
30 Jahre Videospielreihe „Fifa“: Das ganze Leben ist ein Spiel


Die Videogame-Reihe „Fifa“ prägt seit nun 30 Jahren die Realität von Fußball-Fans und Profis. Wie das geschieht und was der Bruch mit dem Weltverband bedeutet.
Am Anfang war das Pixel. Also das kleinste gerasterte Element eines Bildes. Ein Viereck, quasi ein Atom eines Videospiels. Recht grobkörnig kam der digitale Rudi Völler des Jahres 1993 daher, der einem viereckigen Ball hinterherjagte und überhaupt nicht nach Rudi Völler aussah. Wenn nun Tausende Kopien des am Freitag erschienenen Spiels "EA Sports FC 24", das fast 30 Jahre unter "Fifa" bekannt war, in die Playstation geschoben werden, gibt es keine Pixel mehr zu sehen. Stattdessen liefert das Spiel digitale Abbilder der Kicker, von denen man zuerst nicht sagen kann, ob sie nicht doch Fotos der echten Vorbilder sind. Und längst prägt das Spiel auch die Realität – die von Fußball-Fans, aber auch von Profi-Kickern.
Im Jahr 1993 also erschien unter dem Namen "Fifa International Soccer" das erste Spiel der Reihe, das sehr bald einfach nur Fifa genannt wurde, gefolgt von der jeweiligen Jahreszahl. Mittlerweile ist es das erfolgreichste Sport-Spiel der Geschichte. Weltweit wurden 325 Millionen Ausgaben verkauft, laut Herstellerangaben ist die Fußballsimulation der wichtigste Titel im europäischen Markt. Die größte Zäsur kam jetzt: Die Kooperation mit dem Fußball-Weltverband Fifa ist passé. Der Verband von Gianni Infantino und der Software-Entwickler EA Sports konnten sich nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Infantino, der sein Amt in erster Linie dem Vermehren des Geldes zugeschrieben hat, soll sich eine Verdoppelung der Lizenzgebühren vorgestellt haben. Das konnte sich die Gegenseite nicht mehr vorstellen, weswegen das Spiel nun "EA Sports FC 24" heißt. Sehr wahrscheinlich wird sich aber der alte Name halten: Fifa. Mancher sagt: Es ist die letzte funktionierende Marketingkampagne des Weltverbands.
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Drei Jahrzehnte Fifa: Vom irren Hallenmodus zum Salti schlagenden Matthäus
Eine Runde Fifa zocken – das ist für viele mittlerweile weit mehr als nur ein Spiel. Die Verbundenheit ist stellenweise eben drei Jahrzehnte alt. Es gab Meilensteine wie die 98er-Variante, bei der man erstmals eigene Spieler designen konnte, vom Namen über den Vollbart bis zur Trikotnummer. Wer beim aus heutiger Sicht skurrilen Hallenmodus die Schienbeine der gegnerischen Spieler bearbeitete, vergaß für die Spieldauer von vier Minuten den ersten Liebeskummer. Der Torjubel des digitalen Lothar Matthäus in Fifa 2001 (ein Rückwärtssalto, nicht schlecht für einen 40-Jährigen) war spannender als der Abitur-Stoff. Und anstatt in der Uni-Bibliothek auf die nächste Klausur zu lernen, musste 2005 in mühevoller Detailarbeit der brasilianische Spieler-Markt nach den größten Flügelstürmer-Talenten gescoutet werden, war doch klar. Man ärgerte sich spätestens in der 12er-Version nach Feierabend über die Sprüche des Kommentatoren-Duos ("Verzogen der Ball, wie ein verzogenes Kind").
Und irgendwann war da eben mehr als ein Spiel da. Sondern ein Stück Populärkultur, das immer enger mit der Realität verwoben ist. Nicht nur die Gesichter der digitalen Kicker wurden mit der Zeit immer authentischer. Wer für seinen Mittelklasseverein auf der Suche nach Sturmtalenten war, dem konnte es passieren, dass er 2017 bei einem damals 17-jährigen Norweger landete, den man für kleines Geld von Molde FK holen konnte. Drei Jahre später sollte dieser Erling Haaland beim BVB die Bühne Bundesliga betreten. Das ist kein Einzelfall – sondern Beleg für ein Scouting, das wohl mit jedem Bundesliga-Klub mithalten könnte. Auf Anfrage teilt EA Sports mit, es gebe ein "sehr großes, internationales Expertenteam, welches sich um die Werte der männlichen und weiblichen Profis kümmert". Dazu gibt es eine Kooperation mit den Datenanalytikern "Opta", um die Spieler auch bei den Stärken und Schwächen so echt wie möglich abzubilden. Mats Hummels war eben auch an der Konsole noch nie der Schnellste.
Fifa und der reale Fußball - das gehört längst zusammen
Spätestens hier fängt das Spiel aber auch an, mit der Realität zu verwachsen, sie zu prägen. Jedes Jahr diskutieren echte Profis über soziale Medien darüber, ob ihre Fifa-Werte realistisch sind und können es nicht verstehen, warum sie etwa bei Schusskraft, den Sprintwerten oder der Kopfballstärke so schlecht davonkommen. Wer schon mal das zweifelhafte Vergnügen hatte, gegen einen Fußball-Profi an der Playstation zu zocken, erahnt, wie viel Zeit die Kicker vor der Konsole verbringen.
Fifa und der reale Fußball – das gehört längst zusammen. Stellenweise übernehmen Profis einen Torjubel aus dem digitalen Spiel. Diogo Jota, Stürmer des FC Liverpool und auch an der Konsole einer der besten seines Fachs, feierte einst ein Tor, indem er im Schneidersitz pantomimisch mit einem Controller spielte. Auf den Bolzplätzen des Nachwuchsfußballs sieht man ohnehin die Torjubel-Varianten, die im Spiel per Tastenkombinationen abrufbar sind. Wer prägt jetzt hier was – die Realität das Spiel oder andersherum? Fest steht: Mit dem digitalen Rudi Völler kann man auch im Jahr 2023 spielen – und der Schnurrbart sieht aus, als ob er gerade frisch gekämmt wurde.
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