Jeff Saibene: „Zuletzt waren wieder Fortschritte zu erkennen“
Jeff Saibene spricht über die Saison des FC Ingolstadt, das schnelllebige Fußballgeschäft und eine bittere Erfahrung. An ein Spiel hat er besondere Erinnerungen.
Jeff Saibene, können Sie in einer Länderspielpause von Ihrem Job abschalten?
Jeff Saibene: Ich will und kann das. Früher weniger. Mit dem Alter und Reife wird man ruhiger. Ich bin in vier Stunden zu Hause in der Schweiz. Daher kam mir die Pause gelegen und ich habe knapp drei Tage mit meiner Frau verbracht. Diese Zeit habe ich sehr genossen.
Haben Sie die Zeit auch genutzt, die bisherige Saison zu reflektieren und ein Gesamtbild zu erstellen?
Saibene: Das machen wir eigentlich regelmäßig. Wir hatten bisher große Probleme mit Verletzungen und Sperren, was man gemerkt hat. Es wäre wichtig, einmal über ein paar Wochen den gleichen Kader zusammenzuhaben.
Zu Beginn der Saison wurde der FC Ingolstadt sehr gelobt, später stark kritisiert. Herrscht im Fußball allgemein ein zu starkes Schwarz-Weiß-Denken?
Saibene: Ich nehme durchaus wahr, wie schnell alles super ist und wie schnell sich die Stimmung auch wieder dreht. Das gibt einem schon zu denken. Ich kann damit leben, auch wenn es traurig ist.
Auf Ihre Mannschaft bezogen: Waren am Anfang die Ergebnisse besser als die Leistungen, später die Resultate schlechter als die Darbietungen?
Saibene: Ja, so kann man es sagen. Am Anfang hatten wir ein-, zweimal das Glück auf unserer Seite. Dann gab es in Spielen Platzverweise gegen uns, die uns das Genick gebrochen haben. Außerdem haben wichtige Spieler wie Björn Paulsen, Caniggia Elva und andere verletzt gefehlt.
Wie viel von Ihrer Spielphilosophie hat die Mannschaft bereits umgesetzt?
Saibene: Wir haben zu Beginn der Saison und in den jüngsten Spielen gezeigt, was wir können und wollen. Mutig Fußball spielen, aktiv verteidigen. Wir haben Tore geschossen, weil wir den Gegner zu Fehlern gezwungen haben. Leider kam dann eine Phase, in der wir diese Eigenschaften ein bisschen verloren haben. Zuletzt waren wieder Fortschritte zu erkennen.
Nach dem 2:3 gegen Halle haben Sie Aufstiegsambitionen von sich gewiesen...
Saibene: Ich sehe uns nicht als absoluten Top-Favoriten, da es im Sommer viele Wechsel im Kader gab und ein neuer Trainer da ist. Aber wir gehören zu den Mannschaften, die oben mitspielen wollen. Wenn wir einen Lauf haben und alle fit bleiben, können wir eine gute Rolle spielen.
Sie haben viele junge Spieler wie Thomas Keller, Fatih Kaya, Filip Bilbija oder Patrick Sussek im Kader. Wie bewerten Sie deren Entwicklung?
Saibene: Ich bin positiv überrascht von den Jungen. Gute und schlechte Phasen gehören zur Entwicklung dazu. Es ist eine Genugtuung für alle im Verein, dass mit Thomas Keller ein Spieler für die U-20-Nationalmannschaft nominiert wurde und mit Fatih Kaya und Filip Bilbija zwei weitere auf Abruf dabei sind.
Voll eingeschlagen hat Dennis Eckert Ayensa. Ist er der Königstransfer?
Saibene: Es war jedenfalls ein guter Transfer. Er hat in vier Spielen vier Tore geschossen, früher auch schon getroffen. Wir haben viele Videos von ihm gesehen und uns Informationen eingeholt. Ein richtiges Bild lässt sich erst nach zwei Monaten erstellen. Der erste Eindruck ist gut. Er hat einen Torriecher und war in der Mannschaft schnell akzeptiert. Jetzt geht es für ihn darum, konstant zu bleiben.
Kommen wir zu Ihnen. Es war Ihr Traum, in Deutschland zu arbeiten. In Bielefeld mussten Sie dann gehen, obwohl Sie bei den Fans sehr beliebt waren. Hat es nicht funktioniert?
Saibene: Doch, es hat funktioniert. Trainer müssen leider irgendwann einmal gehen. Von 20 Monaten in Bielefeld waren 18 überragend, es ging nur bergauf. Ich habe den Verein übernommen, als er sportlich und finanziell tot war. Dann gelang sogar die direkte Rettung, von zehn Spielen haben wir nur eines verloren. In der Saison danach kam eine schlechte Phase und die reicht manchmal, einen Trainer zu entlassen. Es kann extrem schnell gehen in diesem Geschäft. Bielefeld war jedenfalls mit Ausnahme der letzten sechs Wochen eine super Erfahrung für mich.
Ingolstadt ist die zweite Chance für Sie, in Deutschland Fuß zu fassen...
Saibene: Es gibt nicht viele Vereine in der 3. Liga, die ich übernommen hätte. Ingolstadt war vor drei Jahren in der Bundesliga, hat lange 2. Liga gespielt. Mir lagen zwischen Januar und Juni einige konkrete Anfragen aus der 2. Liga vor, auch eines aus der 3. Es wäre zu früh gewesen. Ich habe Zeit benötigt, mich zu erholen, um ein neues Projekt angreifen zu können.
Macht es Sie eigentlich stolz, der erste Trainer aus Luxemburg gewesen zu sein, der im deutschen Profifußball und in der Europa League gearbeitet hat?
Saibene: Nein. Die Europa League war ein persönlicher Erfolg für mich als Trainer. Ohnehin bin ich seit 30 Jahren in der Schweiz, habe dort mehr Zeit verbracht als in Luxemburg und bin Doppelbürger. Meine Frau ist Schweizerin, meine Jungs auch. Zu Hause reden wir Schwyzerdütsch (lacht).
Ist es für einen luxemburgischen Trainer insgesamt schwieriger?
Saibene: Am Anfang ist es kein Vorteil. Später ist es nicht entscheidend, es zählt die Kompetenz. Wobei sich der luxemburgische Fußball sehr gut entwickelt hat. Beim Länderspiel in Portugal waren 20 Spieler im Kader, die im Ausland aktiv sind, und nur einer aus der Heimat. Vor 20 oder 30 Jahren, zu meiner Zeit als Spieler, war das noch ganz anders. Da haben zwei oder drei im Ausland gespielt.
Sie haben 64 Länderspiele absolviert, dabei kein Tor geschossen...
Saibene: Ein Goalgetter war ich nie (schmunzelt). Eines meiner schönsten Länderspiele habe ich im Übrigen gegen Deutschland bestritten. Wir haben 1990 nur 2:3 verloren, Deutschland war gerade Weltmeister geworden, Jürgen Klinsmann und Rudi Völler waren dabei. Das war eine Sensation. Es stand 0:3, dann 1:3, 2:3. Am Ende hätten wir fast noch den Ausgleich geschafft.
Welche Träume und Ziele haben Sie als Trainer? Vielleicht die Bundesliga?
Saibene: Wenn ich sagen würde, das würde mich nicht reizen, würde ich lügen. Ich habe im Fußball aber so viel erlebt, alles geht so rasant. Die Erfahrung in Bielefeld hat mich geprägt und gezeigt, wie schnell in zwei Monaten alles vergessen ist. Daher sollte man nie zu weit nach vorne schauen.
Wird von den Verantwortlichen zu schnell gehandelt?
Saibene: Die Wenigsten haben Geduld, jeder will immer Erfolg haben. Bei zwei Niederlagen geht es noch, bei der dritten wird es unruhig. Das spürt man als Trainer extrem.
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