
Löws Neustart-Notfall - Kapitän-Machtwort später

Berlin (dpa) - Das Machtwort in Sachen Kapitän ist verschoben - erst einmal muss Joachim Löw eine Notlösung für den ungeliebten Saisonauftakt in Dänemark zusammenbasteln. Nur ein Mini-Aufgebot von 17 Spielern wird der Bundestrainer am 9. August in Frankfurt/Main begrüßen.
Lediglich sieben Akteure waren beim erfolgreichen Südafrika-Trip des WM-Dritten dabei. In Manuel Neuer und Jérome Boateng werden am 11. August in Kopenhagen beim Neustart gerade mal zwei WM-Stammkräfte auflaufen. Die Stars um WM-Kapitän Philipp Lahm bleiben bei ihren Vereinen, die den frühen Länderspiel-Termin heftig kritisiert hatten. "Capitano" Michael Ballack kämpft bei Bayer Leverkusen um seine endgültige Gesundung und seine immer mehr bröckelnde Ausnahmestellung.
Dennoch will die sportliche Leitung der DFB-Auswahl, die die brisante Kapitäns-Frage erst vor der EM-Qualifikation im September beantworten wird, von einer bunt oder gar wild zusammengewürfelten deutschen Fußball-Nationalmannschaft nichts wissen. Es seien "ausnahmslos" Spieler nominiert worden, "die wir vor der WM immer beobachtet haben und die sich mit guten Leistungen für weitere Einladungen empfehlen können", betonte Löw und verwies auf die Philosophie der DFB-Elf, die inzwischen auch den zahlreichen Aushilfskräften bekannt sein sollte.
Dass der 50-Jährige aus einer Gruppe junger und teilweise unbekannter Profis ein schlagkräftiges Team formen kann, hat er spätestens in diesem WM-Sommer bewiesen. Dieses Mal aber muss das Puzzle im Hauruck-Verfahren passen.
Nur zwei Trainingseinheiten hat Löw, um aus den nach der Absage des Hamburgers Piotr Trochowski nur noch sieben WM-Kräften, acht Rückkehrern sowie den beiden Neulingen Sascha Riether (Wolfsburg) und Marco Reus (Mönchengladbach) ein halbwegs funktionierendes Ensemble zu kreieren. Das WM-System mit der Vierer-Abwehrkette, zwei zentralen Strategen, drei offensiven Mittelfeld-Leuten und einer Spitze wird auch in Kopenhagen zu sehen sein. Doch über die Notbesetzung darf kräftig spekuliert werden. Selbst für das Muster ohne Wert zieht Löw zum Üben zweimal hinter verschlossene Türen, gerade jeweils 15 Minuten gestattet der Bundestrainer den Medien Einblicke.
Auch wer beim ersten Spiel nach Löws Vertragsverlängerung die Kapitänsbinde tragen wird, bleibt vorerst offen. Denn nicht nur Ballack und Lahm, die sich beide als geeignete Spielerchefs sehen, fehlen beim Kaltstart. Auch der komplette Mannschaftsrat mit Vize-Kapitän Schweinsteiger, Friedrich, Klose und Mertesacker pausiert gegen WM-Teilnehmer Dänemark, der ebenfalls einige Stars schont. Thomas Hitzlsperger, der nach dem Schock über die Nichtnominierung für Südafrika nun bei West Ham United gelandet ist, kann mit 51 auf die meisten Länderspiele der 17 Akteure verweisen.
Richtig spannend aber wird die Kapitänsfrage erst vor dem EM-Qualifikations-Auftakt Anfang September in Belgien und gegen Aserbaidschan. Dann muss Löw bei der jetzt verschobenen Entscheidung ein Machtwort sprechen: Ballack oder Lahm. Der Münchner Lahm hatte sich noch während der WM in Stellung gebracht. "Warum soll ich dann das Kapitänsamt wieder freiwillig zur Verfügung stellen?", hatte der Bayern-Profi gesagt. Da gebe es nicht viel hinzufügen, meinte Lahm am Sonntag. "Die Entscheidung trifft ganz alleine der Bundestrainer. Ich habe meine Meinung dazu gesagt, ich habe geäußert, dass ich gerne Kapitän bleiben würde, weil dieses Amt sehr viel Spaß macht."
Ballack legte aktuell im "Audi Star Talk" nach: "Im Prinzip ist ja nichts passiert. Ein Spieler hat geäußert, dass er gern Kapitän sein möchte." Da er nichts anderes gehört habe, gehe er davon aus, die Mannschaft als Anführer zur EURO 2012 in Polen und der Ukraine zu führen, übermittelte der 33-Jährige seine Botschaft. Löw blieb zu dem Thema bisher in Deckung. "Wichtig ist zu sehen, dass er die nächsten Wochen den Rhythmus aufnimmt, die Verletzung vollständig auskuriert und dann auch spielt", hatte der Bundestrainer zu Ballack gesagt.
DFB-Ehrenspielführer Lothar Matthäus sieht mehr Befürworter für den Münchner. "Es sind zwei hervorragende Spieler. Philipp Lahm hat einen tollen Job gemacht bei der WM und hat auch die Mannschaft hinter sich stehen. Bei Michael Ballack sehe ich das nicht so ganz, dass da jeder zu ihm steht", sagte Matthäus am Rande eine Benefizspiels in der Münchner Allianz Arena.
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