Der Fall Niederlechner: Gesagtes, das nie gesagt wurde

08.01.2023

Dass Florian Niederlechner ein Interview zurückgezogen hat, ist ärgerlich – aber kein Problem. Das liegt an anderer Stelle.

Wenn Sportler und Sportlerinnen auf kontroverse Aussagen angesprochen werden, die sie in einem Interview getätigt haben, sagen sie oft: "Das habe ich so nie gesagt." Und damit haben sie meistens recht. Denn ehe ein Gespräch mit einem Profi den Weg in die Zeitung oder das Internet findet, durchläuft es den Weg der Autorisierung.

Autorisierung: Profi, Verein oder Berater glätten, straffen und erläutern

Bedeutet: Profi, Verein und möglicherweise auch noch ein Berater haben die Möglichkeit, Aussagen zu glätten, zu straffen oder zu erläutern, ehe sie veröffentlicht werden. Kann sinnvoll sein, weil beispielsweise Missverständliches geradegerückt wird. Ist meist aus Sicht der Medien ärgerlich, weil besonders interessante Passagen gerne mal verschwinden.

Vergangene Woche zog Augsburg-Stürmer Florian Niederlechner ein ganzes Interview vor der Veröffentlichung zurück. Gesagtes, das nicht mehr gesagt wurde. Ein Phänomen. Auch Ausdruck dessen, dass die Sportberichterstattung zu Teilen anderen Gesetzmäßigkeiten folgt, als jene über Politik oder Kultur.

Politikerinnen und Politiker lassen sich gerne zitieren. Sie sind abhängig davon, mit ihrer Meinung durchzudringen. Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Kino-Stars geben Interviews, weil Aufmerksamkeit für ihre neuen Filme geschaffen werden soll. Fußballer wollen kein Wahlvolk überzeugen. Die Fans strömen nicht ins Stadion, weil sich ein Spieler über kontroverse Themen äußert. 

Der Sport profitiert von der Berichterstattung

Gleichwohl gehört es zum Job von Sportprofis, Interviews zu geben. Schließlich profitieren sie nicht zuletzt finanziell von der auch durch Medien geschaffenen öffentlichen Wahrnehmung. Auf der anderen Seite rentiert sich für Medien Berichterstattung über Sport. Geben. Nehmen.

Lesen Sie dazu auch

Dass es dabei zu Interessenskonflikten kommt, ist systembedingt und kein Problem – solange sich Sportler und Medien ihrer zugeschriebenen Rolle bewusst sind. Da macht es nichts aus, wenn ein Stürmer ein Interview zurückzieht. Lieber so, als von einer PR-Abteilung zur Unkenntlichkeit verstümmelte Larifari-Aussagen. Immerhin kann nun niemand behaupten, es so aber nie gesagt zu haben. 

Facebook Whatsapp Twitter Mail