Für den Biathlon-Olympiasieger Michael Greis begann alles mit einem Traum
Michael Greis macht Turin 2006 zu seinen Spielen und räumt ab wie zuvor kein anderer deutscher Athlet. Heute hilft er dem Allgäuer Nawrath, orientiert sich aber auch neu.
Alles begann mit dem Traum eines Buben. „Ich habe damals als kleiner Junge angefangen, Biathlon zu betreiben, und habe einen Traum gehabt: auf dem Podest zu stehen.“ Olympia hatte Michael Greis da noch gar nicht im Sinn. Nein, das Podest, das „Stockerl“, wie die Österreicher sagen, hatte es dem jungen Burschen aus Nesselwang angetan. Die Ereignisse waren zunächst nicht so wichtig. Über regionale, dann nationale und schließlich internationale Biathlon-Wettkämpfe arbeitete sich der Allgäuer nach oben, um 2006 zu seinem großen Jahr zu machen. Es war der grandiose Höhepunkt seiner Karriere. Olympia in Turin machte Greis zu seinen Spielen. „Olympia war für mich das Allergrößte. Wenn man es auf dem Höhepunkt schafft, dann dreimal ganz oben zu stehen, dann kann man sich nichts Großartigeres wünschen“, blickt der Athlet auf sein Jahr zurück.
Die erste Goldmedaille der Spiele für Deutschland ging 2006 an Michael Greis
2002 im US-amerikanischen Salt Lake City hatte Greis erste Olympia-Erfahrungen gesammelt. 2010 in Vancouver lief er bei fünf Starts an seinem geliebten Podest vorbei. Doch im Centro Olimpico in San Sicario, rund 100 Kilometer westlich von Turin, erlebte der Athlet des Deutschen Skiverbandes seine drei Sternstunden. Gleich zum Auftakt der Spiele am 11. Februar holte sich Greis die Goldmedaille im Einzel über 20 Kilometer. Mit nur einem Schießfehler ließ er den Norweger Ole Einar Bjørndalen aus Norwegen hinter sich.
Es folgten Triumphe in der Staffel mit Ricco Groß, Michael Rösch und Sven Fischer sowie in der olympischen Massenstart-Premiere über 15 Kilometer. Greis schrieb Geschichte im Zeichen der Ringe. War der erste deutsche Olympia-Starter, der bei einen Spielen dreimal ganz oben auf dem Podest stand. „Da gehört immer das notwendige Glück dazu, aber damals habe ich gewusst, dass die Rahmenbedingungen passen. Und: Es geht nur mit dem Glauben an sich selbst“, blickt der Allgäuer auf seine größten sportlichen Momente zurück und fügt an: „Wenn man da hingeht und sagt: Jetzt schau mer mal, vielleicht. Vergiss es. Nein, da muss man unheimlich viel investieren.“
Olympiasieger – das ist für Greis ein ganz besonderes Qualitätsmerkmal
Es hat sich ausgezahlt und das Leben von Greis geprägt. Bis heute wird er auf die Medaillen von Turin angesprochen. „Olympia ist ein Begriff, mit dem jeder etwas anfangen kann. Weltmeister gibt es viele, aber Olympiasieger ist doch ein anderes Qualitätsmerkmal.“
Vor knapp zehn Jahren trat Greis vom Leistungssport zurück. Grund dafür war eine Verletzung, die er sich allerdings nicht in der Loipe zugezogen hatte. Es passierte beim Fußballspielen nach einer ausgedehnten Radtour. Das Syndesmoseband zwischen Schien- und Wadenbein riss. „Das war mein Karrierekiller. Danach konnte ich läuferisch nicht mehr an meine besten Leistungen anknüpfen.“ Biathlon bleibt ein ausgesprochen gesunder Sport. „Der klassische Slogan: Langläufer leben länger, der gilt immer noch“, sagt Greis, der nach seinem Rücktritt als Trainer des Schweizer Biathlon-Nachwuchses, der US-amerikanischen Männer und schließlich der polnischen Frauen arbeitete. Aktuell studiert der 45-Jährige wieder in München. Es habe mit Sport nichts zu tun, sondern eher mit der Finanzbranche, mehr will der stets umtriebige und neugierige Greis nicht verraten.
Das Gewehr hat der ehemalige Top-Biathlet Greis in die Ecke gestellt
Das Gewehr hat er in die Ecke gestellt. Die Langlaufski werden jedoch weiterhin gewachst. So plant Greis mit einem Kumpel in diesem Frühjahr seinen zweiten Start beim legendären Vasalauf in Schweden. Als persönlicher Coach betreut er seit drei Jahren Philipp Nawrath, der in Nesselwang auf die gleiche Schule wie Greis gegangen ist. „Wenn etwas klemmt, kann er auf meine Erfahrung bauen. Das Sportlerleben ist ja doch so kurz.“ Der 28-Jährige lief beim Biathlon-Weltcup zuletzt in Ruhpolding mit der Staffel auf Platz zwei. Als Schlussläufer, genauso wie Greis 2006 mit dem deutschen Team in Turin.
Trotz der durchwachsenen Ergebnisse des bisherigen Winters hält Greis eine Medaille für den DSV für möglich. „Man kann hoffen. Die Deutschen sind von der Weltspitze nicht so weit weg. Johannes Kühn oder Benedikt Doll haben in dieser Saison starke Leistungen gezeigt.“ Bei den Frauen habe man mit Franziska Preuß, sofern sie gesund wird, und Denise Herrmann zwei Medaillenkandidatinnen.
Zu den Rennen in Peking wird sich der 45-Jährige den Wecker stellen und sie verfolgen. „Ich schau das immer noch als hoffentlich Experte mit meinem analytischen Verständnis an, das ich als Sportler oder Trainer hatte“, sagt Greis beim Gespräch am Telefon und lacht bei seinem Stichwort „hoffentlich Experte“ laut auf. Es ist herauszuhören: Michael Greis lebt und liebt immer noch seinen Biathlonsport.
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