit der Hand hingehe. Keine Ahnung, warum, ich kann es mir nicht erklären. Wahnsinn. Es tut mir unglaublich leid für die Mannschaft und für die Fans. Es war unglaublich. Ja. Was soll ich sagen.“
Dann nahm er noch einmal Anlauf, um sich zu erklären: „ Ich habe vorher schon viele Kopfbälle gewonnen und wollt den Ball auch noch wegköpfen und war in diesem Moment vielleicht zu übermotiviert.“ Dass ihm so etwas passieren könnte, war für ihn bis dahin undenkbar: „So eine Szene habe ich schon 500-mal, 1000-mal gesehen und hab mir jedes Mal gedacht, boah, wie kann man des machen, wie kann man so hingehen, wie kann man so einen dummen Fehler machen. Jetzt ist er mir selbst passiert. Ich hoffe, dass es das letzte Mal war.“
Auf dem Spielfeld war er untröstlich. Dass ihn Torhüter Gregor Kobel in die Arme genommen hatte, dass ihn sogar die Leipziger Spieler Matheus Cunha und Timo Werner aufrichten wollten, bekam er gar nicht so richtig mit. Genauso wenig wie die Tumulte um ihn herum: „Da hab ich nichts mitbekommen. Kopf runter, weg.“
Das Pokalspiel war ein Spiegelbild der Saison des österreichischen Nationalspielers. Das zweite Jahr in Augsburg, sein Vertrag läuft noch bis 2022, verläuft in Auf und Ab. Spiele, in denen er kaum zur Geltung kam und fast wie ein Fremdkörper wirkte, wie in Freiburg oder in Nürnberg, wechseln mit Spielen wie gegen Leipzig ab. Kämpferisch überzeugend stellte er sich in den Dienst der Mannschaft und agierte in der Endphase als defensiver Mittelfeldspieler. Hängen bleiben wird wohl nur sein Fauxpas.
Auch die Zahlen sind eindeutig. Während er in der vergangenen Spielzeit mit 13 Toren und vier Vorlagen gehörigen Anteil an den Erfolgen des FC Augsburg hatte, setzt er in dieser Runde weit weniger Offensivimpulse. Drei Treffer und eine Vorlage stehen derzeit zu Buche.
Doch alleine an der Statistik will er sich nicht messen lassen: „Dieses Jahr habe ich einfach nicht das Glück. Ich weiß nicht, warum. Mir wurden vom Video-Schiedsrichter schon vier oder fünf Tore zurückgenommen, ich hab mehrmals den Pfosten getroffen.“ Er versuche der Mannschaft anders zu helfen. „Ich will mich einfügen, Gas geben. Zeitweise gelingt es sehr gut, teilweise mittelmäßig, teilweise gelingt es nicht gut.“
Am Dienstag war ihm nichts vorzuwerfen. Er gab alles, seine Mitspieler versuchten ihn aufzubauen. Offensivspieler André Hahn erklärte: „Gregerl ist untröstlich. Ihm geht das sehr nahe. Das ist jetzt passiert und kann man nicht mehr ändern.“ Trainer Manuel Baum sah in Gregoritsch „ein Häufchen Elend. Das war ein Fehler aus Leidenschaft. Der ist verzeihlich. Wir müssen ihn jetzt aufbauen.“
Bis Sonntag (15.30 Uhr) hat er dazu Zeit. Dann kommt die TSG 1899 Hoffenheim nach Augsburg. Ligaalltag, Abstiegskampf. Im DFB-Pokal ist die Augsburger Puppenkiste seit Dienstag geschlossen.
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