
"Hitlerson": Deutscher fällt bei Römer-Derby auf


Die Fans Lazio Roms sind bekannt für ihre teilweise faschistischen Tendenzen. Nun fiel ein Deutscher in ihrem Block auf. Viel zu befürchten hat er nicht.
In Italien kann man so etwas offenbar machen. Mit dem Namen "Hitlerson" auf dem Trikot hatte sich am vergangenen Sonntag ein Fan in der Kurve von Lazio Rom beim Stadtderby gegen den AS Rom gezeigt. Den Namen gibt es im Team nicht, bei Lazio spielt nur ein gewisser Felipe Anderson. Dass der Fußballfan mit der Aufschrift auf Adolf Hitler anspielte, wurde auch durch die Trikotnummer deutlich, die er gewählt hatte. Die Nummer 88 steht in Neonazi-Kreisen für den achten Buchstaben im Alphabet, also für HH, in diesem Zusammenhang eine Anspielung auf den Nazi-Gruß "Heil Hitler". Nun stellte die italienische Polizei per Videoaufzeichnungen die Identität des Rechtsradikalen fest: Er stammt aus Deutschland.
Der harte Kern der Anhänger von Lazio Rom ist berüchtigt für seine Faschismus-Sympathien. Offenbar fühlen sich nun auch Neonazis aus dem Ausland von diesem Ambiente angezogen. Zudem regiert in Italien seit Herbst eine Ultrarechts-Regierung mit der Partei Fratelli d'Italia an der Spitze, deren Mitglieder ebenfalls Sympathien für den Faschismus pflegen. Es fühlt sich inzwischen manchmal so an, als sei die Apologie des Faschismus in Italien kein Delikt, sondern Teil der nationalen Kultur.
Italien: Allgegenwärtige Verbindungen zum Faschismus
Kürzlich erst stolperte der von der Regierung nominierte Chef der italienischen Digitalagentur 3-I über ein Mussolini-Zitat. Claudio Anastasio trat zurück. Er pflegt enge Kontakte zu Rachele Mussolini, Enkelin des Duce und Parteigängerin von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Deren Schwager, Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, hatte für Anastasios Nominierung gesorgt. Auch Lollobrigidas Verbindung mit dem Faschismus ist offensichtlich. 2012 setzte er sich für ein neofaschistisch anmutendes Mausoleum für den faschistischen Kriegsverbrecher Rodolfo Graziani im Dorf Affile bei Rom ein. Obwohl General Graziani bis 1933 tausende Libyer in Konzentrationslager deportieren ließ und zwischen 1935 und 1937 einen Giftgas- und Vergeltungskrieg in Äthiopien führte, wird er von Neofaschisten bis heute als Held verehrt.
In dieses Bild fügen sich die Exzesse in den Fußballstadien. Wiederholt hatten die Lazio-Anhänger am Sonntag zudem antisemitische Chöre gesungen, die Sportjustiz ermittelt. Protest kam zunächst nur von der jüdischen Gemeinde. Ruth Dugherello, die Vorsitzende, twitterte: "Eine ganze Kurve, die antisemitische Chöre singt, ein 'Fan' auf der Tribüne mit dem Hitlerson-Hemd und der Nummer 88 und wir, wie immer, sind die Einzigen, die sich empören und protestieren." Die jüdische Gemeinde fühlt sich angesichts der allgemeinen Indifferenz alleingelassen. Nach Bekanntwerden der Episoden ermittelte der italienische Staatsschutz. Drei Männer wurden identifiziert. Einer von ihnen zog sich im Stadion das "Hitlerson"-Trikot über, die drei wurden dabei gefilmt, wie sie den römischen Gruß, eine Variante des Hitler-Grußes, zeigen.
Rechtsextremismus im Fußballstadium: Rechtliche Folgen sind unwahrscheinlich
Angst haben die Neofaschisten offenbar nicht. Stattdessen posieren sie stolz in den sozialen Netzwerken. Strafverfolgung müssen sie in Italien nicht befürchten. Der Tatbestand "Apologie des Faschismus" wird von italienischen Richtern meist nur dann für gegeben angesehen, wenn "eine ernste und konkrete Gefahr der Neuorganisation der faschistischen Partei" erkannt wird, also so gut wie nie. Bei den Stadion-Episoden ist das natürlich nicht der Fall. Der Tatbestand wurde 1952 per Gesetz festgelegt, das Verfassungsgericht legte ihn stets sehr eng aus. Spätere Versuche der Politik, auch Nazi-Gesten wie den römischen Gruß oder Propaganda unter Strafbarkeit zu stellen, schlugen zuletzt im Jahr 2017 fehl.
Sportminister Andrea Abodi erkannte in erster Linie eine individuelle Verantwortlichkeit. "Wer einen Fehler macht, muss dafür bezahlen, und dazu brauchen wir mehr Technik in den Stadien. Wir dürfen keine Alibis finden, wir müssen auch auf kultureller Ebene eingreifen, angefangen bei den Schulen, und es muss eine Zusammenarbeit zwischen den Institutionen geben", sagte er. Der Verein Lazio Rom distanzierte sich von "jeglicher diskriminierender, rassistischer oder antisemitischer Kundgebung oder Aktion". Die Frage ist, wie wirksam solche Bekenntnisse angesichts der herrschenden politischen Klasse in Italien sind. Zweiter Mann im Staat ist Senatspräsident Ignazio La Russa. Der Sohn eines faschistischen Funktionärs aus Sizilien hat sich mehrfach öffentlich stolz über die Mussolini-Büsten gezeigt, die er zu Hause aufbewahrt.
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