Zurück in die Kindheit: Embolo erzielt im Spiel gegen Kamerun den Siegtreffer
Ausgerechnet der in der kamerunischen Hauptstadt Jaunde geborene Breel Embolo entscheidet das Auftaktspiel der Schweiz gegen die Erben von Kameruns Star Roger Milla.
Als Granit Xhaka hinterher mit sehr breiter Brust durch die Mixed Zone des Al Janoub Stadium spazierte, hat der Anführer der Schweizer Nati selbst ein bisschen schmunzeln müssen. Für ihn blieb nach dem 1:0-Arbeitssieg gegen Kamerun gar nichts anderes übrig, als im besten Schweizerdeutsch grinsend mit einer Plattitüde aufzuwarten: "Der Fußball schreibt seine eigene Geschichte." In diesem Fall war es zum mühseligen WM-Auftakt der Eidgenossen das Rührstück von Breel Embolo, der in seinem 60. Länderspiel gegen sein Geburtsland den Siegtreffer erzielte (48.).
Auf jeglichen Überschwang vor angeblich 39.089 Zuschauern verzichtete der Angreifer vom AS Monaco. Er hob die Hände zur Entschuldigung, bedeckte sein Gesicht – und formte ein Herz, nachdem er das feine Zuspiel von Xherdan Shaqiri anstandslos verwertet hatte. Wer in Kameruns Hauptstadt Jaunde geboren ist, ehe die Mutter ihn als damals sechsjähriges Kind auf dem Weg nach Europa mitnahm, dem kommt in solchen Momenten vieles in den Sinn. "Es ist ein Traum. Mein erstes WM-Tor gegen Kamerun. Ich bin sehr stolz für mich und meine Familie", sagte Embolo vor den TV-Kameras.
Embolos Vater wohnt noch immer in der kamerunischen Hauptstadt Jaunde
Wie sehr den in Basel aufgewachsenen 25-Jährigen die Verbindung nach Kamerun berührt, wo weiterhin viel Menschen vor der Perspektivlosigkeit fliehen, hatte er vor zwei Tagen erst verraten. Als er erstmals mit 14 Jahren an die westafrikanische Küste zurückkehrte, sei er schockiert über die Armut gewesen. Mittlerweile fliegt er ein-, zweimal im Jahr dorthin, unterhält eine Stiftung, die Projekte unterstützt. Sein Vater wohnt noch immer in Jaunde. Sein Großvater, sein größtes Vorbild, ist verstorben. Es wäre sein größter Wunsch gewesen, dass dieser in Doha hätte sein können, zumal sogar Kameruns Legende Roger Milla – vor Anpfiff von Fifa-Präsident Gianni Infantino eigens noch mal als ältester WM-Torschütze aller Zeiten ausgezeichnet – diese Partie verfolgte.
Nationaltrainer Murat Yakin wusste natürlich um den besonderen Bezug seines Matchwinners, den Yakin als Basler mit türkischen Wurzeln vorher beiseite genommen hatte: "Ich habe ihm gesagt: 'Freundschaft bis zum Anpfiff - danach sind es deine Gegner'. Mir gefällt seine Bewegung, seine Dynamik, manchmal fehlt noch seine Präsenz im Strafraum. Breel hat seinen Job sehr gut gemacht."
Embolos Vita steht exemplarisch dafür, welche Stärke der Schweizer Fußball aus der in der Alpenrepublik oft skeptisch betrachteten Zuwanderung zieht. Dass der Torschütze auch für die unzähmbaren Löwen hätte auflaufen können, nahm Kameruns Nationalcoach Rigobert Song mit Gleichmut hin, der sich nach Abpfiff lange mit der Schweizer Nummer sieben unterhielt: "Ich bin so etwas wie ein großer Bruder für ihn. Ich habe ihn für seine Leistung beglückwünscht." Dass sich Akteure wie Embolo letztlich für die Auswahl ihrer Wahlheimat entscheiden, sei "Teil unseres Sports", versicherte der frühere Bundesligaspieler Song: "Natürlich wäre es schön, wenn er in unserem Team wäre, aber so ist das Leben."
2016 zahlte der FC Schalke 04 für Breel Embolo 21 Millionen Euro
Embolo bekam 2014 die Schweizer Staatsbürgerschaft, zwei Monate vor seinem 18. Geburtstag. Beim FC Basel war er zu diesem Zeitpunkt längst als Ausnahmetalent identifiziert, für das der FC Schalke 04 dann 2016 die damalige Rekordablöse von 21 Millionen Euro hinblätterte. Doch zum einen bremsten den Profi bei aller Begabung immer wieder Verletzungen aus, zum anderen stand er sich manchmal selbst im Wege.
2019 ging er zu Borussia Mönchengladbach, wo er ja mit dem Schweizer Nationaltorhüter Yann Sommer zusammengespielt hat, der wegen einer Parade gegen den zuletzt beim FC Bayern so treffsicheren Torjäger Eric-Maxim Choupo-Moting gleich die Auszeichnung zum "Spieler des Spiels" erhielt. "Es war das klassisches Spiel einer Weltmeisterschaft: Man weiß nie, wo man steht", sagte Sommer. "Es war nicht alles perfekt, aber wir hatten eine gute Körpersprache." Und letztlich eben einen Breel Embolo, über den sein Keeper sagte: "Ich bin ehrlich sehr glücklich, dass er für die Schweiz spielt. Er ist da, wenn man ihn braucht. Das ist wirklich eine sehr spezielle Geschichte."
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.
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