Nationalmannschaft: Abgang mit Misstönen
Joachim Löw ist beim 4:0-Sieg gegen Kasachstan zufrieden. Nicht aber mit den Pfiffen und „Raus“-Rufen des Pfälzer Publikums gegen den schwachen Schweinsteiger.
Am skurrilsten sind Fußball-Pressekonferenzen, wenn sie eines Dolmetschers bedürfen. Entweder versteht der Dolmetscher den Trainer nicht, und übersetzt, was der Coach gesagt haben könnte. Oder er versteht ihn so gut, dass er eine Interpretation der Traineraussage liefert, die acht Mal so lang ist, wie die Trainerrede selbst.
Manchmal haben die Journalisten aber auch das Gefühl, dass ein wahrer Meister seines Faches übersetzt. Einer, der bei Bedarf die Trainer-Sätze auch noch schnell in Suaheli übertragen könnte. Dann aber stellt sich heraus, dass der Meister keine Ahnung vom Fußball und damit auch keine Gespür für Fußball-Sprache hat.
Im vorliegenden Fall der Nachbetrachtungen zum Deutschen 4:0 (3:0)-Sieg im EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan lag die Sache irgendwo dazwischen. Miroslav Beranek, ein Tscheche, äußerte sich zum Spiel seiner Mannschaft in russisch, oder was manche dafür hielten. Nicht immer nämlich schien er die russischen Fragen der kasachischen Kollegen zu verstehen. Egal. Es gab ja den Dolmetscher.
Er ist es, der einem Satz oder einem Gedanken mit einer Unschärfe eine interessante, eigene Note geben kann. „Es war ein sehr trauriges Spiel für uns“ musste sich der wehrlose Beranek also ins Deutsche übersetzen lassen, obwohl die Partie für Kasachstan nicht trauriger war, als alle vorausgegangenen Qualifikationsspiele für die EM 2012. Wieder kein Tor geschossen, wieder verloren, weiter abgeschlagener Letzter in der Tabelle. Bitter war vielleicht, dass die Kasachen 43 Minuten der zweiten Halbzeit ein 0:0 gegen den WM-Dritten Deutschland hielten, ehe Klose zum 4:0 traf.
Furchtbar traurig war das Spiel auch für Joachim Löw nicht. Eine Halbzeit heiter, später weniger strahlend. Sich nicht am Gegner messen, sondern den Maßstab ausschließlich an sich selbst legen, war die Vorgabe gewesen, was hieß, das Pfälzer Publikum mit Tempofußball und Toren zu unterhalten. „Diesem Anspruch sind wir 45 Minuten lang gerecht geworden“, äußerte sich der Bundestrainer zufriedener als es die Gesamtbilanz beider Spielhälften gegen den 126. der Weltrangliste eigenlich zulässt.
Nach den Toren von Klose (3.) und Müller (25./43.) lief das deutsche Spiel in der dicht bevölkerten Gästezone breiartig auseinander und kam nicht selten völlig zum erliegen. „Der Gegner hat lange Zeit nicht mehr getan, als zu verteidigen“ beklagte sich Löw ein wenig über das destrukive Auftreten der Kasachen. Vielleicht wäre alles dennoch harmonischer ausgegangen, hätte seine Mannschaft das Ergebnis etwas früher in die Höhe geschraubt. „Wir müssen uns vorwerfen lassen, dass wir etliche Chancen unklar gespielt haben“, räumte Miroslav Klose umständlich ein, der mit seinen Länderspieltreffern 60 und 61 Rekordhalter Gerd Müller (68) näher rückt. So aber äußerte das prinzipiell gutwillige Pfälzer Publikum nach einer Stunde Unmut über die immer wieder fehlschlagenden Angriffsversuche. Der Ärger traf vor allem Bastian Schweinsteiger, dem wenig gelang. Es gab Pfiffe und „Schweinsteiger-raus-Rufe“. Löw wechselte den 26-Jährigen für Kroos aus (75.), was aber nicht als Reaktion auf das Publikum zu verstehen gewesen sei, sondern „von Beginn an geplant war“.
Für die Zuschauer hatte der Bundestrainer kein Verständnis. Löw: „Ich empfinde das als äußerst negativ.“ Wer eine Saison hinweg ein solches Arbeitspensum leiste, habe das Recht auch einmal unter seinem Niveau zu spielen. Nur Klose stellte sich vor seine Pfälzer: „Wir haben die Zuschauer hinter uns, wenn wir guten, temporeichen Fußball spielen, den haben wir nicht geboten“. Das klingt nach dem Ärger eines Pfälzers über die Schelte an seinen Landsleuten. Tatsächlich sind Spiele gegen Fußball-Entwicklungsländer, schon weiter daneben gegangen – und die Bilanz nach fünf Qualifikationsspielen bleibt makellos (Fünf Siege, 15 Punkte, 17:1 Tore.) Das Ticket für Polen und die Ukraine könnte bereits im Juni gesichert sein.
Am Dienstag trifft die deutsche Elf in Mönchengladbach (20.45 Uhr/ARD) testweise auf Australien. Der WM-Gegner von 2010 ist ein härterer Brocken, als das Null-Punkte-null-Tore-Team der Kasachen. Löw will experimentieren. Badstuber wird Hummels weichen. Für Schürrle muss er auch Platz schaffen. Özil und Khedira dürfen wegen der hohen Spielbelastung wieder nach Hause, ebenso Lahm. Löw hat reichlich guten Ersatz. Nicht traurig sein, also.
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