Glosse: Wie der Sportreporter die WM-Spiele schaut
Wenn deutsche Journalisten außer den Spielen der DFB-Elf noch andere WM-Spiele verfolgen möchten, haben sie mehrere Möglichkeiten. Es sind jedoch nicht alle empfehlenswert.
Der WM-Berichterstatter aus Deutschland, der in Brasilien, neben den Partien von Lahm & Co. auch andere Spiele sehen möchte, hat mehrere Möglichkeiten. Die naheliegendste: ins Stadion gehen. Dafür allerdings muss er zuerst zum Flughafen. Von Porto Seguro aus befindet sich der nächste Spielort eine Flugstunde entfernt, in Salvador. Wer lieber Auto fährt als fliegt, kann auch das. Ausgiebig sogar. Für Details stehen die Kollegen der Wetzlarer und der Osnabrücker Zeitung bereit, die für die 750 Kilometer Landstraße in einer Nachtfahrt, Irrwege eingeschlossen, zwölf Stunden unterwegs waren. Wer gerne, sagen wir, Schweiz gegen Honduras am nächsten Mittwoch sehen möchte, muss allerdings nach Manaus und sollte deshalb bereits heute aufbrechen. Luftlinie: knapp 3000 Kilometer. Mit dem Pkw, ohne die vom ADAC empfohlenen Pausen, dürfte das in sechs Tagen zu schaffen sein.
Journalisten-Public-Viewing
Das alles passt allerdings nicht zur eigentlichen Aufgabe des WM-Berichterstatters, nämlich den Kontakt zur deutschen Mannschaft zu halten. So kommt Möglichkeit 2 ins Spiel: Public Viewing im großen Kollegenkreis. Kandidaten für das Finale sichten, heißt das dort.
Der Auftaktsieg gegen Portugal hat die Zuversicht unter schwarz-rot-gelben Beobachtern in Bereiche getrieben, die alles unterhalb des WM-Titels inzwischen ausschließen. So viel Optimismus muss einer ertragen können, der Löw & Co. den Viertelfinal-K.-o. prophezeit hat.
Unter das Volk mischen
Wer das nicht aushält, kann sich noch vor einem Flachbildschirm am Straßenrand unter Brasilianer mischen, sollte dafür jedoch wenigstens den Samba-Grundschritt beherrschen.
Bleibt am Ende nur die beste Variante: Fußball schauen in den eigenen vier Wänden. Für die Abgeschiedenheit nimmt unsereins gerne das dünne TV-Signal in Kauf, das die Bilder im Dauerriesel transportiert. Dafür: Keine Kommentare von der Art „den hätt’ noch meine Oma im Rollstuhl reingemacht“. Keine Tor- und Abseitsschreie, kein Stöhnen, Jammern und Winseln.
Fast wie zu Hause
Stattdessen: stille Hingabe, autistisches Brüten. Alles ein bisschen wie zu Hause, wo schon Wochen vor der WM Lebensmittelvorräte angelegt werden. An arbeitsfreien Tagen um 13 Uhr die Fensterläden zugeklappt, die Haustüre geschlossen und den Telefonstecker gezogen wird. Auf Brasilien umgelegt: Das Appartement blickdicht verdunkelt, den Mitbewohner auf Recherche geschickt und die Handys in den Zimmertresor gepackt. Einfach klasse, diese WM!
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