Der FC Ingolstadt versinkt im Chaos
Jens Keller wird als dritter Trainer der Saison entlassen, dann Tomas Oral als Nachfolger präsentiert. Thomas Linke wird sportlich Verantwortlicher. Eine Chronologie.
Eigentlich war beim FC Ingolstadt am Dienstag für 10 Uhr ein öffentliches Training angesetzt. Jens Keller sollte mit seiner Mannschaft auf dem Rasen stehen, die Spieler auf die wichtige Partie am Samstag beim MSV Duisburg vorbereiten. Doch es tauchte niemand auf. Weder die Spieler, noch Keller.
Das Warum wurde schnell geklärt. Keller war zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr Trainer der Schanzer. Um 10.20 Uhr verschickte der FC Ingolstadt die erste Pressemitteilung eines ereignisreichen Tages. Inhalt: Die Entlassung Kellers. Danach ging es Schlag auf Schlag weiter. Um 11.05 Uhr hatten die Medienvertreter die nächste Nachricht des Vereins im E-Mail-Eingang. Thomas Linke, der externe Berater der Schanzer, rücke ab sofort als sportlich Verantwortlicher wieder näher an die Profi-Mannschaft heran und werde dieses Amt bis 30. Juni bekleiden, war zu lesen. Wenig später, um 11.50 Uhr, meldete sich der Verein erneut zu Wort. "Mit Tomas Oral und Michael Henke zum Klassenerhalt", lautete die Überschrift der verschickten Mitteilung. Eineinhalb Stunden waren vergangen, in denen beim FC Ingolstadt beinahe alles auf den Kopf gestellt wurde.
FC Ingolstadt: Thomas Linke ist die "naheliegende" Lösung
Wenig später lud der Verein zu einer Presserunde mit Linke und dem neuen Trainer Oral. Der Andrang war groß, schließlich gab es viel zu erzählen. Zuerst war Linke an der Reihe. Der ehemalige Profi, der von 2011 bis 2017 als Sportdirektor bei den Schanzern arbeitete, war zuletzt als externer Berater für den Klub tätig. Ursprünglich hatte Linke es abgelehnt, wieder im Tagesgeschäft mitzuwirken. Doch letztendlich blieb ihm kaum eine Wahl. Nach dem Abschied von Geschäftsführer Sport Harald Gärtner war ein Vakuum in der Führung entstanden, das es schleunigst zu schließen galt. Wichtige Vertragsgespräche mit Spielern stehen an, zumal die Planungen zweigleisig für Liga zwei und drei laufen. Wenn man die Situation betrachte, sei die Lösung mit ihm "naheliegend" gewesen, sagte Linke.
Mehr noch von Interesse war die überraschende Trennung von Jens Keller. Die war das Ergebnis einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung, die am Montag bis spätnachts tagte. "Wir sind nach der enttäuschenden 1:2-Niederlage gegen Sandhausen zwei Szenarien durchgegangen", erzählte Linke. "Entweder wir machen weiter wie bisher und planen für die 3. Liga oder wir krempeln noch einmal alles um und machen etwas Verrücktes." Eine Aussage, die verrät, dass Jens Keller der Klassenerhalt nicht mehr zugetraut wurde.
"Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass wir in dieser Konstellation wenig Hoffnung haben", führte Linke aus. Keller war erst am 2. Dezember zum FC Ingolstadt gewechselt. Zwölf Spiele durfte er bleiben, in denen ihm lediglich drei Siege und zwei Unentschieden bei sieben Niederlagen gelangen. Zuletzt waren es fünf Pleiten hintereinder, die den FC Ingolstadt zur Trennung bewogen haben. "Die Entscheidung kommt für mich überraschend, schließlich wurde vor Kurzem noch über eine Verlängerung gesprochen", wird Keller in der Pressemitteilung zitiert. Mit ihm muss auch sein Assistent Thomas Stickroth den Verein mit sofortiger Wirkung verlassen.
FC Ingolstadt: Tomas Oral ist der fünfte Trainer der Saison
Trainerwechsel sind in der Fußballbranche keine Seltenheit. Der FCI scheint in der aktuellen Spielzeit jedoch alle Rekorde brechen zu wollen. Erst musste Stefan Leitl gehen (sechs Spiele, ein Sieg, zwei Unentschieden, drei Pleiten), dann Alexander Nouri (acht Spiele, null Siege, drei Unentschieden, fünf Pleiten), jetzt Keller. Rechnet man Interimscoach Roberto Pätzold mit ein (ein Spiel, eine Pleite), sitzt mit Tomas Oral bereits der fünfte Trainer in einer Saison auf der Bank der Schanzer. "Gab es so etwas schon einmal?", fragte Linke in die Runde der Journalisten. Um einen Imageschaden für den Verein mache er sich dennoch keine Gedanken.
Nun also Tomas Oral, ein alter Bekannter. Der 45-Jährige arbeitete bereits von November 2011 bis Sommer 2013 für den FCI. Er übernahm den Verein auf dem letzten Tabellenplatz, führte ihn noch zum Klassenerhalt. In seiner zweiten Saison holte er Rang 13. "Er hat es schon einmal geschafft und kennt den Verein und das Umfeld, was uns wichtig ist", sagte Linke. Eigenschaften, die auch auf den künftigen Co-Trainer Michael Henke zutreffen, der zwischen 2013 und 2017 mehrere Jahre Assistent war und maßgeblich am Bundesligaaufstieg 2015 beteiligt war.
Tomas Oral: "Ab heute müssen wir funktionieren"
Um einen derartigen Erfolg geht es aktuell nicht. Einzig und allein der Klassenerhalt, den Linke ein "Fußballwunder" nennt, zählt. Gelingen soll dieses unter Oral. Nach seinem Abschied beim FC Ingolstadt arbeitete er als Co-Trainer beim FC Fulham in England (2014) sowie Cheftrainer beim FSV Frankfurt (2015/16) und Karlsruher SC (2016). Bei beiden Vereinen wurde er vorzeitig entlassen, war danach fast zweieinhalb Jahre ohne Job. Natürlich sei das Angebot für ihn persönlich "eine große Chance", sagte Oral, als er nach seiner ersten Trainingseinheit vor den Medienvertretern saß. Nach einer kurzen Rücksprache mit der Familie habe er sofort seine Zusage gegeben. Der Unterfranke gilt als konsequenter Coach und gnadenloser Schleifer. Dinge, die nun gefragt sind.
Angesprochen auf die prekäre sportliche Situation der Schanzer sagte Oral Sätze, die zu erwarten waren. Die Spieler seien mental in einer "schwierigen Situation". Dies müssten sie nun abschütteln und "alles für den Klub geben". Die Mannschaft sei gefordert, "alles reinzulegen" und in Duisburg zu gewinnen. Dort feiert Oral am Samstag sein Debüt. Fünf Punkte beträgt der Rückstand derzeit auf den Relegationsplatz, drei sind es auf den Vorletzten Duisburg, zu dem man mit einem Erfolg aufschließen könnte. "Ab heute müssen wir funktionieren", kündigte Oral noch an. Es war das Schlusswort für einen Tag, an dem sich beim FC Ingolstadt die Ereignisse überschlugen. "Ein Tag zum Vergessen", wie ihn Thomas Linke nannte.
Lesen Sie dazu den Kommentar "FCI: Der Schaden ist immens" von Benjamin Sigmund.
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