Der Countdown läuft für Tina Rupprecht. Die Augsburger Profiboxerin liegt in den letzten Zügen einer intensiven Vorbereitung auf einen ganz besonderen Kampfabend in Potsdam. Denn sollte sich die 32-Jährige am 5. April dort gegen die Japanerin Sumire Yamanaka durchsetzen, würde sie ihre jetzt schon außergewöhnliche Karriere mit etwas Einzigartigem krönen: dem vierten WM-Titel. Noch nie trug ein Boxer oder eine Boxerin aus Deutschland gleichzeitig die Titel der vier großen Boxverbände WBO, WBC, WBA und IBF. Rupprecht, die bereits mit ihren drei WM-Titeln im Atomgewicht (bis 46,2 Kilogramm) Historisches schaffte, fehlt nur noch der Gürtel der International Box Federation (IBF) zum Vierfacherfolg. Diesen will sie Yamanka am Samstag, 5. April, (ab 22.30 Uhr live im MDR) unbedingt abluchsen.
Dabei hatte es Anfang 2023 noch recht düster mit Rupprechts Karriere ausgesehen, als sie einen aufsehenerregenden WM-Kampf in Fresno im US-Bundesstaat Kalifornien gegen die WBA-Championesse Saniesa Estrada verlor. Ein Tiefschlag für die erfolgsverwöhnte Augsburgerin. „Nicht umsonst sagt man, nach einer Niederlage kommt man stärker zurück. Ich habe den Spruch, ehrlich gesagt, nie gecheckt, denn ich hatte bis dahin noch nie verloren. Dann aber kam Fresno. Und ich stand da und fragte mich: Was mache ich jetzt?“
Rupprecht hatte jahrelang nur auf höchstem internationalen Niveau geboxt. Sie hatte keine Lust, geräuschlos in die Niederungen des Boxsports abzutauchen. Aufhören wollte sie auch nicht, doch das Recht auf große Kämpfe hatte sie mit der Niederlage gegen Estrada erst einmal verwirkt. „Das war nicht so einfach für mich“, erinnert sich Rupprecht an die harte Zeit. „Dann hat sich für mich aber die Chance in der neuen Gewichtsklasse aufgetan.“
Die zierliche Augsburgerin wechselte vom Minimumgewicht ins Atomgewicht. Mit der niedrigeren Gewichtsklasse hatte sie ohnehin schon länger geliebäugelt. „Ich musste nie abnehmen für meine Kämpfe. Es ist im Boxen ziemlich ungewöhnlich, dass man mit seinem Kampfgewicht herumläuft“, sagt Rupprecht schmunzelnd, „als ich mit dem Boxsport angefangen habe, gab es das Atomgewicht noch gar nicht. Aber durch die Niederlage bin ich dann da hingekommen“.
Tina Rupprecht wechselt vom Minimum- ins Atomgewicht
In der neuen Gewichtsklasse taten sich wieder Chancen auf WM-Kämpfe auf. Die Realisierung sei trotzdem kompliziert gewesen, betont Rupprecht. „So ein großer Kampf ist immer ein Riesenakt. Da muss erst das gegnerische Team zustimmen, und dann auch die Weltverbände, denn jeder hat seine Pflichtverteidungen. Das ist reine Politik. Und eben nicht ganz einfach.“ Dennoch ergatterte ihr Team dank der Organisation durch ihren Manager Benedikt Poelchau im Januar 2024 den WM-Kampf gegen eine begehrte Rivalin: Fabiana Bytyki aus Tschechien. Und bei ihr kannte Rupprecht kein Pardon mehr. „Ich war so entschlossen, dass ich mir alles wieder zurückhole, was ich verloren hatte. Ich hatte null Prozent Zweifel, dass ich es schaffe. Ich bin halt einfach ein Wettkampftyp.“
Gesagt, getan. Nach einem furiosen Sieg über Bytyki wollte die Augsburgerin aber nicht mehr nur Titel verteidigen, sondern aufs Ganze gehen und auch die anderen Titel einsammeln – in einem Vereinigungskampf mit der Japanerin Eri Matsuda. Nach einem erneuten Sieg und drei Titelgewinnen ist Rupprecht nun bereit für den letzten Streich: den IBF-Gürtel von Yamanaka.
Rupprecht holt sich den Schliff im Trainingslager in Usbekistan
Wie schon im vergangenen Jahr holte sich „Tiny Tina“, die von Alexander Haan im Boxclub Haan in Augsburg trainiert wird, in Usbekistan den letzten Schliff – in einer Boxakademie für Frauen und Mädchen. Zwei Stunden entfernt von der Hauptstadt Taschkent. In völliger Abgeschiedenheit auf einem Berg wird dort rund um die Uhr trainiert. „Da gibt es zwei Kioske und sonst nichts. Echt krass“, erzählt Rupprecht. Alle Altersklassen und Leistungsstufen seien dort vertreten, Olympiakadermitglieder ebenso wie erst sechsjährige Mädchen. „Da gibt es nichts außer Boxen“, betont Rupprecht.
Nach dem WM-Kampf geht es mit dem Ehemann in den Urlaub
Ein Glücksfall für die ambitionierte Augsburgerin. Denn dort findet sie Sparringspartnerinnen mit gleichem Gewicht und auf gleichem Niveau. Und sogar kleiner und in der Rechtsauslage wie ihre japanische Gegnerin. „Schwieriger geht es wirklich nicht. In ganz Deutschland findet sich vielleicht eine Einzige, die sich eignet, in Usbekistan sind es gleich mehrere“, sagt Rupprecht und lacht. Gesprochen wird Russisch und Usbekisch, ihr Trainer Alexander Haan hilft beim Übersetzen. Zusätzlich verbrachte Rupprecht viele Tage bei Sepp Maurer, ihrem Athletik-Trainer im Bayerischen Wald. Der habe sie in bewährter Manier auf Höchstform getrimmt. „Deshalb bin ich auch konditionell superfit. Seine Trainingseinheiten kann man, glaube ich, nicht toppen.“
So perfekt vorbereitet geht die Augsburgerin nun in ihren vermutlich letzten WM-Kampf. Noch hält sie sich bedeckt, was danach kommt. Tina Rupprecht lächelt. „Jetzt konzentriere ich mich erst einmal nur auf diesen Kampf.“ Zumindest aber lässt sie sich entlocken, dass es danach mit Ehemann Markus Fritschi in den Urlaub geht. Das Ziel? Wie kann es anders sein: Japan!
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