Segeln am Limit - und ganz viel Meer: Boris Herrmann hat schon fünf Mal die Welt umsegelt. Nun steht das sechste Abenteuer an. Der 43-Jährige startet an diesem Sonntag in sein zweites Solo um den Globus. Mit der 10. Vendée Globe beginnt vor Les Sables-d’Olonne an der französischen Atlantik-Küste die härteste Regatta des internationalen Segelsports.
Und der Skipper aus Hamburg hat zu seiner eigenen Überraschung trotz aller Erfahrung Lampenfieber: «Ich bin aufgeregter, als ich dachte. Es ist immer noch eine Reise ins Ungewisse.»
Die Vorzeichen für sein zweites Solo beim «Everest der Meere», wie das Rennen auch genannt wird, sind andere als noch bei der Premiere. Vor vier Jahren war Herrmann der erste deutsche Vendée-Globe-Starter. In Zeiten der Covid-Pandemie teilte er sein Abenteuer mit einem stetig wachsenden Publikum. Seine Kämpfe mit sich, dem Boot, der Konkurrenz und den Elementen faszinierten die Menschen. Er holte sie mit erfrischend offener Berichterstattung wort- und bildgewaltig vom Sofa zu sich an Bord.
Menschen an Bord geholt
Auf sich alleine gestellt war er dem Festland dabei oft weiter entfernt als die Astronauten der ISS. «Mein Abenteuer zu teilen war für mich natürlich. Ich habe während der Vendée Globe herausgefunden, dass es mir mental sehr geholfen hat, wenn ich von meinen Erlebnissen erzählte. Ich fühlte mich weniger alleine, mehr mit der Welt verbunden, motivierter», erinnert sich Herrmann.
Am Ende von 80 Tagen, 14 Stunden, 59 Minuten und 45 Sekunden auf See erlebte ein Millionenpublikum in der Nacht zum 28. Januar 2021 an den Bildschirmen mit, wie der deutsche Segelheld dramatisch mit einem Fischerboot kollidierte. Er verlor dadurch die Siegchance und den Podiumsplatz, wurde am Morgen danach Fünfter. Das Last-Minute-Unglück hat ihm nur noch mehr Fan-Zuneigung beschert.
Viele Medientermine und Ehrungen
Zurück an Land folgten Gastspiele bei allen großen TV-Talkshows. Die Medien rissen sich um den Segler mit dem großen Erzähltalent, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud ein. Das Herrmann-Buch «Allein zwischen Himmel und Meer» wurde ein Bestseller. Zum zweiten Vendée-Globe-Start erscheint die von Beetz Brothers und der ARD produzierte Dokumentation «Boris Herrmann – Segeln am Limit», die am 16. November (19.10 Uhr) im Ersten ausgestrahlt wird.
Bei allen Einsätzen steht der Slogan «A race we must win» (Ein Rennen, das wir gewinnen müssen) in riesigen Lettern auf dem Segel der Rennyacht «Malizia – Seaexplorer». Und Herrmann setzt ihn auch im Kampf gegen die Klimakatastrophe um. Er wirbt für den Schutz der Meere, die für ihn nicht nur Abenteuerspielplatz, sondern Lebensgrundlage der Menschheit sind.
Ein bordeigenes Labor sammelt Daten für die wissenschaftliche Forschung. Die mit seiner Frau gegründete Bildungsinitiative «My Ocean Challenge» wendet sich an junge Menschen, wurde in zwölf Sprachen übersetzt.
«Können uns dem Co-Favoritenstatus nicht verwehren»
Mit zwei zweiten Plätzen bei den jüngsten Transatlantik-Rennen und Weltranglistenplatz zwei zählt Herrmann vor dem zweiten Solo um die Welt zum Favoritenkreis. «Mit Blick auf die erledigten Hausaufgaben stehen wir auf den vorderen Plätzen. Wir können uns also dem Co-Favoritenstatus nicht verwehren», sagt er selbst.
Herrmann sieht «sechs bis zehn Leute, die um den Sieg und die Podiumsplätze kämpfen können» und damit in die Phalanx der französischen Offshore-Elite einbrechen können. Seit der Vendée-Globe-Premiere 1989/1990 hat nie ein Nicht-Franzose die schwerste Prüfung des internationalen Segelsports gewinnen können.
Die Top-Favoriten heißen dieses Mal Charlie Dalin, Thomas Ruyant, Yoann Richomme und Jérémie Beyou. Dalin sagt: «Boris segelt jetzt auf sehr hohem Niveau. Er ist sehr konstant und ein Gegner, den man im Auge behalten muss.»
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