Toni Kroos bricht ein Interview ab und stößt unbewusst eine Debatte zum großen Thema an: Was ist denn eigentlich so richtig deutsch?
Interviews unmittelbar nach Spielschluss dienen ja einzig der Unterhaltung. Wer von jenen tiefgehende Analysen erwartet, deren Blut überall im Körper zirkuliert, nur gerade nicht im Hirn, erhofft sich auch von Heidi Klum eine reflektierte Meinung zum Körperkult. Mehr als „Ja gut ich sag mal, sag ich mal“ ist in den wenigsten Fällen zu erwarten, dementsprechend galt schon die Ankündigung Per Mertesackers als außergewöhnlich, sich im Nachgang eines WM-Spiels erst einmal in eine Eistonne zu begeben.
Toni Kroos bricht nach Finale der Champions League Interview ab
Toni Kroos ist bislang nicht dadurch aufgefallen, dem Zuschauer weiterführende Perspektiven nach einem Spiel zu eröffnen. Das hat sich mit dem Champions-League-Finale 2022 geändert. Nachdem seine Madrilenen das Spiel mit 1:0 gegen Liverpool gewonnen hatten, wollte der freche Sportreporter Nils Kaben nicht einfach wissen, wie Kroos sich denn fühle, sondern ob es ihn überrascht habe, dass seine Mannschaft unter Bedrängnis geraten sei.
Da hatte Kroos vom Feeling her kein gutes Gefühl und brach das Interview ab. Bei drei negativen Fragen wisse man schon, dass der Interviewer aus Deutschland kommt. Typisch deutsch also. Ein wenig gewagt von jemandem, der den Champions-League-Pokal derart für sich vereinnahmt wie germanische Urlauber Liegen am Pool. Der als Lieblingsgruppe die harmlose deutsche Kapelle PUR angibt und phänotypisch eher nicht brasilianisch anmutet. Jemanden als typisch „deutsch“ zu bezeichnen, ist ja dann vielleicht auch nur typisch deutsch für einen Deutschen, der sich selbst als untypisch deutsch empfindet. Das aber freilich sind keine Gedanken, die sich unmittelbar nach Spielschluss auftun.
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Die Fragen des ZDF-Reporters Kaben waren fachlich korrekt und in keinster Weise provozierend. Aber vielleicht hatte Herr Kroos erwartet, daß der Journalist ihm mehr huldigt, als nunmehr einem der erfolgreichsten deutschen Spieler, anstatt berechtigte kritische Fragen zum Spielverlauf zu stellen. Mehrere in- und ausländische Fach-Magazine haben den Spieler für die Partie eher als mittelmäßig bewertet. Vielleicht hat er schon im Spiel bemerkt, daß es nicht gut läuft und war deshalb schon vor dem Interview genervt. Typisch deutsch, halt...