DHB-Team vor dem Start: "Irgendwas Besonderes liegt in der Luft"
Julius Kühn betont vor dem ersten EM-Spiel den Zusammenhalt. Der sei besser als bei vergangenen Turnieren. Trainer Alfred Gislason dämpft aber die Erwartungen.
Warm in eine dicke Jacke eingepackt und bestens gelaunt schritt Alfred Gislason durch die Hoteltür in Bratislava und kam nach draußen. "Ganz schön kalt hier", sagte der Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft, der aus seiner isländischen Heimat eigentlich niedrige Temperaturen gewohnt ist. Der eisige Wind in der slowakischen Hauptstadt setzte aber auch dem 62-Jährigen sichtbar zu.
Schon nach wenigen Minuten tränten die Augen des Trainers, der ansonsten aber eine extreme Konzentration auf die anstehende EM-Mission ausstrahlte und keine Miene verzog. Es fehlte eigentlich nur noch eine Sonnenbrille, um das Bild abzurunden, das er mit seiner Mischung aus Gelassenheit und Fokussierung abgab. So ganz nach dem Motto: Uns kann keiner was. Außer natürlich das Coronavirus, wenngleich die Deutschen mit den Hygienestandards in ihrer Unterkunft extrem einverstanden sind.
Beim Co-Gastgeber Ungarn wird vor vollen Hallen gespielt
"Hier ist alles sehr gut. Alle Hotelgäste tragen eine Maske, es geht nicht so zu wie in Ungarn. Die scheinen das dort lockerer zu sehen als hier", meinte Gislason mit Blick auf die Berichte aus den Spielorten des EM-Mitausrichters. Serben, Franzosen und Isländer hatten sich bereits lautstark über den zu laschen Umgang mit den Corona-Regeln in Budapest und Szeged beschwert, weshalb die Deutschen froh sind, nicht dort zu sein. Erst recht angesichts der Tatsache, dass in Ungarn in ausverkauften Hallen gespielt wird, während in der Slowakei die Arenen nur zu 25 Prozent gefüllt sein dürfen.
"Dass dort alles erlaubt ist, bereitet mir schon ein wenig Bauchschmerzen", sagte Rückraummann Julius Kühn, der mit seinen Teamkollegen den zwölften Stock im Quartier unweit der Halle Ondreja Nepelu bezogen hat und sich nicht nur auf das Auftaktspiel gegen Belarus am Freitag (18 Uhr, ARD) freut, sondern auch ein extrem gutes Gefühl hat: "Irgendwas Besonderes liegt in der Luft."
Der wurfgewaltige Rechtshänder vom Bundesligisten MT Melsungen spricht von einer Stimmung, die "anders" als in den Vorjahren sei: "Manchmal wäre es vielleicht gut, zwischen den Trainingseinheiten im Bett zu liegen." Nur habe daran keiner ein Interesse. Stattdessen versammle sich die Mannschaft an der Dartscheibe oder spiele Karten.
Der Startsieg gegen Belarus ist keine Selbstverständlichkeit
Kurzum: Der Zusammenhalt wird großgeschrieben bei der stark verjüngten deutschen Auswahl, bei der acht Spieler gegen Belarus ihr EM-Debüt feiern könnten. "Erst im Turnier können wir sehen, wo wir stehen. Es ist auch für mich spannend, was nun kommt. Jetzt ist die Realität, jetzt können wir anfangen", sagte Gislason, dessen Spieler sich auf den EM-Auftakt so sehr freuen wie kleine Kinder auf das Weihnachtsfest. Alle sind gespannt, aufgeregt, neugierig und voller Vorfreude. Allerdings geht zum Fest nicht immer jeder Wunsch in Erfüllung. Schon der angestrebte Sieg gegen Belarus ist keine Selbstverständlichkeit. Gislason spricht von "einem 50:50-Spiel", verlangt von seiner Mannschaft aber einen Erfolg. Zwei Punkte würden fraglos viele Dinge erleichtern, wenngleich die Pandemie als große Unbekannte bleibt. "Wir haben schon spaßeshalber gesagt: Wir müssen nur gesund bleiben, dann kommen wir schon relativ weit", verriet Kühn, dass die Mannschaft trotz der schwierigen Umstände ihren Humor nicht verloren hat.
Allerdings ist den Deutschen das Virus näher gekommen, als ihnen lieb sein kann. Gruppengegner Polen lebt im gleichen Hotel – und meldete am Donnerstag fünf Infektionen.
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