
Mehr Familie war nie: Die Zverevs als ziemlich geschlossene Gesellschaft

Die Familienband der Zverevs ist enorm stark - bei den French Open wird das so deutlich wie selten.
Als die Beziehung zwischen Alexander Zverev und seinem Chefanweiser Ivan Lendl vor knapp vier Jahren vor der Zerrüttung stand, wurde ein inzwischen denkwürdiger Spruch von Alexander Zverev senior publik. Der Papa, der zusammen mit Lendl in Ostblock-Zeiten manches Turnier gespielt hatte, verkündete gewissermaßen ein Machtwort: "Zwei Trainer sind einer zuviel", sagte der ehemalige russische Davis Cup-Akteur in kleiner Runde. Und meinte nicht etwa, er selbst sei zuviel an Bord und ziehe sich zurück. Die Worte galten Lendl, dem ehemaligen Weltranglisten-Ersten und Starcoach. Bald nach dem Zwischenruf von Vater Zverev war dann auch alles vorbei, Lendl verkündete seinen Rückzug - beim Heimauftritt von Zverev am Hamburger Rothenbaum.
Zwei Trainer sind einer zuviel. Das gilt in Zverevs schillernder Karriere längst nicht nur für die Causa Lendl. Die Liste prominenter Coaches, die kamen und gingen, ist mittlerweile lang bei dem deutschen Tennis-Familienbetrieb. Gerade erst erwischte es mit dem Spanier Sergi Bruguera einen weiteren ehemaligen Grand Slam-Champion, man habe "unterschiedliche Vorstellungen" über die weitere sportliche Entwicklung gehabt, sagte Zverev junior schon vor den French Open. Bei seiner inzwischen sehr erfolgreichen Rückkehr an den Schauplatz der letztjährigen Horror-Verletzung, in die Stadionanlage Roland Garros im Westen von Paris, hält nun einmal mehr Papa Zverev die Fäden fest in der Hand.

Für Zverev ist sein Vater "die wichtigste Bezugsperson im Tennis"
"Mein Vater wird irgendwie immer mein Trainer sein. Und die wichtigste Bezugsperson im Tennis", sagt Zverev dazu, "keiner kennt mich so gut wie er." Auch beim souveränen Drei-Satz-Achtelfinalsieg (6:1, 6:4, 6:3) gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov in der Abendvorstellung des Montags suchten Vater und Sohn immer wieder den Blickkontakt, kommunizierten in ihrer eingeschworenen Zeichensprache. Geht das Duo nun etwa erstmals bei einem Tennis-Major über die Ziellinie? In der Runde der letzten Acht jedenfalls sind die Zverevs, Spieler und Coach, erst mal in der Favoritenstellung gegen den ungesetzten Argentinier Tomas Martin Etcheverry (23).
Fast zehn Jahre nach dem Einstieg des jüngeren Sohnes auf die Profitour agieren die Zverevs mehr denn je wie eine geschlossene Gesellschaft – als Familienunternehmen, das am liebsten sich selbst vertraut. Besetzten früher noch Manager wie der Chilene Patricio Apey oder hochkarätige Trainer einflußreiche Positionen, bleibt heute alles im eigenen Betrieb. "Meine Familie – das sind eben die Menschen, denen ich rückhaltlos vertraue. Bei ihnen weiß ich, dass es nur um mich geht", sagt Olympiasieger Zverev, der es mit keinem Übungsleiter lange aushielt.
Nicht mit Juan Carlos Ferrero, dem French Open-Sieger und Ex-Weltranglisten-Ersten, der heute Supertalent Carlos Alcaraz betreut. Nicht mit David Ferrer, einem der größten Kämpfer der jüngeren Tennisgeschichte und Grand Slam-Finalisten. Nicht mit Sergi Bruguera, dem zweimaligen Roland Garros-König, der es in der Weltrangliste bis auf Platz 3 schaffte. Und eben auch nicht mit Lendl, der Zverev beim Abschied zurief, zuviele Probleme im Umfeld verhinderten es, "dass ich nach meiner gewohnten Philosophie arbeiten kann." Die Probleme im Umfeld – damit waren der Kompetenzstreit mit Papa Zverev und die schwierigen Hierarchien im Betreuerteam gemeint.
Zu stark waren und sind die emotionalen Bande innerhalb der Familie
Am Ende ignorierte der zweifache ATP-Weltmeister den Ratschlag der meisten Experten und Kollegen, sich vom Vater und der Familie überhaupt in Tennisangelegenheiten zu emanzipieren. Zu stark waren und sind die emotionalen Bande innerhalb der Familie, die seit Jahrzehnten gemeinsam über die Kontinente und durch die Zeitzonen reist – erst im Dienste der Karriere von Mischa Zverev, dann für den jüngeren Bruder. "Je mehr Kritik es von außen gab, je mehr Schwierigkeiten auftauchten, umso enger hielten sie zusammen", befand Experte Boris Becker.
Die Brüder Zverev waren und sind ein Phänomen im Wanderzirkus, ein Pärchen, das weite Strecken des langen Marsches durch die Tennis-Institutionen gemeinsam ging. Viel lernten sie voneinander, hörten auf den Rat des anderen, spendeten sich Trost, waren Einpeitscher und stete Unterstützer. Zverev, der Ältere, ist nun aber auch einer, der gleich mehrere Führungspositionen im Familienbusiness besetzt. Als Manager kümmert er sich um die die Deals mit Turnierdirektoren und Sponsoren, als PR-Profi sorgt er für eine positive Ausstrahlung der Marke Zverev.
Auf kleinem Dienstweg bringt er als Kommentator und Experte bei Eurosport, Sky oder dem Tennischannel die Botschaften unters Tennisvolk. Er sendet auf allen relevanten Kanälen. "Ich will Sascha näher an die deutschen Fans ranbringen", sagt der 35-jährige Geschäftsmann, der nebenbei auch noch ein einflußreicher Start up-Investor ist. Alexander Zverev habe nie die Vorstellung und den Glauben verloren, "dass seine Familie irgendwie alles für ihn regeln wird", sagt der schwedische Altmeister Mats Wilander, "die Zverevs sind sich selbst genug, in allen Lagen."
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