Der Ratschlag ist so alt wie die Leibesertüchtigung selbst: Der Sport und seine Aktiven sollten sich zu gesellschaftlichen und politischen Themen allenfalls dezent äußern. Es reichen die unzähligen Versuche der Politik, den Spitzensport für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Fußballer sollen gegen den Ball treten, Handballerinnen den Ball und Speerwerfer den Speer werfen. Wer das Spielfeld verlässt, tritt allzu leicht ins Fettnäpfchen. In der Türkei leisteten sich nun Fußballspieler eine peinliche Entgleisung, wie sie wohl nur in patriarchalischen Strukturen möglich erscheint.
Im Super-League-Spiel Sivasspor gegen Fenerbahçe Istanbul traten Spieler von Sivasspor mit einem Transparent mit der Aufschrift „Das Natürliche ist eine normale Geburt“ auf den Platz. Darunter war weiter zu lesen: „Ein Kaiserschnitt ist nicht natürlich, solange er medizinisch nicht notwendig ist“. Im Ernst: Kicker gerieren sich als Hebammen und erteilen Frauen Ratschläge über die korrekte Geburt?
Proteststurm bricht los
Der Proteststurm ließ nicht lange auf sich warten. Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien, Politiker und Frauenorganisationen empörten sich über den skurrilen Einsatz für die richtige Geburt. In den Beiträgen hieß es, die Kampagne sei einseitig, sexistisch und unwissenschaftlich. Von der türkischen Ärztekammer (TTB) hieß es auf X, die Art der Geburt sei eine Entscheidung, die nur von der Frau und dem Arzt getroffen werden könne.
Der verstörende Aufruf hat einen politischen Hintergrund. Die Fußballer, oder diejenigen, die sie zu der Geburten-Offensive zurück zu den Wurzeln angeleitet haben, sind offensichtlich Anhänger des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Das Gesundheitsministerium der islamisch-konservativen Regierung hatte vor einigen Monaten eine Kampagne gegen Kaiserschnitte gestartet. In dem Plan steht, mit der Verringerung der Bauchgeburten wolle man dafür sorgen, „normale Geburten zu fördern und das Bevölkerungswachstum auf einem nachhaltigen Niveau zu halten“. Kaiserschnitte setzten Mutter und Kind einem großen Risiko aus, erklärte das türkische Ministerium.
Wenn die Männer eines Tages entbinden. . .
Gökce Gökcen von der größten türkischen Oppositionspartei CHP schrieb den Kickern als einzig vernünftig erscheinende Replik auf X: „Als ob alle Probleme im Lande vorbei wären, sagen männliche Fußballer den Frauen, wie sie gebären sollen. Meine Herren, wenn ihr eines Tages entbindet, könnt ihr eine ‚normale Geburt‘ haben, wie ihr wollt.“
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