„Jede Woche Champions League“
Florent Hadergjonaj hat schon als kleines Kind von der Bundesliga geträumt. Wie sich der Schweizer beim FC Ingolstadt eingelebt hat, welche Schwierigkeiten er meistern musste und was seine weiteren Ziele sind.
Florent Hadergjonajs Traum als kleiner Junge war nicht wirklich ungewöhnlich. Er hatte ein Ziel, von dem viele Kinder träumen. Er wollte Profi-Fußballer werden, einmal in der Bundesliga spielen. Vor ausverkauften Stadien auflaufen, gegen große Namen antreten. „Seit ich klein bin“, sagt der Schweizer in Diensten des FC Ingolstadt, „habe ich dieses Ziel immer verfolgt.“
Als die Bundesliga damals im Fernsehen lief, sah Hadergjonaj viele Stars. Die meisten haben ihre Karriere längst beendet. Wenn Spiele des FC Bayern München liefen, verfolgte Hadergjonaj auch Claudio Pizarro. Der Peruaner schoss damals schon seine Tore, ist inzwischen 38 Jahre alt, aber immer noch aktiv. Wenn Hadergjonaj am Samstag (15.30 Uhr) mit dem FC Ingolstadt bei Werder Bremen zu Gast ist, wird der 22-Jährige auf Pizarro treffen. „Das ehrt mich schon ein bisschen“, sagt Hadergjonaj, „als kleiner Junge habe ich ihn im Fernsehen gesehen, jetzt spiele ich gegen ihn.“ Für den jungen Schweizer ist jedes Spiel in der Bundesliga etwas Besonderes. „Jede Woche spielst du“, sagt er, „als wäre es Champions League, es geht immer um alles.“ Während der Partien versuche er, konzentriert seinen Job zu erledigen. Danach, sagt er, realisiere er, dass mit Julian Draxler ein Weltmeister oder Pierre-Emerick Aubameyang ein prominenter Torjäger auf der Gegenseite stand.
Für Hadergjonaj läuft es derzeit ausgezeichnet. Die jüngsten beiden Partien stand er als Rechtsverteidiger in der Startformation und ersetzte den gesperrten Tobias Levels. Nicht nur Trainer Maik Walpurgis bescheinigte dem Schweizer eine starke Leistung. Dabei hatte die Spielzeit für den Neuzugang, der kurz vor Saisonbeginn von den Young Boys Bern nach Oberbayern gewechselt ist, durchwachsen begonnen. Unter Markus Kauczinski fand er sich häufig auf der Tribüne wieder, wurde erst am achten Spieltag gegen Borussia Dortmund erstmals eingesetzt. „Klar“, sagt Hadergjonaj, „war es nicht einfach, sich hinten anzustellen. Aber mir war bewusst, nicht gleich zu spielen.“ Seine Familie, die zu jedem Heimspiel aus der Schweiz anreist, sein Bruder, der oft bei ihm ist, und sein Berater hätten ihn in dieser Phase unterstützt. „Ich bin Teamplayer und habe mich nie unterkriegen oder etwas anmerken lassen“, sagt Hadergjonaj, der für einen 22-Jährigen erstaunlich aufgeschlossen und redegewandt auftritt. „Ich danke dem Trainerteam für das Vertrauen, das es mir geschenkt hat.“ Sein nächster Satz zeigt zugleich, dass Hadergjonaj über ein gesundes Selbstvertrauen verfügt. „Ich muss mich durch Training und Spiele empfehlen. Das habe ich nicht so schlecht hinbekommen.“ Das frühe Pressing unter Walpurgis kommt ihm dabei mehr entgegen als die Spielweise unter Kauczinski. Denn gerade im Offensivbereich hat der Schweizer mit seinen Flanken eine gefährliche Waffe im Repertoire.
Wenn die Schanzer heute in Bremen auflaufen, heißt es Abstiegskampf. Eine neue Erfahrung für Hadergjonaj, der in der Schweiz mit Bern vorne mitspielte und Erfahrungen in der Europa League und Champions-League-Qualifikation sammelte. „Ich war in der Schweiz erfolgsverwöhnt“, sagt der 22-Jährige, „aber auch die jetzige Erfahrung wird mich weiterbringen.“ Der Partie in Bremen will Hadergjonaj dabei keine zu große Bedeutung beikommen lassen. „Wir haben noch 22 Endspiele“ sagt er. Für einen Sieg bekomme man auch nur drei Punkte, daher wäre es „übertrieben, von einem Sechs-Punkte-Spiel zu sprechen.“
Mit Einsätzen für den FC Ingolstadt will Hadergjonaj ein weiteres großes Ziel angreifen. Nach zehn Einsätzen für die Schweizer U-21-Nationalmannschaft soll es nun mit dem A-Team klappen. Da er kosovarischer Abstammung ist – Vater Nexhat und Mutter Adelina stammen von dort – hat er die Auswahl zwischen dem Kosovo, Albanien und der Schweiz. „Nach der Winterpause will ich mich entscheiden, für wen ich auflaufe“, sagt er. Überredungsversuche haben einige Schweizer Nationalspieler unternommen. Der frühere Bayern-Akteur Xherdan Shaqiri (jetzt Stoke City) zählt etwa zu seinen Freunden.
Trotz der regelmäßigen Aufeinandertreffen mit den Stars der Liga ist der 22–Jährige kein Trophäenjäger. Um einen Trikottausch hat er noch keinen gebeten und wird es auch bei Claudio Pizarro nicht tun. „Wenn es gegen einen Freund geht, kann man das machen, sonst eher nicht“, sagt Hadergjonaj. Er ist auf dem Boden geblieben. Auch wenn er, anders als viele kleine Kinder, jetzt seinen Traum leben darf.
Die Diskussion ist geschlossen.