
Legendärer Schwimm-Rekord im Ärmelkanal: "Leben lang darauf vorbereitet"


Schneller ist noch kein Mensch von England nach Frankreich geschwommen. 6:45 Stunden war Andreas Waschburger unterwegs. Eine Leistung für die Geschichtsbücher.
Herr Waschburger, wie bereitet man sich darauf vor, den Ärmelkanal schneller zu durchschwimmen, als je ein Mensch zuvor?
Andreas Waschburger: Im Prinzip mein ganzes Leben. Ich bin schon 20 Jahre im Freiwasser auf Langstrecken unterwegs. Die Ausdauer, um die Belastung von fast sieben Stunden bzw. 34 Kilometern mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1:10 Minuten pro 100 Meter zu schaffen, eignet man sich nicht in einem Jahr an. Dennoch haben wir seit Jahresbeginn speziell für den Ärmelkanal trainiert. Das bedeutete zum einen kilometerintensive Schwimmeinheiten und zum anderen Kältetraining.
Wie viele Kilometer schwimmen Sie in einer normalen Trainingswoche?
Waschburger: Zwischen 80 und 120 Kilometer pro Woche. Dabei haben wir gesteigerte Einheiten von bis zu 30 Kilometer gemacht, um mich an die lange Belastungszeit zu gewöhnen. Trainiert habe ich immer im Becken am Olympiastützpunkt in Saarbrücken.
So ein Trainingspensum kostet enorm viel Zeit. Betreiben Sie das Schwimmen als Profi?
Waschburger: Ja, ich bin bereits seit 2009 in der Sportfördergruppe der Polizei. Ich bin zu 50 Prozent freigestellt, um meinen Leistungssport zu betreiben.
Die Durchquerung des Ärmelkanals ist die legendärste Strecke für Schwimmer überhaupt. Hatten Sie es schon länger im Hinterkopf, die Rekordzeit anzugreifen?
Waschburger: Ja, sie hat mich schon immer gereizt, auch weil ich die bisherigen Rekordhalter Trent Grimsey aus Australien und Petar Stoychev aus Bulgarien von Wettkämpfen kenne. Mit Christof Wandratsch, dem bisher schnellsten Deutschen, stand ich ebenfalls in Kontakt.
Wie bereitet man so ein Unternehmen vor? Schließlich kann man ja nicht einfach ins Wasser springen und losschwimmen ...
Waschburger: Nein, das geht natürlich nicht. Das Vorhaben muss angemeldet werden und ist auf Monate ausgebucht. Es gibt zwei Federationen, die das Schwimmen im Ärmelkanal anbieten. Es ist auch nur von England nach Frankreich möglich, da Frankreich einen Start nicht erlaubt. Ich hatte dafür mit Michael Oram den besten Mann an meiner Seite. Er hatte die vorherigen Rekordhalter auch begleitet. Im Ärmelkanal spielen viele Faktoren mit. Die Gezeiten, die Strömung, der Wind und generell das Wetter. Das ist eine Wissenschaft für sich, die jedoch, um den Rekord schaffen zu können, große Bedeutung hat. Was man auch nicht unterschätzen sollte, sind die Strömungen und die Wassertemperatur. An meinem Renntag, dem 8. September, hatte das Wasser 18 Grad. Ein Neopren ist nicht erlaubt. Diese Kälte über Stunden kann man nur mit spezieller Vorbereitung aushalten. Ich war über Monate zweimal die Woche in einer Kältekammer bei -90 Grad. Am Ende konnte ich acht Minuten darin aushalten.
Im Ärmelkanal sind jede Menge Frachter unterwegs. Mussten Sie und Ihr Begleitboot ausweichen?
Waschburger: Wir waren natürlich überall angemeldet. Aber so ein Riesenschiff hält für uns natürlich nicht an. Die mussten wir umfahren. Michael hat aber so viel Erfahrung, dass das immer gepasst hat. Zweimal hatten wir Situationen, da dachte ich mir schon: Hoffentlich blockieren die uns nicht. Ist aber gut gegangen. Dafür gab es dann richtige Wellen.
Wie haben Sie sich orientiert?
Waschburger: Ich bin neben dem Boot hergeschwommen, das ist bei jedem Schwimmer so. Einen anderen Orientierungspunkt gibt es da draußen nicht. Man sieht erst ein bis zwei Kilometer vor dem Ziel wieder Land. Es ist aber verboten, das Boot zu berühren. Alle 20 Minuten habe ich Verpflegung bekommen, ein Kohlenhydratgemisch. Weil es mir ja um die Zeit ging, habe ich keinen Moment angehalten, also auch nicht während des Verpflegens. So hat meine Verpflegung meist um die vier Sekunden gedauert. Für den Rekordversuch wurden extra zwei Kontrolleurinnen abgestellt, die alles überwacht und dokumentiert haben.
Hatten Sie unterwegs ein körperliches oder mentales Tief?
Waschburger: Körperlich hatte ich keinen Moment, in dem ich mich schlecht gefühlt habe. Ich konnte immer Tempo machen. Das einzige Problem für den Kopf war, dass ich am Anfang sehr schnell unterwegs war und drei Minuten vor der Weltrekordzeit lag. Anhand der Durchgangspunkte wurde mir das alle 15 Minuten durchgesagt. Dann ist dieser Vorsprung aber wieder geschrumpft und ich konnte mir erst nicht erklären, warum. In dem Moment hatten wir aber eine Gegenströmung. Jeder hat andere Bedingungen.
Würden Sie sagen, dass Sie perfekte Bedingungen hatten?
Waschburger: Das weiß ich nicht, für mich hat es sich auf jeden Fall sehr gut angefühlt. Nur von der Linienführung her bin ich ein bisschen weiter geschwommen als Trent damals.
Wie findet man auf so einer langen Strecke das richtige Tempo?
Waschburger: Da habe ich mich auf mein Tempogefühl verlassen. Ich habe mir eine Uhr hinhängen lassen, um zu sehen, wie lange ich schon unterwegs bin. Und die Verpflegung alle 20 Minuten hat mir auch geholfen, die Strecke einzuteilen. Im Nachhinein habe ich gesagt, dass ich an manchen Stellen noch schneller hätte schwimmen können. Aber wer weiß, vielleicht wäre ich dann am Ende eingegangen.
Wie lange hat es nach der Überquerung gedauert, bis sich Ihr Körper erholt hatte?
Waschburger: Wir hatten am Tag danach ein Fotoshooting und ich bin kaum noch mal in den Schwimmanzug gekommen, weil mein Körper durch das lange Schwimmen so aufgequollen war. Auch meine Handgelenke waren durch die Belastung angeschwollen. Durch das Salzwasser und die Reibung habe ich am Rücken einige Schürfwunden.
Klar, dass jetzt noch die Frage kommt: Welches Unternehmen folgt als Nächstes?
Waschburger: Eigentlich dachte ich, dass das mein Abschied vom Freiwasserschwimmen ist. Im Februar ist noch die Europameisterschaft im Eisschwimmen in Rumänien. Danach wollte ich abtrainieren. Jetzt haben aber viele, darunter auch mein Trainer Jan Wolfgarten und mein Sponsor, die Ocean's Seven (sieben Langstreckenschwimmen überall auf der Welt als Äquivalent zu den Seven Summits, den sieben höchsten Gipfeln jedes Erdteils, Anm. d Red.) ins Spiel gebracht. Aber das hängt jetzt von vielen Dingen ab, unter anderem von der Freistellung bei der Polizei und ob ich mir diese Belastung noch mal antun möchte. Das muss ich mir alles noch in Ruhe überlegen.
Andreas Waschburger, 36, aus Saarbrücken, ist der schnellste Mensch, der je den Ärmelkanal durchschwommen hat. 6:45 Stunden benötigte er vom englischen Dover ins französische Calais. Die Strecke beträgt 32 Kilometer, in der Regel sind die Schwimmer aber länger unterwegs, da unter anderem Strömungen und Schiffsverkehr die Ideallinie beeinflussen. Den Rekord hatte zuvor der Australier Trent Grimsey mit 6:55 Stunden gehalten. Waschburger ist ein erfahrener Freiwasserschwimmer, war viele Jahre Teil der deutschen Nationalmannschaft, gewann 2012 EM-Silber über fünf und zehn Kilometer und startete 2012 bei den Olympischen Spielen in London über zehn Kilometer. Als erster hatte der Brite Matthew Webb im August 1875 den Ärmelkanal durchquert, er war 21:45 Stunden unterwegs. Erste erfolgreiche Kanalschwimmerin war Gertrude Ederle (USA). Sie benötigte im Jahr 1926 14:32 Stunden.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Weltklasse-Schwimmerin Leonie Beck an:
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