Geschichte zeigt, dass Meisterfrage noch nicht gelaufen ist
Schon nach drei Spieltagen macht sich in der Fußball-Bundesliga Resignation breit. Die Bayern scheinen nicht zu schlagen zu sein. Allerdings beweist die Geschichte: Da geht noch was.
Welch’ Glück, dass der Sommerflirt kein Weihnachtsmann ist und erst recht kein Osterhase. Ansonsten wäre nun der Zeitpunkt gekommen, die Briefmarke auf die Spielzeit zu kleben und an den Archivar zu senden. Abzuheften unter "S" wie "Start-Ziel-Sieg". Mit dem 7:0 in Bochum hat der FC Bayern all jene bestätigt, die den Klub für der Bundesliga entwachsen halten. Der liebreizende Fußball entlockt neben Fans der Münchner wirklich nur noch Anhängern und Anhängerinnen des schönen Spiels ein verträumtes Lächeln. Die wenigsten aber verfolgen eine Partie, ohne die Sympathien einem der Teams angedeihen zu lassen. Daher werden die Treffer Leroy Sanés oder Sadio Manés möglicherweise ihren Weg in die Hochglanz-Werbung der auslandsvermarkteten Liga finden, nicht aber in den Festhirnplatten-Speicher derer, die sich nur dunkel an einen anderen Meister als den FC Bayern erinnern können.
Wer das aber kann, kann möglicherweise auch Optimismus aus dem Startrekord der Bajuwaren ziehen. Überhaupt, Startrekord: lächerlich. Drei Siege in drei Spielen gelangen zu Beginn einer Saison schon etlichen Mannschaften. 15 Tore dabei erzielt zu haben, spricht freilich für die Dominanz der Mannschaft. Allerdings ließen die Münchner in der Saison 1995/96 den ersten drei Siegen vier weitere im Anschluss folgen, sodass sie nach sieben Spieltagen bereits sieben Zähler Vorsprung auf Borussia Dortmund hatten. Nicht zu stoppen. Unbesiegbar. Superlative.
Beckenbauer sicherte immerhin den Cup der Verlierer
Uli Hoeneß hatte dem exquisiten Kader nach einer enttäuschenden Saison (kein Meister!) einige Preziosen spendiert. Den gravitätischen Sforza, den schlawinernden Herzog, schließlich noch mit Jürgen Klinsmann und Emil Kostadinow ein neues Sturm-Duo. Am achten Spieltag verloren die Münchner in Dortmund, am zwölften die Tabellenspitze und kurz vor Saisonende Otto Rehhagel seinen Job. Es blieb der Sieg im Cup der Verlierer, den witzigerweise Namensgeber Franz Beckenbauer als Ersatzcoach einheimste.
Herbert Hainer würde wohl eher nicht auf Julian Nagelsmann folgen, ansonsten aber sind die Spielzeiten durchaus miteinander zu vergleichen – zumindest, wenn der Sinn nach einem kleinen Mutmacher steht.
Dem entgegen steht freilich die derzeitige Form der als Herausforderer auserkorenen Teams. Zwar trennen den BVB nur deshalb drei Punkte von den Bayern, weil er auf irrwitzige Weise in der Schlussphase gegen Bremen ein 2:0 verspielte. Allerdings könnten die Dortmunder auch mit null Punkten am Tabellenende rangieren, wenn sie denn nicht an den ersten beiden Spieltagen von glücklichen Fügungen im Dutzend profitiert hätten. Des Weiteren: Leverkusen und Leipzig abgeschlagen.
Gleichwohl kann an den ersten Spieltagen der Saison keine Meisterschaft gewonnen werden. Verloren allerdings schon eher. Noch aber besteht Hoffnung. Unter anderem verkörpert durch die Gladbacher Borussia. Neuer Trainer, neue Struktur, neuer Erfolg – und seit Jahren Angstgegner der Bayern. Am Samstag gastiert die Mannschaft von Daniel Farke in München. Eine Niederlage der Münchner käme überraschend. Aber das kam sie 1995 auch. Ebenfalls in der vergangenen Saison gegen Villarreal oder Bochum (oder eben Gladbach). Die Bayern haben den Zufall über die vergangenen Jahre reduziert – nicht aber getilgt. Noch ist die Saison nicht entschieden. Und falls die Münchner auch noch Gladbach auseinander kombinieren: Schön ist es ja schon.
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