
Ein Auswärtsspiel in Berlin: Atmosphäre in Berlin "wurmt" die Nationalspieler


In Berlin muss das deutsche Team gegen eine Auswärtskulisse antreten: Die türkischen Fans pfeifen jede Aktion der DFB-Elf aus. Thomas Müller zeigt sich verärgert.
Deutschland gegen die Türkei – das hätte ein Fußballfest werden sollen. Stattdessen gab es beim DFB viel Frust bei der ersten Pleite von Julian Nagelsmann bei dessen Heimdebüt als Bundestrainer. Wobei: Ob die DFB-Elf hier ein Heimspiel hatte, ist dann doch etwas fraglich. Von den knapp 73.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion waren mindestens zwei Drittel Fans der türkischen Nationalmannschaft, schon auf dem Hinweg waren in den U-Bahnen fast ausschließlich Fahnen mit dem Halbmond zu sehen gewesen. Dementsprechend hatten die türkischen Fans auch im Stadion ganz klar die Oberhand.
Schon beim Aufwärmen wurden die drei deutschen Torhüter Kevin Trapp, Janis Blaswich und Oliver Baumann lautstark ausgepfiffen. Es war ein Vorgeschmack auf das anschließende Spiel: Nur bei der deutschen Hymne schwiegen die Fans der Türkei. Ansonsten wurde jede Aktion der deutschen Nationalspieler mit Pfiffen und Buhrufen begleitet. Vor allem Kapitän Ilkay Gündogan hatte keinen leichten Stand. Der 33-Jährige, der erstmals gegen das Land seiner Eltern spielte, wurde bei jedem Ballkontakt besonders ausgepfiffen. "Es war einfach fantastisch, eine Stimmung wie bei einem Heimspiel", freute sich etwa der türkische Coach Vincenzo Montella nach Abpfiff.
Thomas Müller: "Die Atmosphäre hat uns gewurmt"
Das sah man auf deutscher Seite naturgemäß etwas anders. "Die Atmosphäre hat uns gewurmt", sagte Thomas Müller nach Schlusspfiff. Dabei habe man eigentlich die Antwort aus sportlicher Sicht geben wollen: "Wir dachten uns: Denen wollen wir zeigen, dass wir trotzdem gewinnen oder die Genugtuung nicht geben, dass am Ende die Türkei in Berlin gewinnt", so Müller. "Wir wollten eigentlich zeigen: 'Hey, so nicht!' Aber klar, der Sport und das Leben laufen nicht immer so, wie man sich das wünscht." Also ein ähnlicher Ansatz wie beim jüngsten Auftritt der Bayern bei Galatasaray Istanbul, wo Müller mit seinem Vereinskollegen eine Lautstärke von 130 Dezibel aushielt und trotzdem gewann. Es kam an diesem Samstagabend in Berlin anders – auch wenn die frühe Führung durch Havertz kurzzeitig für Ruhe sorgte. Die deutschen Fans skandierten nach dem Treffer sogar "Auswärtssieg".
Dass die mangelnde Unterstützung der Fans ausschlaggebend für die Niederlage war, wollte Julian Nagelsmann nicht gelten lassen. Der Weg zur Euphorie könne nur über die eigene Spielweise kommen. "Der Weg ist dann schon andersrum." Dennoch beklagte Nagelsmann als einer der Hauptgründe die mangelnde Emotionalität bei einigen seiner Spieler. "Wenn die Emotionen nicht bei 100 Prozent sind, muss man taktisch brillant sein." Mit mangelnder Emotionalität zu spielen, dürfte hingegen den türkischen Spielern nicht möglich gewesen sein: Jede gelungene Aktion wurde von den Zuschauern wie ein Torschuss gefeiert, bei den drei Toren schien das Olympiastadion zu explodieren. Auch Ilkay Gündogan, dem an diesem Tag wenig gelang, beklagte den mangelnden Biss seines Teams: "Wir waren nicht aggressiv genug, einfach zu passiv."

Die Türkei-Fans feierten den Sieg mit einem Autokorso
Zu feiern gab es für die türkischen Fans auch nach Abpfiff noch einiges: Nach Abpfiff gab es einen Autokorso rund um den Kurfürstendamm, in der Innenstadt waren auch nach Mitternacht noch viele Halbmond-Fahnen zu sehen. Der in Gelsenkirchen geborene Abwehrspieler Kaan Ayhan wertet das als gutes Zeichen für die Europameisterschaft im kommenden Jahr, für die die Türkei ebenfalls qualifiziert ist: "Das Spiel hat gezeigt, es kann eine Heim-EM werden für uns."
Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.
Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.
Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.
MiMiMi... Wer nicht verlieren kann hat sich den falschen Job gesucht !
(edit/mod/NUB 7.2)
Ist ja nicht so, dass sich Deutschland dieses Publikum selbst herangezogen hat
K. Brenner
Ich kann Thomas Müller gut verstehen. Schon in früheren Zeiten, erinnere ich mich, standen die in D lebenden türkischen Fans voll hinter ihrer Mannschaft. Dass man aber Gündogan durchweg auspfeifft, nur weil er sich entschied, für D zu spielen, finde ich absolut ungezogen und unfair, vor allem auch deshalb, weil viele der anwesenden Türken wohl auch deutsche Staatsbürgerschaft genießen. Noch schlimmer ist jedoch, dass es bei vielen deutschen Spielern enen nicht zu einer Trotzreaktion führte, die gerade nach dem 1:0 zu einem totalen Einsatz über das ganze Feld führen hätte müssen. Die Spieler haben hier zunächst Bringschuld, nicht die Zuschauer.
Sehen Sie Frau Brenner, dass ist mir auch aufgefallen und deshalb habe ich mir es nicht weiter zu gemutet, diese Spiel weiter zu verfolgen, denn das war schon sehr Frustrierend wie Herr Müller zu recht sagte und ich kann in voll und ganz verstehen. Sie haben vollkommen recht in Ihrem Kommentar. Ich werde mir das Spiel aber gegen Österreich anschauen in der Hoffnung auf ein Faires Publikum. Aber ich bin schon froh darüber, dass es in Berlin auf den Straßen ruhig friedlich blieb.