Stefan Kutschke: „Zurück zu den Prinzipien“
Rund 2500 Fans statten dem Drittligisten bei der Saisoneröffnungsfeier einen Besuch ab. Im NR-Interview verrät der Stürmer, was ihn an seiner neuen Aufgabe reizt und warum er den Abstieg sogar als große Chance für den Verein sieht
Trotz tropischer Temperaturen ließen es sich am Sonntag rund 2500 Anhänger des Zweitliga-Absteigers FC Ingolstadt nicht nehmen, ihr neues Team unter die Lupe zu nehmen. Bei der traditionellen Saisoneröffnungsfeier im Audi-Sportpark hatten die Verantwortlichen ein buntes Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, in dessen Mittelpunkt das Testspiel gegen den Regionalligisten VfB Eichstätt (4:3/siehe eigene Meldung) stand. Wir haben uns mit Stürmer Stefan Kutschke, der erneut die Kapitänsbinde trug, unterhalten.
Herr Kutschke, wie würden Sie denn Ihre derzeitige Stimmungslage beschreiben: Überwiegt die Vorfreude auf die anstehende Spielzeit in der 3. Liga oder immer noch die Enttäuschung über den Abstieg?
Kutschke: Na ja, was in der vergangenen Saison passiert ist, ist noch nicht lange her. Gerade in der ersten Woche nach dem feststehenden Abstieg war ich daheim und wollte absolut niemand sehen. Klar soll man nach einem solch bitteren Erlebnis auch mal abschalten. Aber sich einfach an den Strand zu legen, als wäre nichts geschehen – das hätte ich nicht gekonnt! Aber mit dem Trainingsauftakt freut man sich auch wieder auf die neue Aufgabe und möchte auch etwas gerade rücken, was man selbst mit eingebrockt hat. Auch in der Kabine ist bei unserem neuen Team diese Vorfreude zu spüren. Wir haben mit Nürnberg ein geiles Los im DFB-Pokal bekommen und warten jetzt gespannt auf den Spielplan.
Wie schwer ist es, die 3. Liga speziell vom Kopf her anzunehmen?
Kutschke: Nun, wir haben ja einige Jungs im Kader, die bereits in der 3. Liga gespielt haben. Abgesehen davon muss ich ehrlich zugeben, dass ich mit dieser viel zitierten Floskel, man müsse diese oder jene Liga erst einmal annehmen, überhaupt nichts anfangen kann. Als Profi unterschreibst du einen Vertrag und weißt damit auch, worauf du dich einlässt und in welcher Liga du spielst. Das Einzige, worauf wir vorbereitet sein müssen: Wenn du in Rostock, Halle oder bei 1860 München aufläufst, wird es richtig zur Sache gehen. Man muss ja nur einen Blick in die 3. Liga werfen: Es gibt genügend warnende Beispiele wie Braunschweig oder Kaiserslautern, wie es eben nicht laufen sollte. Darauf sollte unser Fokus liegen, dass es uns letztlich nicht genau so geht wie diesen Klubs.
Was werden die größten Unterschiede zwischen der 2. und 3. Liga sein?
Kutschke: Ich denke, dass in der 3. Liga sogar noch etwas körperbetonter gespielt wird. Vieles geht nahezu ausschließlich über den Kampf. In der 2. Liga gibt es vielleicht schon noch mehr sogenannte „Unterschiedsspieler“. Die gibt es eine Spielklasse darunter sicherlich auch noch, aber nicht mehr in dieser Anzahl. Fakt ist aber auch: Wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, was möglich ist, wenn wir als Mannschaft zusammenspielen. Sprich: Wenn wir gemeinsam verteidigen und auch gemeinsam Tore schießen wollen. Das ist auch genau die Philosophie, die Trainer Jeff Saibene unserem Team vermitteln möchte. Auf diese Art und Weise wollen wir unsere Fans mitnehmen und überzeugen.
Sie haben sich frühzeitig dafür entschieden, mit dem FC Ingolstadt in die 3. Liga zu gehen. Bei den Verantwortlichen gelten Sie als Leitwolf der neuen jungen FCI-Truppe und haben in den ersten Testspielen bereits die Kapitänsbinde getragen. Ist diese Führungsrolle genau das, was für Sie den Reiz dieser Aufgabe ausmacht?
Kutschke: Ich habe gleich in den ersten Gesprächen mit dem Coach sowie den Verantwortlichen Michael Henke und Florian Zehe eine sehr hohe Wertschätzung erfahren. Von den Werten, für die ich 2017 zum FC Ingolstadt gekommen bin, habe ich in den zurückliegenden zwei Jahren eigentlich wenig mitbekommen. Ohne etwas schönzureden denke ich, dass es dem Verein guttut, sich neu aufzustellen. Auf dieser Weise hat man die Möglichkeit, wieder zu den Prinzipien zurückzukehren, die den FC Ingolstadt einst ausgezeichnet und stark gemacht haben: Das Familiäre und Bodenständige!
Kann Sie nach der „Horror-Saison 2018/2019“ mit fünf Trainern, drei Sportdirektoren, Ihrer zwischenzeitlich persönlich schwierigen Zeit und dem Abstieg als „Krönung“ eigentlich noch irgendetwas schocken?
Kutschke: (lacht) Viel mehr schocken geht eigentlich nicht. Ich habe es mal zusammengerechnet: Während meinen beiden Jahren in Ingolstadt hatte ich mehr Trainer als bei meinen vorherigen Stationen. Für den FC Ingolstadt geht es jetzt in erster Linie darum, eine gemeinsame Sprache und Linie zu finden und diese entsprechend umzusetzen. Uns muss bewusst sein, dass es auch in der 3. Liga schwierigere Phasen geben wird. Doch dann darf man nicht sofort wieder alles schlechtreden und Schnellschüsse machen. Gerade in solchen Momenten sind ein kühler Kopf, Geduld und Vertrauen gefragt.
Was haben Sie für einen Eindruck, wie das Ingolstädter Umfeld mit der momentanen Situation umgeht?
Kutschke: Man hat ja bei der Spielervorstellung am Sonntag gesehen, dass die Resonanz – vor allem in Sachen junge Akteure – sehr positiv war. Wir haben einige richtig gute talentierte Jungs aus dem eigenen Nachwuchs dabei, aus denen etwas werden kann. Diesbezüglich dient Fatih Kaya, der seine Sache bereits prima macht, für die jungen Spieler sicherlich als eine Art Vorbild. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass er in der vergangenen Saison gegen den HSV per Kopf sein erstes Zweitliga-Tor geschossen hat. Wichtig ist es aber auch, dass man diesen Jungs Zeit gibt, ihnen Fehler zugesteht und Geduld aufbringt. Ich bin überzeugt, dass die Zuschauer einen solchen Weg mitgehen und honorieren.
Als Absteiger zählt man – unabhängig von der Liga – automatisch zum Kreis der Aufstiegsfavoriten. Nehmen Sie diese Rolle an?
Kutschke: Dass im Vorfeld viele sagen, der FC Ingolstadt wäre der absolute Top-Favorit und müsse wieder zurück in die 2. Liga, ist ja gut und schön! Aber man muss nur mal einen Blick auf die letztjährige Drittliga-Saison werfen: Alle sogenannten „großen Teams“ wie der 1. FC Kaiserslautern wurden ebenso gehandelt, sind dann aber in ganz anderen Regionen gelandet. Intern haben wir uns über ein konkretes Ziel noch nicht unterhalten. Das wird aber in den nächsten Wochen sicherlich noch kommen.
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