Ausgepowert sinken die Drittklässler der Löweneck-Grundschule zu Boden. Nach dem ausgelassenen Ballspiel in der Turnhalle heißt es nun ausatmen, ruhig werden und zuhören. Denn die beiden Jugendtrainer des FC Augsburg, Tobias Hartmann und Jonas Lotter, die gerade noch sportliche Anweisungen gegeben haben, lesen zum Schluss der Stunde ein Kapitel aus dem Buch „Vom kleinen Eisbären, dem es zu warm geworden ist“ vor. Wie der kleine Eisbär dürften sich auch die knapp 20 Mädchen und Jungs fühlen, die nun verschwitzt und mit roten Backen dasitzen, und dennoch ganz aufmerksam den Worten ihrer Trainer folgen. „Das macht Spaß. Es ist cool, dass der FCA unser Partner ist. Ich habe dabei ganz viel gelernt“, erzählt der neunjährige Zaid, dessen Lieblingsspieler der FCA-Stürmer Samuel Essende ist. Seine Klassenkameradin Selena wollte im Sportunterricht besser werden und kann jetzt mit ihren Freunden beim Fußballspielen mithalten. „Der FCA hilft mir da echt viel dabei“, sagt sie.
„Ballschule trifft Lese-Insel“ – so heißt das innovative Projekt, an dem diese dritte Klasse der Löweneck-Schule teilnimmt. Dafür haben sich der Fußball-Bundesligist FC Augsburg, der Verein Freunde der Stadtbücherei Augsburg und die Stadt zusammengetan. Angetrieben von dem Wunsch, Kindern in spielerischer Weise die Begeisterung für Bewegung und Bildung zu vermitteln. Welche Außenwirkung das erst vor zwei Jahren ins Leben gerufene Projekt jetzt schon hat, zeigte sich im März, als der FC Augsburg dafür mit dem renommierten Sepp-Herberger-Preis in der Kategorie „Schule und Verein“ ausgezeichnet wurde.
FCA hat weiterhin eine tiefe Beziehung zu seinem Heimat-Stadtteil Oberhausen
In sechs Schulen und vier Kitas in Augsburg bietet der FCA bereits seine Ballschule an, allein vier der sechs Schulen sind in Oberhausen, der „Heimat des FC Augsburg“. Der Verein ist in diesem sozial herausfordernden Stadtteil tief verwurzelt, hatte an der Donauwörther Straße früher seine Geschäftsstelle und die Trainingsplätze der Profis, heute steht dort das Nachwuchsleistungszentrum, die Paul-Renz-Akademie.

Der Wunsch, in die Schulen zu gehen und sich als Motivator und Aktivator für Kinder zu engagieren, sei im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des FCA erfolgt, berichtet Felix Jäckle, Leiter der entsprechenden Stabsstelle beim Fußball-Bundesligisten. „Es geht hier nicht darum, das nächste Talent für unser Nachwuchsleistungszentrum zu finden“, betont Jäckle, „wir wollen niederschwellige Bewegungsangebote schaffen und die emotionale Strahlkraft des FCA nutzen, um Kinder für Themen zu begeistern, für die sie ansonsten nicht so offen sind.“ Das Lesen etwa. Die Ballschule des FCA gibt es schon seit Längerem, 2023 folgte dann die Zusammenarbeit mit den Freunden der Stadtbücherei und die Kooperation mit den Lese-Inseln.
Augsburgs Bürgermeisterin Martina Wild ist dankbar für diese Initiative, die nachhaltig dazu beitrage, Kinder in diesem Stadtteil zu fördern. „Es ist uns wichtig, den Horizont über die klassische Schule hinaus zu richten und mit vielen Angeboten und Trägern an den Schulstandorten in Oberhausen nicht nur präsent zu sein, sondern Kooperationen wirkunsvoll umzusetzen“, so Wild. Sprach- und Leseförderung sei dabei ebenso ein Kernthema wie Bewegung.
Gelesen wird im Sportunterricht alles, was Spaß macht – auch der FCA-Stadionkurier
Hier setzt dann auch das Projekt „Ballschule triff Lese-Insel“ an, das bisher an der Löweneck-Grundschule und der Grundschule Oberhausen-Mitte realisiert wurde. Nicht nur, dass am Ende der FCA-Sportstunde vorgelesen wird, die Kinder präsentieren ihren Trainern auch in regelmäßigen Abständen Bücher, die sie in Zweierteams gelesen haben. Der Anreiz, die Aufgabe durchzuziehen, ist groß: zwei FCA-Tickets und ein personalisiertes Trikot warten als Lohn der Anstrengung am Ende des Schuljahres auf jedes Kind. „In vielen Familien wird gar nicht vorgelesen. Wenn doch, sind es meistens die Mütter. Wenn hier dann die coolen Trainer des FCA vorlesen, ist das eine Möglichkeit, auch die Jungs besser zu aktivieren“, hat Löweneck-Konrektorin Tanja Sanchez-Kuhlmann festgestellt, dass sich bei den Kindern das Interesse am Buch und am Lesen verändert. Nicht zwangsläufig müssen es Sportbücher sein, alles, was interessiert, darf mit in die Übungsstunde. Gemeinsam mit der Leiterin der Stadtbücherei und der Lehrerschaft wird die Lektüre ausgewählt, anfangs meist einfache Texte, später dann auch schon mal der Stadionkurier, das Spieltagsheft des FCA, oder eine Spielerbiografie.
Nur an 13 von 40 Augsburger Schulen gibt es bisher eine Lese-Insel
Dank des FCA, Sponsoren und finanzieller Unterstützung der Stadt, etwa für die mediale Ausstattung der Schulbibliotheken und der Lese-Inseln, finanziert sich das Projekt. Knapp eine halbe Million Euro wurde über die Jahre von den Freunden der Stadtbücherei Augsburg bereitgestellt, berichtet deren Sprecher Kurt Idrizovic. Die Resonanz sei großartig, betont er, mehr als 30.000 Buchausleihen pro Jahr unterstreichen die Wirkung und Nachhaltigkeit der Lese-Inseln. Er bedauert allerdings, dass bisher nur 13 von 40 Augsburger Schulen überhaupt eine Lese-Insel hätten, die Kooperation mit der FCA-Ballschule noch weniger.
Entsprechend groß sei von allen Seiten der Wunsch, die preisgekrönte Kooperation auf noch mehr Klassen und Schulen der Stadt auszudehnen. In der Löweneck-Grundschule ist angedacht, das Projekt im nächsten Schuljahr vielleicht sogar auf alle dritten Klassen auszuweiten. Auch aus der Region seien erste Anfragen gekommen, sagt Felix Jäckle. Man würde gern größer werden, betonen alle Beteiligten, doch dafür brauche es noch mehr finanzielle Mittel und Strukturen, womöglich auch eine fest angestellte Kraft. Die 12.000 Euro aus dem Sepp-Herberger-Preis sind zumindest eine Starthilfe, dieses überzeugende Projekt weiter auszubauen.
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