„Kevin De Bruyne war einzigartig“
Christian Träsch spricht über herausragende Mitspieler und besondere Erinnerungen als Fußballprofi. Wo er seine Zukunft sieht und welcher Moment für den zehnmaligen deutschen Nationalspieler sehr bitter war.
Christian Träsch, diese Woche gab es in der Champions League verrückte Spielverlaufe. Zum einen das „Wunder von Rom“, zum anderen wäre Real Madrid beinahe ausgeschieden. Haben Sie die Partien verfolgt?
Christian Träsch: Nur teilweise. Da ich zwei kleine Kinder habe, geht es morgens sehr früh los und daher am Abend rechtzeitig ins Bett. Aber ich habe natürlich mitverfolgt, was geschehen ist. Mit dem FC Barcelona ist eine der besten Mannschaften der Welt noch ausgeschieden. Das ist kurios und daran sieht man, was im Fußball möglich ist.
Wecken die Spiele bei Ihnen Erinnerungen? Mit dem VfL Wolfsburg waren Sie fast auf den Tag genau vor zwei Jahren nahe an der Sensation, als im Viertelfinalhinspiel Real Madrid mit 2:0 besiegt wurde und sie die letzten zehn Minuten auf dem Feld standen?
Träsch: Ich erinnere mich sehr gerne zurück. Wir hatten nach dem Sieg im Hinspiel wirklich die Möglichkeit, weiterzukommen. Doch im Rückspiel in Madrid wurden wir richtig überrumpelt (Träsch saß 90 Minuten auf der Bank, Anm. der Red.). Was Real in den ersten 20 Minuten abgeliefert hat, war sensationell. Wir lagen früh 0:2 hinten und haben 0:3 verloren. Cristiano Ronaldo hat alle drei Tore geschossen. Dennoch waren wir nahe dran und wären bereits mit einem einzigen Tor im Halbfinale gestanden.
Sind diese großen Spiele – Sie bestritten unter anderem 14 Champions-League-Partien – die größten Momente ihrer Karriere?
Träsch: Sie gehören mit Sicherheit dazu. Insgesamt gab es viele tolle Momente in meiner Karriere. Der DFB-Pokalsieg mit dem VfL Wolfsburg 2015 war sehr schön, auch der Gewinn des Super-Cups im Jahr darauf gegen Bayern München. Dazu kommen die Erlebnisse mit der deutschen Nationalmannschaft. Spiele gegen Brasilien und Uruguay bleiben im Gedächtnis, auch die Partie in Berlin gegen die Türkei, die fast ein Auswärtsspiel war.
Beim 3:2-Sieg Deutschlands gegen Brasilien im August 2011 standen Sie 90 Minuten auf dem Platz. Viele spätere Weltmeister von 2014 wie Philipp Lahm, Thomas Müller, Toni Kroos oder Mario Götze gehörten ebenfalls der Startelf an, für Brasilien lief Neymar auf. Ist es rückblickend schade, dass Sie nie ein großes Turnier spielen durften?
Träsch: Ich war ja nah dran. 2010 habe ich mir drei Tage vor dem Abflug zur Weltmeisterschaft nach Südafrika in einem Testspiel gegen den FC Südtirol Bänder und Kapsel gerissen. Das war ein sehr, sehr bitterer Moment in meiner Karriere. Es wäre natürlich schön gewesen, ein solches Turnier mitzunehmen. Aber ich weine dem Ganzen nicht mehr hinterher.
Sie standen mit vielen bekannten Spielern in einem Team. Gibt es den herausragenden Spieler?
Träsch: Es waren viele sehr gute dabei. Einzelne aufzuzählen, ist schwierig. Kevin De Bruyne, mit dem ich in Wolfsburg spielte, war einzigartig. Naldo ist eine Macht in der Innenverteidigung, Mario Gomez im Sturm. Auch Ivan Perisic ist ein super Fußballer. Es freut mich, die Möglichkeit bekommen zu haben, mit solchen Leuten zusammenzuspielen.
Bleiben im heutigen Fußballgeschäft Kontakte bestehen?
Träsch: Der Fußball ist sehr schnelllebig. Freundschaften bleiben wenige. Mit Bayern-Torwart Sven Ullreich bin ich noch sehr gut befreundet, wir treffen uns jede Woche. Mit Mario Gomez schreibe ich viel. Man denkt manchmal, dass bereits Freundschaften entstanden sind. Doch wenn sich die Wege dann trennen, heißt es bis auf einige Ausnahmen leider, aus den Augen aus dem Sinn.
Sie haben in Ihrer Karriere meist als Rechtsverteidiger agiert. Haben Sie ein wenig gefremdelt und sich mehr als defensiver Mittelfeldspieler gesehen?
Träsch: Jein. Ich habe auch die Position des Rechtsverteidigers gerne gespielt. Ein moderner Außenverteidiger hat viele Ballkontakte und ist nicht auf die Defensive beschränkt. Ich fühle mich dennoch im Zentrum wohler, wo man ein Spiel lenken und das Tempo mitbestimmen kann. Zu Beginn meiner Karriere bei den Profis bin ich beim VfB Stuttgart als Rechtsverteidiger reingerutscht. Ricardo Osorio und Andreas Beck waren verletzt, dann war kein anderer mehr da. Später hat mich Markus Babbel auf die Sechs an die Seite von Sami Khedira oder Thomas Hitzlsperger gestellt. Danach bin ich immer hin und her gerutscht. In der Nationalmannschaft habe ich damals hinten rechts gespielt, beim VfB im Mittelfeld. Die Positionswechsel haben mich meine ganze Karriere begleitet.
Vor der Saison sind Sie in ihre Geburtsstadt Ingolstadt zurückgekommen. Was bedeutet Heimat für Sie?
Träsch: Heimat bedeutet für mich Familie. Meine und die meiner Frau leben hier, unsere Großeltern sind noch am Leben. Mein Opa und meine Oma kommen zu jedem Heimspiel ins Stadion, was mir sehr viel bedeutet. Das war früher nicht möglich.
Sie haben in großen Stadien wie in Manchester, Madrid oder Barcelona gespielt. Ist es ein Kulturschock, nun etwa in Heidenheim oder Sandhausen aufzulaufen?
Träsch: Ein Kulturschock ist es nicht. Der Wechsel war eine bewusste Entscheidung. Mir war klar, dass wir auch in kleineren Stadien spielen werden.
Auch rein sportlich dürfte der Unterschied riesig sein...
Träsch: Das stimmt, was die Art und Weise betrifft. In der Bundesliga wird mehr Fußball gespielt. Die 2. Liga ist vom Kampf geprägt und eine sehr, sehr harte Liga. Viele lange Bälle werden geschlagen, die Mentalität spielt eine große Rolle. Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass es so über die Härte geht.
Ist Ihr Ziel, noch einmal in der Bundesliga aufzulaufen?
Träsch: Ja, das ist ein mittelfristiges Ziel. Nicht nur von mir, sondern vom ganzen Verein und der Stadt. In Ingolstadt bestehen Möglichkeiten, die erstligatauglich sind.
Mit einem Erfolg gegen Nürnberg am Sonntag könnte man an Platz drei heranrücken. Ist der Aufstieg heuer noch drin?
Träsch: Das beschäftigt uns derzeit nicht. Wir haben in der Rückrunde oft vom Aufstieg gesprochen und hatten Möglichkeiten, oben ranzukommen, die wir nicht genutzt haben. Wichtiger in dieser verrückten Liga ist, dass wir nach unten einen gewissen Vorsprung haben und den Abstand vergrößern.
Sie haben ein Haus in Ingolstadt gebaut. Bedeutet das, dass Sie ihre Karriere in ihrer Heimat beenden?
Träsch: Ich will nicht nur bis zum Ende der Karriere, sondern auch darüber hinaus in Ingolstadt bleiben. Hier ist unser Lebensmittelpunkt, allein der Familie wegen. Unsere Kinder sollen in der Nähe ihrer Groß- und Urgroßeltern aufwachsen.
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