
Mann für den Phantomschmerz: Thomas Müller ist jetzt besonders wichtig


Thomas Müller war tragischer Held und strahlender Sieger. Er ist Klassensprecher und Außenminister – und gerade in der Partie gegen Paris von besonderer Bedeutung.
Vollkommen verständlicherweise ist in Vergessenheit geraten, dass Diego Contento in einem Champions-League-Finale von Beginn an auf dem Feld stand. Es ist nicht ehrabschneidend, wenn man behauptet, dass die fußballerische Klasse des Linksverteidigers nur in den wenigsten Jahren genügt hätte, um im wichtigsten der europäischen Klub-Wettbewerbe eine tragende Rolle einzunehmen. Vor elf Jahren aber musste Trainer Jupp Heynckes auf den gelbgesperrten David Alaba verzichten, sodass sich Contento gegen den FC Chelsea in der Startformation wiederfand. Im Nachgang der Partie spielte diese Tatsache keine Rolle. Zu erschütternd war das Drama, das die Münchner den Zuschauern beim Finale dahoam boten.
FC Bayern gegen PSG: Warum Thomas Müller besonders wichtig ist
Nun, beinahe elf Jahre später, erinnerte Thomas Müller vor der Partie gegen Paris (Mittwoch 21 Uhr, DAZN) daran, dass er schon eine "Vielzahl an Erlebnissen" in seiner Karriere gehabt habe. Die meisten davon verbinde er mit guten Erinnerungen, aber es haben eben auch "Schicksalsschläge" gegeben. Wie die Niederlage gegen Chelsea, als die Bayern nach einem späten Tor Müllers schon wie der Sieger ausgesehen hatten. Kopfball Drogba, Fehlschuss Robben, Schweinsteiger scheitert vom Punkt. Drama dahoam. Müller spielte damals eine Hauptrolle, er wird sie am Mittwoch wieder einnehmen. Contento, aber das nur nebenbei, hat am Dienstag seine Karriere offiziell beendet. Bis zum Sommer 2021 stand er in Sandhausen unter Vertrag, war seitdem vereinslos.
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Vor der Partie gegen Paris diskutieren Medienleute samt Fans hauptsächlich darüber, wie schwer der Ausfall Neymars wiegt. Wie Kylian Mbappé denn bitte zu stoppen sei? Mit Josip Stanisic? Diesem unauffälligen Wiedergänger Contentos? "Er ist gallig in den Zweikämpfen, schnell auf Strecke, fußballerisch gut und abgezockt. Ich glaube, dass er absolut bereit ist für die Aufgabe", sagt Müller dazu. Müller spielt immer. Müller behält oft recht.
War er in der Anfangszeit seiner Karriere noch ein herumstreunendes Phänomen auf dem Platz, ist er mittlerweile wahlweise Innen- oder Außenminister der Mannschaft, Klassensprecher ja sowieso. "Thomas ist eine Identifikationsfigur für jede Art von Job bei Bayern", sagte unlängst Uli Hoeneß bei einer Veranstaltung der Abendzeitung
. Der Ur-Bayer sei schon jetzt mehr als nur ein Fußballspieler beim Rekordmeister. Noch aber ist der hauptsächliche Job Müllers, das Angriffsspiel seines Teams zu bereichern, Kommandos zu geben, das Pressing auszulösen und seine Mitspieler mit Tatendrang anzustecken. Aber auch gleichermaßen Gelassenheit und Zuversicht auszustrahlen.
Kein Finale 2016: Als Thomas Müller mit einem Elfmeter scheiterte
Also führt er aus, dass er nach dem 1:0 im Hinspiel schon einen Vorteil für sein Team sieht. Dass er "guter Dinge" ist, den eigenen Matchplan durchzubringen. Dass man aber eben auch "das Quäntchen Glück" brauche, um sich durchzusetzen. Auch da kann Müller aus Erfahrung sprechen. 2013 gewannen die Bayern den Titel durch ein Tor Robbens kurz vor dem Schlusspfiff, 2020 hatte man gegen Paris im Finale einige knifflige Szenen zu überstehen. 2016 wiederum wäre der Finaleinzug verdient gewesen, Müller aber scheiterte mit einem Elfmeter an Atleticos Schlussmann Jan Oblak. Im Vergleich dazu wirkt ein Achtelfinale geradezu unbedeutend.
Für den weiteren Saisonverlauf aber nimmt diese Partie eine erhebliche Bedeutung ein. Nachdem die Münchner bereits 2021 im Viertelfinale an Paris gescheitert sind und vergangene Saison in der gleichen Runde an Villarreal, geht es um das Selbstverständnis der Bayern, sich zu den besten Mannschaften Europas zu zählen. Das Vertrauen in Julian Nagelsmann dürfte zudem kaum wachsen, sollte er mit seinem Luxuskader abermals vorzeitig ausscheiden. Mit seinem Klassensprecher verbindet den Coach seine Zuversicht. Für das "Duell zweier Topteams" sieht er seine Mannschaft gut präpariert. Zudem habe er eine "Idee entwickelt, die ihnen wehtun kann".
Teil dieser Idee ist höchstwahrscheinlich Thomas Müller, der schon so vielen Mannschaften Europas wehgetan hat. Immer wieder fragten sich die Teams danach, wie es denn dazu kommen konnte. Müller ist der Mann für den Phantomschmerz. Auf Pariser Seite hingegen sind die Waffen einfach auszumachen. Das große Geheimnis besteht darin, die ganz offensichtlich genialen Lionel Messi und Kylian Mbappé irgendwie zu stoppen. Für Müller hat der Franzose im Vergleich der beiden Superstars derzeit sogar Vorzüge. Der sei explosiv und treffe die richtigen Entscheidungen. Spiele nicht nur schön, sondern auch effektiv. "Das gefällt mir gut. Die ganze Welt schaut ihm gerne zu. Wir schauen nicht zu. Wenn unser Plan aufgeht, wird er nicht viel Spaß haben."
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