Der Vorhang zu und alle Fragen offen
Nach der Rettung spielen Gefühle die Hauptrolle beim TSV 1860 München. Jetzt müssen bei den Löwen wichtige Fragen beantwortet werden.
Es war emotional. Brutal emotional. Man sah etliche Löwen-Fans, die vor lauter Erleichterung Tränen in den Augen hatten. Das Relegationsspiel um den Klassenerhalt der zweiten Bundesliga gegen Kiel verlangte allen alles ab. Den Spielern, den Trainern, den Verantwortlichen und den Fans. Ein wahrer Orkan an einem Ausbruch der Gefühle entlud sich in der Nachspielzeit, als Kai Bülow den Ball zum 2:1 abstaubte, nachdem zuvor der Schuss von Valdet Rama nur an den Pfosten krachte. Während für die rund 2000 mitgereisten Kieler in dieser Minute die Welt unterzugehen schien, tobte bei den 55 000 Münchner Fans der Bär – ein weiß-blaues Meer aus Fahnen und Schals.
Auch 1860-Coach Torsten Fröhling konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Noch eine Stunde nach der Partie bei der Pressekonferenz versuchte der 48-Jährige, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und nicht einfach loszuheulen. Bereits nach dem Schlusspfiff saß der Trainer zwei Minuten nur regungslos auf der Bank. Was in ihm da vorgegangen ist? "Das ist sehr privat. Ich habe mich in diesem Moment bei meiner Mutter bedankt", sagte er stockend.
Die zweite Bundesliga ist für den Verein, der sich finanziell auf einem ganz schmalen Grat befindet, sportlich lebenswichtig. Der Absturz hätte wohl dramatische Folgen gehabt. Kürzlich haben die Löwen beim Deutschen Fußball- Bund (DFB) die Lizenzunterlagen für die dritte Liga eingereicht. Ob sie diese Lizenz bekommen hätten, ist mehr als fraglich. Am vergangenen Dienstag war kein Tag mehr, um Probleme zu wälzen. In der Halbzeit beim Spielstand von 1:0 für Kiel war der Schlund in Richtung dritte Liga schon weit geöffnet. Fröhling erzählt, was er seinen Spielern in der Kabine gesagt hat: "Schlimmer kann es nicht mehr kommen. Dieses Spiel können jetzt nur ganze Männer drehen."
Bleibt Fröhling weiter Trainer der Löwen?
Wie es weitergeht beim TSV 1860 München, ob Fröhling weiter Trainer bleibt, ob Sportdirektor Gerhard Poschner gehen muss – alles ist spekulativ. Fröhling, der jetzt "dringend Urlaub braucht", zuckt auch nur mit den Schultern: "Ich habe bis zum 30. Juni dieses Jahres einen Vertrag, also werde ich nach dem Urlaub wieder kommen und arbeiten." Zumindest gibt 1860-Präsident Gerhard Mayrhofer schon mal grünes Licht: "Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, mit dem Trainer weiterzumachen." Fröhling ist in der abgelaufenen verkorksten Saison bereits der dritte Löwen-Trainer nach Ricardo Moniz und Markus von Ahlen.
Daniel Adlung, der wohl beste Löwen-Spieler gegen Kiel, würde gerne mit Fröhling weitermachen: "Ein Riesenkompliment an den Trainer. Er hat es immer wieder geschafft, dass wir die Köpfe freibekommen haben. Er ist zwar knallhart, kann aber auch ein ganz lockerer Typ sein."
Adlung ist auch froh, dass diese "Scheiß-Saison" beendet ist. Er war auch kritisch genug, um zu wissen, dass die Mannschaft über weite Phasen des Spiels gegen Kiel "Mist" gespielt hat: "Das ist alles nur schwer zu erklären. Wir waren 70 Minuten gar nicht im Spiel. Mit dem 0:1 sind wir wie so oft in dieser Saison zusammengebrochen. Aber jetzt ist alles erst mal vorbei. Für uns ist jetzt wichtig, dass wir zum Abschluss noch etwas Positives geschafft haben."
Dem Siegtorschützen Kai Bülow, der nach dem 1:1 seines Kollegen Adlung (78.) zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, stand die Demut im Gesicht: "Das war alles so emotional. Ich kann es noch gar nicht glauben und es ist für mich schwierig, das alles zu kommentieren." Auch Kapitän Christoph Schindler wird dieser Abend unvergessen bleiben: "Ich habe Freudentränen geweint. Vielleicht haben wir so eine Scheiß-Saison auch gebraucht, um einen Neuanfang zu starten. Für mich gab es heute nur eine Möglichkeit, nämlich dieses Ding zu wuppen." In den nächsten Tagen und Wochen wird die Vereinsführung nun einige Fragen beantworten müssen. Es bleibt spannend beim Zweitligisten TSV 1860 München.
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