Fast geriet diese andere Geschichte in Vergessenheit, als Jannik Sinner das Finale der Australian Open gegen Alexander Zverev gewonnen hatte. Der Sieg war eine Machtdemonstration gewesen, der deutsche Top-Spieler gegen den Südtiroler nahezu chancenlos. Doch im Hintergrund läuft da ja immer noch dieses lästige Dopingverfahren. Im März 2024 war Sinner zweimal positiv auf das anabole Steroid Clostebol getestet worden. Gesperrt wurde er nicht, weil eine sogenannte Internationale Tennis-Integritätsagentur (Itia) herausgefunden haben wollte, dass weder vorsätzliches Verschulden noch Fahrlässigkeit vorlagen.
Am liebsten hätten alle Beteiligten den lästigen Vorgang wohl unter den Tisch fallen lassen. Anders lässt sich kaum erklären, dass er erst mit reichlich Verspätung publik wurde. Als Erklärung für die positiven Tests musste der Masseur herhalten, der eine Schnittwunde an seiner Hand mit einem für Profi-Sportler verbotenen Mittel behandelt habe. Schwups gelangte dieses über die Haut in den Körper des Weltranglistenersten. Kann man glauben, muss man nicht. Es gab schon bessere Ausreden, die kein Gehör fanden.
Dopingverfahren gegen Jannik Sinner: Fragen bleiben offen
Im Kern geht es um die Ungleichbehandlung von Sportlerinnen und Sportlern mit ganz offensichtlich unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten, sich zu verteidigen. Wer sich keine Top-Anwälte leisten kann, wird mit einer derartigen Geschichte wohl kaum Erfolg haben. Der Tennis-Millionär Sinner dürfte an dieser Stelle nicht gespart haben. Trotzdem muss er im April nun doch noch vor den internationalen Sportgerichtshof Cas. Auch dort wird er wieder mit allem auflaufen, was die Berufssparte der Sportjuristen zu bieten hat.
Spannend wird es dann, wenn es selbst die hoch bezahlten Anwälte nicht schaffen, ihrem Klienten einen Freispruch zu organisieren. Dann droht Sinner eine zweijährige Sperre. Was aber, wenn die rückwirkend ab dem Dopingvergehen ausgesprochen wird? Ist Zverev dann nachträglich doch noch Australian-Open-Sieger? Für den Tennissport wäre dieses Szenario eine Katastrophe. Schwer vorstellbar also, dass es der Cas so weit kommen lässt - positiver Dopingtest hin oder her.
Gleichzeitig ist es in der Welt des Spitzensports mittlerweile völlig normal, dass olympische Goldmedaillen noch Jahre später wegen Dopingvergehen aberkannt und dem einstmals Zweitplatzierten per Post nachträglich zugestellt werden. Vielleicht bekommt Zverev ja auch bald ein Päckchen geliefert, in dem sich ein silberner Pokal befindet.
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